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- Markenerlebnisse schaffen Added Value! - Wie man Emotionen in der Markenkommunikation messen sollte
Markenerlebnisse schaffen Added Value! - Wie man Emotionen in der Markenkommunikation messen sollte
Einleitung
Im Folgenden werden die verschiedenen Ansätze zur Erforschung von Emotionen in der Marktforschung diskutiert. Markenkommunikation - so die Kernthese - muss 'Added Value' schaffen und hierfür sind Emotionen zentral. Eigenartigerweise wird aber genau die Schaffung von 'Added Value' durch Emotionen von vielen Ansätzen gar nicht richtig erfasst!
Dementsprechend zeigt der vorliegende Artikel, warum es zu diesem Defizit kommt, wieso Emotionen so zentral sind für die Schaffung von 'Added Value' und wie man sie messen und analysieren sollte. Letzteres wird anhand von zwei Fallbeispiele verdeutlicht.
Emotionstheorien: A Shopper’s Guide
Zur Erklärung von Emotionen sind diverse Ansätze entwickelt worden. In Marktforschung und Marketing sind die folgenden Positionen besonders prominent:
- Physiologische Arousal Theorien: Emotionen werden zentral auf physiologische Erregungszustände ("Arousal") zurückgeführt. Eine bestimmte Struktur im Hirnstamm soll dafür zentral sein (Retikuläres Aktivierungssystem). Emotionen werden als kognitive Interpretationen des Arousals aufgefasst.
- Dimensionale Theorien: Hier werden Emotionen auf bestimmte 'Grunddimensionen' zurückgeführt. Das bekannteste Modell ist der PAD – Ansatz von Russel & Mehrabian mit drei bipolaren Dimensionen: Pleasure (positiv / angenehm versus negativ / unangenehm), Aktivation (aktiviert versus inaktiviert) und Dominance (soziale Dominanz versus Unterordnung).
- Basisemotionen: Hier werden 'Grundemotionen' gesucht, die möglichst "angeboren" sein sollen und aus deren Kombination sich die "zusammengesetzte" Emotionen ergeben. Bekannte Modelle sind die von Izard oder Plutchick.
- Appraisaltheorien: Hier werden Emotionen als Reaktionen auf die Bedeutung von Reizen, Ereignissen oder Situationen für die Bedürfnisse eines Organismus verstanden. Das (unbewusste oder bewusste) Erschließen dieser Bedeutung wird als 'Appraisal' bezeichnet. Bekannte Vertreter sind Nico Frijda oder Antonio Damasio.
Zudem sind neuere Involvementtheorien vermehrt dazu übergegangen, die Rolle emotionaler Aspekte für das Involvement zu berücksichtigen. Gerade emotionale Reaktionen führen demnach dazu, dass Konsumenten sich interessiert und intensiv mit Markenbotschaften auseinandersetzen.
Seit den 90er Jahren kann man außerdem ein großes Interesse an neurowissenschaftlichen Theorien beobachten ('Emotional Turn' der Neurowissenschaften). Zentral für diese Entwicklung war die Einsicht, dass die klassische Theorie des 'limbischen Systems' falsch ist. Diese hatte u.a. behauptet, Emotionen seien in einem bestimmten Teil des Gehirns (dem 'limbischen System') verortet und es gäbe eine Trennung von Kognition und Emotion. Beides ist aber falsch: Auch kortikale Strukturen spielen eine Rolle bei Emotionen und alles, was Menschen tun (auch ihr denken), kann von Emotionen beeinflusst werden.
Natürlich geht es dabei in Marketing und Marktforschung nicht um eine akademische Diskussion der "Natur" von Emotionen, sondern diese werden diskutiert, weil man sich eine Verbesserung der Markenkommunikation verspricht.
Welche Leistungen sollen Emotionen für die Markenkommunikation erbringen?
Welches sind nun die zentralen Leistungen, die Emotionen für die Markenkommunikation erbringen sollen? Im Kern kann man hier die folgenden Leistungen unterscheiden:
- Verstärkungsleistung: Emotionen sollen die Effekte der Markenkommunikation verstärken, in dem sie beispielsweise den 'Recall' erhöhen oder der Botschaft eine größere Wirkung verleihen ('Persuasion').
