Neues von der IIeX Marktforscher auf der Suche nach ihrer zukünftigen Rolle

von Holger Geißler
Die IIeX hat sich längst auch in Europa etabliert. Zum siebten Mal trafen sich gestern Marktforscher aus Europa, um sich über die neuesten Entwicklungen der Branche zu informieren. Dementsprechend groß sind die Erwartungen, wenn man sich auf den Weg nach Amsterdam macht. Echte Innovationen waren am Tag 1 jedoch kaum zu finden. Dagegen wurde auch in Amsterdam deutlich, dass die zukünftige Rolle der Marktforschung für Unternehmen noch unklar ist. Klar scheint: Es gibt immer mehr Daten, immer mehr Marktforschung in Unternehmen. Offen ist: Wie geht man damit um, wenn praktisch jede Abteilung selbständig Forschung betreiben kann? Wie kann man Qualität sichern, wenn immer mehr geforscht wird?
"Very easy to generate insights, but difficult to make the best out of it"
Der Tag begann mit einer Session zum Thema "The future of consumer insight". Diskutiert wurde in der Paneldiskussion, an der u.a. Experten von Sky, Wetransfer, Hyve und Randstad teilnahmen, die zukünftige Rolle von Marktforschungsabteilungen in Unternehmen. Noch sind betriebliche Insight Manager wichtig, um die unterschiedlichen Enden miteinander zu verknüpfen. Auch das enorme Wissen, dass in MR-Abteilungen verfügbar ist, hilft die Position im Unternehmen aufrechtzuerhalten. Allerdings knabbern Bereiche wie UX oder CX zunehmend an dieser Position. Die Frage, ob UX und Marktforschungsteam zukünftig kombiniert werden sollen, wurde durchaus kontrovers diskutiert. Das Mindset in UX Teams, in denen viel ausprobiert und getestet wird, unterscheidet sich deutlich von Marktforschern, die kritischer und qualitätsbewusster an ihre Arbeit herangehen. Deutlich wurde in der Diskussion auch, dass die frühere Domäne der Datenerhebung durch die Marktforschungsabteilung längst der Vergangenheit angehört. Helene van den Dries, Lead UX Researcher bei Wetranfer, merkte an, dass die Generierung von Insights nicht mehr das Problem sei. Dafür gäbe es unzählige Methoden. Schwierig wäre es lediglich daraus etwas sinnvolles zu machen. Sarah Jousiffe, Head of Qualitative Research bei Sky, wies kritisch daraufhin, dass MR-Teams in der Regel Cost-Center sind, d.h. keine eigene Wertschöpfung betreiben. Umso schlanker sich Unternehmen aufstellen, desto wichtiger ist es als Marktforschungsabteilung eng mit anderen Teams zusammenzuarbeiten, um nicht als Silo wahrgenommen zu werden, dass irgendwann abgeschafft werde.
Die "Single source of truth" für das Unternehmen
In den anschließenden Sessions, die bis zu drei zeitgleiche Tracks beinhalteten, gab es gut präsentierte, aber doch noch recht traditionelle Studienansätze zu sehen. Das Berliner Startup Dalia zeigte z.B. Ergebnisse einer internationalen Trackingstudie zum Thema Nachhaltigkeit. Den Befragten aus 38 Ländern wurden mittels Mobile-Survey 100 Marken zur Bewertung der Nachhaltigkeit vorgelegt. Interessant ist dabei für Unternehmen der Fokus auf den Aspekt der Nachhaltigkeit.
Spannend war auch der gemeinsame Beitrag von Mondelez und dem Software-Unternehmen Market Logic, die eine AI-gestützte Datenbank vorstellten, in der die Marktforschungsabteilung alle 6.000 verfügbaren In-house Studien einspeist, um die Ergebnisse in der gesamten Firma verfügbar zu machen. Neu war dabei der Einsatz von AI, um die Suche in den Datenbeständen zu verbessern und zu personalisieren. So können z.B. auch Daten über Mondelez-Marken wie Toblerone extrahiert werden, auch wenn diese lediglich am Rande von Studien miterhoben wurden.
Sally Nicholls, Insight Managerin von FlexMR, stellte drei unterschiedliche Varianten zur Diskussion, wie die interne Marktforschung auf die Situation, dass es immer mehr vorhandene Daten gibt und immer weniger Daten aktiv erhoben werden müssen, reagieren könnte:
Lösung 1: Die Experten in der Zusammenführung unterschiedlicher Datentöpfe zu sein.
Lösung 2: Die Fähigkeit zu besitzen, andere Abteilungen in ihrer Arbeit mit Daten zu beraten.
Lösung 3: Eine "Single source of truth" entwickeln, um im Wirrwarr der unterschiedlichen Daten im Unternehmen den Überblick zu behalten.
Startups, die den Markt weiterentwickeln
Im anschließenden Startup-Wettbewerb, bei dem immerhin 20.000 € als Preis vergeben werden, zeigten fünf Startups ihre Ideen. "Disruptive" Ansätze waren dabei weniger zu entdecken als gutgemachte inkrementelle Innovationen. Caplena aus der Schweiz präsentierten ihre SaaS-Software zur Analyse offener Antworten. Clickscape aus UK zeigten die Kombination aus einem Klick-Button, einer App und einem Dashboard, um Verhaltensdaten kontinuierlich im Alltag zu erheben. On the GO aus Brasilien sind in der Entwicklung von Chat-Bots unterwegs und hatten ein starkes Argument, warum sie den Preis gewinnen sollten: Sie könnten damit in Brasilien drei Monate lang ihre Entwickler bezahlen. Fünf Minuten sind dagegen eine kurze Zeit, um zu erklären, was man als Unternehmen genau macht: Deshalb blieb auch etwas unklar, was Shopper Intelligence eigentlich machen. Irgendwas mit künstlicher Intelligenz, Menschen bekommen Brillen auf, wenn sie den Shop betreten. Damit würde gemessen, was genau im Geschäft passiert. Wonderflow aus Amsterdam und Rom bieten stattdessen eine Software, um Kundenfeedback aus unterschiedlichen Quellen zu sammeln, zu analysieren und in Insights zu verwandeln. Hier gab es dann auch mal eine Aussage, wie man sie von Startups immer erwartet: Wonderflow könne betriebliche Marktforscher komplett ersetzen. Phebi aus England möchten dagegen ihre Voice-Recognition Software lieber in bestehende Umfragesysteme integrieren, um so ausführlichere offene Antworten zu bekommen. Nach ihrer Aussage würden getippte Antworten deutlich länger dauern und wären nicht so reichhaltig wie aufgenommene Audio-Beiträge, wie man sie z.B. von WhatsApp kennt. Netter Nebeneffekt: Die Software transkribiert nicht nur das gesprochene Wort, sondern analysiert auch direkt, wie emotional der Beitrag war.
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