Interview mit Uta und Götz Spiegel Marktforschung als Familienunternehmen

Mitte der 90er Jahre übernahmen die Geschwister Uta und Götz Spiegel die Verantwortung für das Spiegel Institut von ihrem Vater Bernt. Im Gespräch mit marktforschung.de berichten die beiden, wie es ist, schon in der frühesten Kindheit mit der Marktforschung in Berührung zu kommen, und ein Marktforschungsinstitut als Familienunternehmer zu führen.

Uta & Götz Spiegel (Bild: Spiegel Institut)
Uta und Götz Spiegel sind Geschäftsführende Gesellschafter des Spiegel Instituts. (Bild: Spiegel Institut)

marktforschung.de: Frau Spiegel, Herr Spiegel, Sie kennen sicherlich den berühmten Werbespruch des Babynahrungsherstellers Hipp: "Dafür stehe ich mit meinem Namen." In gewisser Weise tun Sie dies als geschäftsführende Gesellschafter des Spiegel Instituts ebenfalls. Empfinden Sie es eher als Freude, ein Unternehmen zu führen, das den Namen Ihrer Familie trägt? Oder kann diese Verantwortung auch mal zur Last werden?

Götz Spiegel: Auf jeden Fall ist es Freude, die ehrlich gesagt auch mit Stolz darüber verbunden ist, wie sich das Unternehmen entwickelt hat. Viel wichtiger als der Name ist aber die unternehmerische Verantwortung den Mitarbeitern gegenüber, das Unternehmen so zu führen, dass es sich in einem gesunden Zustand befindet, aus dem heraus es "blühen, wachsen und gedeihen kann". Da sind wir wohl typische Vertreter der zweiten Generation von Familienunternehmern.  Bei Familienunternehmen spricht man ja von Lebenszyklen: der Geburt durch den Gründer – in unserem Fall unser Vater, der mit einer Idee in den 50er Jahren startete –, dem Wachstum und Ausbau durch die zweite Generation – uns Geschwister, die die Idee weiterentwickeln und auf breitere Füße stellen – und der Reifephase durch die nachfolgenden Generationen. Inwieweit eine dritte Generation nachfolgen wird, steht noch in den Sternen.

marktforschung.de: Wie sie soeben berichtet haben, war Ihr Vater Bernt Spiegel bereits in den 50er Jahren in der Marktforschung tätig und legte wichtige Grundsteine für die Marktpsychologie. Sie sind also schon in ihrer Kindheit mit dem Thema in Kontakt gekommen. Wie haben Sie den Beruf Ihres Vaters damals wahrgenommen? Kam es Ihnen als Kind nicht komisch vor, dass Ihr Vater keinen leicht erklärbaren Beruf wie Polizist, Postbote oder Feuermann hatte?

Götz Spiegel: Ganz im Gegenteil: Wir konnten immer tolle Geschichten erzählen, was sich unser Vater wieder ausgedacht hatte. Seien es skurrile Dinge wie Wasserski mit Eigenantrieb oder eher normale wie besondere Füller für Schulanfänger. Ich glaube, meine Freunde dachten früher vielleicht, er sei so eine Art Daniel Düsentrieb. Für uns als Kinder war das eigentlich fantastisch: Unser Vater trennte wenig zwischen Privatleben und Beruf. Ständig gab es etwas Neues und Außergewöhnliches zum Bestaunen und Ausprobieren. Wie zum Beispiel die verschiedensten Fahrzeuge – er hat eine große Leidenschaft für alles, was motorisiert ist – vom BMW 2002 tii touring in Orange über den ersten Porsche 928 mit damals unglaublichen 300 PS direkt aus Weissach von der Porsche-Teststrecke bis hin zum Dehler Profi VW-Bus.

Uta Spiegel: Darüber hinaus haben wir schon früh und eher spielerisch gelernt, unser Konsumverhalten zu reflektieren. Wir haben in Vorversuchen Versuchspläne ausgefüllt. Es gab immer etwas zu testen oder zu beurteilen, zum Beispiel neueste Pralinen-Entwürfe und ihre Anordnung in der Verpackung. Es war nur schade, dass die Pralinen häufig Unikate aus Gips waren … Die Schokoladen-Kunden haben wir geliebt: Wir haben zum Beispiel in der Küche so eine Art After Eight produziert, an der Konsistenz der Minzmasse herumexperimentiert, die Zeiten im Kühlschrank variiert und dann das Beiß-, Kau und Genusserleben beschrieben. Das war Anfang der 70er Jahre. Letztendlich hat uns die Leidenschaft und Begeisterung unseres Vaters für die Sache und entsprechende Forschungsdesigns geprägt. Man könnte also sagen, dass schon sehr früh klar war, worauf das Ganze hinauslaufen wird, obwohl das explizit überhaupt kein Thema war.

marktforschung.de: Viele Firmengründer wünschen sich ja, dass Ihre Kinder später den Betrieb übernehmen. Hat Ihr Vater bereits während Ihrer Jugend versucht, Sie über die bereits beschriebenen Experimente hinaus an sein Arbeitsfeld heranzuführen? Hat er damals je den Wunsch geäußert, dass Sie mal in seine Fußstapfen treten?