- Vergegenwärtigungsleistung: Hier geht es darum, dass Emotionen Konsumenten auf bestimmte Botschaften fokussieren und diese für sie als dringlich und 'real' erlebbar machen.
- Übersetzungsleistung: Hier geht es um die Fähigkeit von Emotionen bei Konsumenten die Bedeutung von Angeboten für die Erfüllung eigener Bedürfnisse oder Ziele zu erschließen.
- Positionierungsleistung: Dies bezeichnet die Möglichkeit durch Markenkommunikation Konsumentenbedürfnisse so anzusprechen, dass ein Added Value resultiert, der die eigene Marke von Konkurrenten wirksam unterscheidet.
In der folgenden Übersicht werden die oben angeführten Ansätze diesen Leistungserwartungen zugeordnet:

Ein zentrales Problem: Das 'Affekt-Emotions-Dilemma'
In der Praxis führen die verschiedenen Versuche Emotionen zu messen dabei immer wieder in ein Dilemma: Was man leicht erfassen kann, ist eher unwichtig – was wichtig ist, kann man kaum erfassen. Ich möchte dies das 'Affekt-Emotions-Dilemma' nennen. Was damit genauer gemeint ist, versteht man, wenn man begrifflich unterscheidet zwischen:
'Kernaffekt': Spontane und unspezifische, positive oder negative Gefühle, die nicht mit Verhalten verbunden sein müssen, leicht auszulösen und zu messen sind. ('Pleasure' / 'Valenz' gehört in diese Kategorie.)
'Vollständige Emotionen': Verhalten (Fliehen, Kämpfen etc.) + Kernaffekte + Aufmerksamkeit auf das Objekt der Emotion + seine Bewertung + Person ist sich ihrer Emotion bewusst + physiologische Reaktionen treten auf. Diese 'echten Emotionen' sind sehr aufwändig und können in ihrer Bedeutung für Marken schwer gemessen werden, schon weil sie mit Mitteln der Markenkommunikation höchst selten erzielt werden!
Das Dilemma besteht darin, dass man entweder leicht messbare spontane 'Affekte' hat – die sind aber zu harmlos, weil sie keine differenzierte Positionierungsleitung erbringen können. Oder man hat differenzierte 'Emotionen' – die treten aber bei Markenkommunikation nicht auf. Und doch spielen sie eine Rolle – jedenfalls werden gerade sie immer wieder als zentral für den 'Added Value' einer Marke angesehen!
'Added Value' und 'Emotionen' in der Markenkommunikation
Warum Emotionen für den ‚Added Value’ wichtig sind versteht man schnell, wenn man sich dieses Konzept [1] einmal genauer ansieht. Es wurde u.a. vom amerikanischen Journalisten Martin Meyer 1958 in seinem Klassiker 'madison avenue u.s.a." beschrieben, um zu erklären, welche Aufgabe und Effekte Werbung hat. Werbung, so schrieb er:
"(…) in addition to its purely informative function, adds a new value to the existing values of the product."
'Added Value' wurde von Meyer also jenseits der "greifbaren" Produkteigenschaften verortet. Das hieß für ihn aber gerade nicht, dass 'Added Value" nicht "real" ist und Konsequenzen für das Konsumentenverhalten hat:
„But the fact that the value is fictitious as perceived by the consumer does not mean that it is unreal as enjoyed by the consumer. (…) ‘Brand loyalty’ results from the appreciation of the added value; (…).”
Schon früh wird ‘added value’ also mit “nicht greifbaren” Elementen des Markenerlebens verbunden, die Werbung vermittelt [2].
Dass emotionale Elemente von Marken in gesättigten Märkten eine immer größere Rolle spielen, wurde in Deutschland dann von Kreober-Riel betont:
„Mit fortschreitender gesellschaftlicher Entwicklung werden die emotionalen Konsumerlebnisse auf vielen Märkten sogar mehr zur Lebensqualität beitragen als die trivial gewordenen sachlichen und funktionalen Eigenschaften (…).“
Ähnlich argumentierten auch die beiden einflussreichen angelsächsische Konsumforscher Morris Holbrook und Elizabeth Hirschman. Sie kritisierten die existierende Konsumentenforschung und forderte eine Fokussierung auf Konsumerlebnisse, weil gerade hier der von Konsumenten erlebte Wert des Angebotes einer Marke liegt.
In einigen interessanten Arbeiten kontrastierten sie zwei Paradigmen der Konsumforschung: Statt auf die Verarbeitung von ‚Information’ sollte die Konsumentenforschung sich demnach mehr auf das durch Konsum vermittelte Markenwerterlebnis konzentrieren (vgl. Kasten).

Gegenwärtig kulminiert diese Diskussion in der Idee der ‚lovemarks’, die das klassische Konzept der ‚Marke’ hinterfragt. Marken sollen sich demnach nicht nur als Leistungsträger präsentieren, denen man Vertrauen schenkt. Sie sollen darüber hinaus auch zu einer Art persönlichem ‚Liebling’ werden, an den eine intime emotionale Bindung existiert (‚lovemark’).
Vor dem Hintergrund dieser Diskussion stellen sich nun zwei Fragen:
- Wie kann das ‚Affekt-Emotions-Dilemma’ gelöst werden?
- Welche Rollen spielen Emotionen eigentlich bei der Schaffung des ‚Added Value’?
Eine Lösung des Dilemmas
Einen (zunächst einmal theoretischen) Ausweg aus dem ‚Affekt-Emotions-Dilemma’ bietet Antonio Damasios Theorie der ‚simulierten Emotionen’: Sie treten auf, wenn im Gehirn die Konsequenzen eines Reizes für das Befinden des Organismus in sog. „as if loops“ simuliert werden.
Demnach stellt das Gehirn dann gewissermaßen die Effekte, die Markenkonsum in der Realität hätte, nach. Das derart simulierte Markenerleben wird dabei zur Grundlage der weiteren Markenbewertung und Markenbedeutung.
Diese Form affektiver Reaktionen ist eher kognitiver Natur, schneller als ‚vollständige Emotionen’ und auch mit weniger Energieaufwand verbunden als diese, weswegen sie sehr viel öfter auftreten. Da sie außerdem die Folgen eines Reizes oder Ereignisses sehr umfassend simulieren, sind sie auch in der Lage, die Positionierungsleistung von Emotionen zu erbringen.
Die zentrale ‚Übersetzungsleistung’ von Emotionen für den ‚Added Value’
Eine Antwort auf die zweite Frage bekommt man, wenn man sich klar macht, dass es beim ‚Added Value’ im Kern um die „Übersetzung“ „greifbarer“ Produktleistungen in ein Konsumerleben „jenseits“ der funktionalen Benefits geht. Denn eben dafür sind Emotionen wichtig, weil sie genau eine solche „Übersetzungsleistung“ beinhalten. Dies lässt sich anhand der unten angeführten ‚Gesetze der Emotion’ von Nico Frijda verdeutlichen (s. Kasten).

Dementsprechend reagieren Emotionen auf die Erschließung der Bedeutung eines Reizes für die Bedürfnisse und Ziele eines Konsumenten (Gesetz der Bedeutung), ein Aspekt, der vor allem in sogenannten ‚Appraisal Theorien’ modelliert wird (s.o.) [3]
Darüber hinaus fokussieren Emotionen Bedeutungen, weil sie ablenkende Einflüsse ausblenden (Gesetz der Geschlossenheit) und dafür sorgen, dass ansonsten eher abstrakte Verhaltensmöglichkeiten als real und dringlich erlebt werden (Gesetz der Realität). Hier erbringen Emotionen also eine sehr wichtige Vergegenwärtigungsleistung, die sich vor allem in dem von Konsumenten bei Kontakt mit Marken und ihren Botschaften an den Tag gelegten Involvement zeigt [4].
Wie diese Diskussion verdeutlicht liegt die zentrale Leistung von Emotionen für Marken also auf der strategischen Ebene – und dies können viele Emotionstheorien nicht abbilden (vgl. die Übersicht über die Leistungen von Emotionen oben).