Uta Spiegel: Den geflügelten Satz "Du kommst später mal in die Firma" gab es bei uns nicht. Unser Vater, von Hause aus Sozialpsychologe, war sich sicher bewusst, welche psychosoziale Dynamik Familienunternehmen haben können. Ich könnte mir vorstellen, dass das eine Dimension war, die ihn eher abgeschreckt hat. Bei uns hat es sich einfach so ergeben – oder es war von langer Hand, ohne dass es allen Beteiligten so klar war, geplant – das ist eine Frage der Perspektive. Mein Bruder, der drei Jahre älter ist als ich, hat mich im Rückblick glücklicherweise davon überzeugen können, hier in Mannheim das Institut weiterzuentwickeln. Mein Plan war damals, an der Uni zu bleiben. So kam ich nach dem Studium aus Hamburg zurück und wir fingen gemeinsam an, das Institut neu auszurichten.

marktforschung.de: Gab es denn auch mal eine Zeit, in der Sie gar nichts mit Marktforschung zu tun haben wollten?

Götz Spiegel: Den Marktforschern ergeht es ähnlich wie manchen klinischen Psychologen. Jeder hat eine Meinung, kennt sich bestens aus und redet einfach mal mit. Das sind Momente, während denen man innerlich mit den Augen rollt und sich ein präzises fachliches Gespräch unter Ingenieuren herbeiwünscht.

marktforschung.de: Vor einigen Jahren haben Sie die Verantwortung für das Spiegel Institut von Ihrem Vater übernommen. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Übergang? Wurden Sie von den Mitarbeitern schnell akzeptiert oder gab es auch Kollegen, die Sie als Kinder des Chefs auch mal kritisch beäugt haben?

Uta Spiegel: Nun, unser Vater hatte seit Anfang der 80er Jahre als Berater für einen sehr illustren Kundenkreis gearbeitet. Als mein Bruder Anfang der 90er Jahre das Unternehmen startete, hatten wir das große Glück, auf diese Kontakte zurückgreifen zu können. Ich kam dann so richtig zwei Jahre später dazu. Mitte der 90er Jahre waren wir dann zu fünft. Wir sind ziemlich eng gestaffelt gestartet, sodass wir nicht auf feste vorhandene Strukturen getroffen sind und uns erst einmal Anerkennung bei Mitarbeitern erarbeiten mussten. Die mussten wir uns vielmehr bei den Kunden verschaffen.

marktforschung.de: Frau Spiegel, Sie haben einen Magister in Linguistik. Herr Spiegel, Sie sind Diplom-Kaufmann. Haben diese Hintergründe Ihre jeweilige Sicht auf das Institut geprägt? Waren sie sogar ausschlaggebend dafür, wie Sie sich nach dem Rückzug Ihres Vaters die Arbeit aufgeteilt haben?

Uta Spiegel: Auf jeden Fall hat das geprägt. Ich habe damals meine Magisterarbeit über die Verständlichkeit von Bedienungsanleitungen und die Interaktion von Text und Bild geschrieben. Technische Instruktionstexte waren ein Faible von mir. In diesem Bereich haben wir dann auch Studien durchgeführt und für einen Automobilhersteller die Bedienungsanleitungen neu konzipiert. So begann meine Laufbahn im Institut. Später habe ich mich dann neben der klassischen Projektarbeit im Schwerpunkt um Methodenentwicklung in der qualitativen Forschung gekümmert. Ich habe eher das Bedürfnis, meine Nase tief in eine Sache hineinzustecken und ein Thema so richtig zu durchdringen. Mein Bruder ist da ganz anders unterwegs, das ergänzt sich glücklicherweise sehr gut!

Götz Spiegel: Als Diplom-Kaufmann habe ich eine sehr breite Ausbildung genossen und das Wesentliche wurde an der Universität vermittelt: präzises wissenschaftliches Denken und Arbeiten. Selbst denken ist erlaubt! Mit diesem universitären Werkzeugkasten ausgerüstet und dem Drang zum Tun und Umsetzen hinterlasse ich sicherlich Spuren im Spiegel Institut.

marktforschung.de: Gab es in den vergangenen Jahren zwischen Ihnen auch mal Reibungspunkte in Bezug auf das Unternehmen? Und wenn ja, wie haben Sie diese gelöst?