Das Problem bipolarer Messungen
Der letzte Befund wird dabei noch verschärft, wenn bipolare Skalen eingesetzt werden, bei denen entweder eine ‚positive Valenz’ vorliegen muss oder eine ‚negative’. Werbemittel und auch Marken sind aber komplexe Reize, die positive und negative Eigenschaften zugleich haben können. Dies führt dann zu einer (ambivalenten) Mischung von Einschätzungen, die im Urteil des Konsumenten erst integriert werden müssen. Und hier sind für die Markenkommunikation aus strategischen Gründen oft beide Aspekte wichtig:
- Wenn eine Marke sich von anderen abheben oder provozieren will,
- Wenn ein Produkt die Lösung eines Problems verspricht,
- Wenn bestimmte Kommunikationsregeln der Produktkategorie gebrochen werden.
In allen diesen Fällen gibt es negative Momente (etwa den ‚Tabu-Bruch’ oder das gezeigte Problem), die zuletzt in einem Gesamturteil positiv aufgehoben werden müssen (vgl. das erste Fallbeispiel weiter unten).
Dies kann nur in einem ‚bivariaten’ Verständnis von Emotionen abgebildet werden, weil dort negative und positive Urteile gleichzeitig erfasst werden können. Wenn der Konsument beispielsweise auf ein Werbemittel trifft, das er in bestimmten Aspekten gut findet und in anderen schlecht, so kann untersucht werden, welche Aspekte dies jeweils sind und wie sie in ein Gesamturteil eingehen. (Und hier genügt dann auch die beliebte Erhebung von ‚Likes’ und ‚Dislikes’ nicht, so lange deren Integration in ein Gesamturteil nicht untersucht wird.)
Als Bedingung einer solchen Integration ist schon lange das (ebenfalls gut messbare) Involvement des Konsumenten bekannt – also die persönliche Wichtigkeit der kommunizierten Botschaft für den Konsumenten. Ist diese hoch, so werden Versuche einer Integration zu einem Gesamturteil erfolgen. Ist sie niedrig so wird dies nicht der Fall sein (oder das Werbemittel sogar ignoriert werden).
Zwischenfazit und eine Alternative
Fasst man die bisherige Diskussion zusammen, so ist zu konstatieren, dass die am häufigsten eingesetzten Ansätze zur Erfassung von Emotionen die taktische ‚Verstärkungsleistung’ von Emotionen betreffen (vgl. Übersichtstabelle oben). So gehört denn auch zu den zentralen Lehren aus der Forschung mit dimensionalen Ansätzen, dass ‚Arousal’ positiv mit ‚Recall’ korreliert und eine ‚positive Valenz’ das Gefallen am Werbemittel verstärkt, was Einfluss auf ‚Recall’ und ‚Persuasion’ haben sollte [5].
Wie die ‚Added Value’ Diskussion aber zeigt, ist diese ‚Verstärkung’ bei weitem nicht die wichtigste Leistung, die Emotionen in der Markenkommunikation übernehmen können. Gerade diese komplexeren ‚strategischen’ Aspekte werden aber in der Forschungspraxis vernachlässigt. Es soll daher abschließend an zwei Beispielen verdeutlicht werden, wie auch die ‚Übersetzungs-‚ und ‚Positionierungsleistung’ von (simulierten) Emotionen erfasst werden können.
Ambivalenzen in der Markenkommunikation: Ein Fallbeispiel
Beim ersten Fallbeispiel handelt es sich um Werbung für eine Chipsmarke, die mit dem Claim „Würze auf eigene Gefahr“ positioniert wurde: Der Zuschauer begleitet eine Gruppe Jugendlicher auf einer Autofahrt zu einem Konzert. Unterwegs essen sie Chips mit Dipp. Auf dem Parkplatz am Zielort angekommen wird der Fahrer durch den Anblick einer attraktiven Frau abgelenkt und baut fast einen Unfall. Die notwendige Vollbremsung führt dann dazu, dass die Insassen gegen die Sitze geschleudert werden und der rote Dipp auf der Kleidung des Protagonisten und als „Blutfleck“ auf der Rückscheibe des Autos landet. Dieser Eindruck wird durch die letzte Szene des Films entschärft: Sie zeigt das rot verschmierte Gesicht des Protagonisten, der kopfüber aus der geöffneten Hintertür hängt und grinsend einen Chip isst.


Wie unsere Analysen der Urteilsbildung zeigen wurde der „Blutfleck“ auf der Rückscheibe durchaus negativ beurteilt. Niemand möchte in einem Werbespot einen Unfall mit Verletzungen sehen! Wenn die Befragten, aber die die letzte Szene des Films registrierten, dann verstanden (und goutierten) sie auch den augenzwinkernden Humor des Films. Und so waren sie in der Lage, das „Blut“ als Teil der witzigen Markeninszenierung zu begreifen. (Was auch hätte schief gehen können!) So gab das „Blut“ dem Film nicht nur seinen Pepp, sondern verhalf auch der Marken - Positionierung zur Anschaulichkeit!
Die erzeugte Ambivalenz spielt hier also eine wichtige Rolle für die strategische Kommunikation der Marke. Beispiele wie dieses unterstreichen die Notwendigkeit eines bivariaten Zugangs. Oft müssen Marken Regeln brechen, um sich zu positionieren. Und hier spielt dann beides eine Rolle: Die Provokation – und ihre (am Ende hoffentlich) positive Rolle in und für die Gesamtkommunikation.
Erfassung der Ansprache unterschiedlicher Motive und des durch Werbung vermittelten Markenerlebens
Auch zur Erfassung der durch Marken angesprochenen Motive haben wir ein Instrument entwickelt, das die in einem Werbemittel adressierten Motive von Konsumenten erfasst.
Da - wie u.a. von Holbrook und Hirschman hervorhoben (vgl. Kasten dazu oben) - für das Markenerleben ‚Primärprozesse’ (d.h. Imagination und Phantasie) eine zentrale Rolle spielen, werden die Daten unter Benutzung eines projektiven Verfahrens erhoben. Dadurch kommen genau diese Prozesse ins Spiel. Konsumenten werden dabei Abbildungen verschiedener Personen gezeigt, die für bestimmte Motive stehen. Sie sollen dann angeben, welche Personen die beworbene Marke aufgrund des Films wählen und wie sie diese beschreiben würden.
Aus den Antworten auf diese Fragen wird dann abgelesen, welche Bedürfnisse die werbliche Markenpositionierung anspricht. Dabei werden neben den funktionalen Bedürfnissen auch die sozialen Bedürfnisse (etwa: Status) erfasst. Außerdem wird erfasst, welches konkrete Markenerleben ein Werbemittel dem Konsumenten vermittelt – wie dieser m.a.W. erwartet, sich aufgrund der Markenverwendung zu fühlen.

Indem die Bedürfnisansprache in ihrer Bedeutung für das Markeninvolvement der Konsumenten analysiert wird, kann dann ermittelt werden, welche konkreten Versprechen bei den Konsumenten „ankommen“ und welche nicht. Und dies kann dann wiederum in strategische Diskussionen der Markenpositionierung einfließen.
Um dies zu verdeutlichen diskutieren wir nun ein weiteres Fallbeispiel. Dabei handelt es sich um die berühmte ‚Whassup-Kampagne’ von Budweiser. Gezeigt wird dort eine Gruppe befreundeter junger Männer, die in ihrer Wohnung abhängen und ein gemeinsames Ritual zelebrieren: Sie begrüßen einander nämlich stets mit einem röhrenden ‚Whassup?!’ (ungefähr: „Hey, was geht?“).

Rationale Produkteigenschaften werden in diesem Spot nicht ausgelobt. Stattdessen setzte er konsequent auf die Vermittlung eines Lebensstils: urban, cool, kumpelhaft, gut drauf und nicht eben auf harte Arbeit und Karriere aus. Kurz: Der Budweiser Spot entwirft einen Lebensstil, den man als das gerade Gegenteil protestantischer Arbeitsethik charakterisieren kann. Wir, so vermitteln die Protagonisten, sind da anders. Statt hart zu arbeiten, hängen wir lieber ab mit einem „Bud“ – und das ist auch gut so!