Uta Spiegel: Natürlich gab es die, eigentlich gibt es die permanent! Man könnte jetzt sagen: "Reibung wandelt Energie und diese Energie bringt uns weiter." Natürlich ist es wichtig, Reibungen oder unterschiedliche Meinungen konstruktiv anzugehen. Dabei hilft, kurz einen Schritt zurück zu treten und sich über die eigene Rolle Klarheit zu verschaffen, denn wir sind Gesellschafter-Partner und gleichzeitig "kleine" Schwester und "großer" Bruder. Da muss man sich die Frage stellen: Stecke ich gerade in der kleinen Schwester, die es richtig blöd findet, was der große Bruder da gerade macht, und brate ihm dafür richtig eine über, weil ich ja weiß, wo ich ihn kriegen kann? Das gilt natürlich auch umgekehrt und Sie können sich vorstellen, dass das eher ungünstig für konstruktive Diskussion und einen Konsens ist. Wichtig ist, das zu reflektieren und sich auf die Gesellschafter-Partner-Rolle zu besinnen.

Götz Spiegel: Die gute Nachricht bei allen Konflikten ist: Wir haben als Geschwister eine sehr wichtige Ressource und die liegt in unserem gemeinsamen Elternhaus. Wir haben vergleichbare Erfahrungen, Grundlagen und Werte und verstehen uns meist auch ohne große Worte. Aus dieser gemeinsamen Prägung erwächst ein sehr großes gegenseitiges Vertrauen.

marktforschung.de: Das Land Baden-Württemberg und die Region Rhein/Neckar gelten gemeinhin als sehr wirtschaftsfreundlich. Wie nehmen Sie Ihre Region wahr? Haben Sie sich auch schon einmal einen anderen Standort gewünscht?

Götz Spiegel: Die Metropolregion Rhein/Neckar ist unter den Top 10 der Wirtschaftsräume in Deutschland. Außerdem ist sie mit ihren weit über zwei Mio. Einwohnern eine sehr gute Region, um Marktforschung zu betreiben. Sie ist ein interessanter Wirtschaftsstandort, eine ganze Reihe international führender Großkonzerne wie auch ein breiter Mittelstand sind hier ansässig. Über 20 Hochschulen gibt es mittlerweile in der Region und nicht zuletzt lässt es sich hier auch hervorragend leben und genießen.

Uta Spiegel: Wir sind sehr stark insbesondere mit Mannheim verbunden, da das Institut schon seit der Gründung in den 50er Jahren seinen Sitz in Mannheim hat. Mittlerweile haben wir aber auch weitere Standorte in Deutschland: in Stuttgart, Ingolstadt, München und Hamburg. In China sind wir in Shanghai und Beijing vertreten.

marktforschung.de: Vor zwei Jahren haben Sie sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und die Geschäftsführung an Personen außerhalb Ihrer Familie übergeben. Ist Ihnen dieser Schritt schwergefallen?

Götz Spiegel: Zunächst war das mit Erleichterung verbunden, dass andere den Job auch gerne machen wollten, das war für uns eine deutliche Entlastung. Wir haben das große Glück, dass wir die Geschäftsführung an Personen aus den eigenen Reihen übergeben konnten. Menschen, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten und die das Institut und seinen eigenen „Spirit“ sehr gut kennen und leben und denen wir vertrauen. Jetzt befinden wir uns in der Phase, weiter zu lernen, dass wir noch mehr loslassen dürfen.

marktforschung.de:
Wagen wir zum Schluss einen Blick in die Zukunft: Irgendwann werden auch Sie sich in den verdienten Ruhestand zurückziehen. Wie wird es dann mit dem Spiegel Institut weitergehen? Steht die nächste Generation der Spiegels schon bereit, um dann das Ruder zu übernehmen?

Uta Spiegel:
Verdienter Ruhestand klingt nach totaler Ödnis und Stillstand. Wir verstehen ein Unternehmen als lebenden Organismus, der in der Lage ist, selbstorganisiert zu arbeiten. Dazu braucht es uns nicht im Unternehmen und wir können andere Ideen weiterentwickeln und ins Leben bringen. Aktuell sind wir weiterhin dabei, so am Unternehmen zu arbeiten, dass es in der Zukunft auch ohne uns funktioniert. Ob die nächste Generation dann Lust hat, das Unternehmen zu übernehmen, wird die Zeit zeigen.

Das Interview führte Thorsten Treder.

 

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Spiegel Institut Mannheim GmbH

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