Anheuser - Busch gelang so die Marke Budweiser umzupositionieren: Weg von den hart arbeitenden ländlichen „Rednecks“ – hin zu einer jüngeren und urbaneren Zielgruppe [6]. Mit den konkreten Produkteigenschaften des Bieres hatte dies am Ende wenig zu tun!
Fazit
Wie die Diskussion ergab, werden bei der Messung von Emotionen oft taktische Fragen fokussiert. Darüber wird die zentrale strategische Aufgabe von Emotionen (‚Added Value’) vernachlässigt. Dieses Defizit lässt sich aber angehen, wobei folgende Gesichtspunkte zentral sind:
- Die Möglichkeit positive und negative affektive Reaktionen zugleich berücksichtigen zu können (bivariate Vorgehensweise), um konkret zu analysieren, ob und wie sich diese im Kopf der Zielgruppe zu einem Gesamtbild verbinden.
- Die Erfassung der Wahrscheinlichkeit, mit der Konsumenten bereit sind, positive und negative Aspekte zu einem Gesamtbild zu integrieren (‚Involvement’).
- Die Einbeziehung der Analyse von Motiven, die „hinter“ den emotionalen Reaktionen auf ein Werbemittel stecken, weil hierdurch der ‚Added Value’ den die Markenkommunikation vermittelt, inhaltlich greifbar wird.
- Die Verwendung von Verfahren, die es erlauben ‚Primärprozesse’ (Phantasie, Imagination) zu erfassen, weil dies zum ‚Added Value’ einer Marke gehört (z.B. durch projektive Verfahren).
Weil für Markenkommunikation ‚Added Value’ zentral ist und dafür durch Emotionen vermittelte Markenerlebnisse, muss man vor allem diese erfassen. Vor diesem Hintergrund muss dann die jüngst zu beobachtende Zunahme an Neuauflagen von Emotionsmessinstrumenten, die auf die Erfassung „taktischer“ Emotionsleistungen setzen, eher befremden. Gegen diesen Trend sollte man die strategische Aufgabe von Markenkommunikation nicht aus den Augen verlieren und dem ‚Added Value’ auch und gerade in der Analyse von Emotionen in der Markenkommunikation die zentrale Rolle einräumen, die ihm gebührt!
(auf marktforschung.de veröffentlicht am 18.11.2009)
Über den Autor:
Udo Sladek ist Senior Research Consultant / Consumer & Retail bei TNS Infratest
Ausgewählte Literatur:
Berntson G. & Cacioppo J. 2008: The Functional Neuroarchitecture of Evaluative Processes, in: Elliot A. (ed): Handbook of Approach and Avoidance Motivation, Erlbaum Assoc., 307-322
Damasio A. 1996: Descartes Error: Emotion, Reason and the Human Brain, Vintage
Damasio A. 2000: The Feeling of What Happens: Body, Emotion and the Making of Consciousness, Vintage
Feldman Barret L., Mesquita B., Ochsner K. & Gross J. 2007: The Experience of Emotion, Annual Review of Psychology, 373-403
Frijda N. H. 2007: The Laws of Emotion, Lawrence Erlbaum Associates
Holbrook M. 1987: What is Consumer Research?, Journal of Consumer Research 14, 128-132
Holbrook M. & Hirschman E. 1982: The Experiental Aspects of Consumption: Consumer Fantasies, Feelings and Fun, Journal of Consumer Research 14, 132-140
Johar, G. et al. 2006: MAPping the Frontiers: Theoretical Advances in Consumer Research on Memory, Affect and Persuasion, Journal of Consumer Research 33, 139-149
Kroeber-Riel W. 1988: Strategie und Technik der Werbung, Kohlhammer
Meyer M. 1958: madison avenue u.s.a., Penguin Books
Poels K. & Dewitte S. 2006: How to Caoture the Heart? Reviewing 20 years of Emotion Measurement, Journal of Advertising Research 46, 18-37
Roberts K. 2007: the lovemarks effect: winning in the consumer revolution: mystery, sensuality and intimacy at work, Powerhouse Books
Roberts K. & A. G. Lafley 2006: lovemarks: the future beyond brands, Powerhouse Books
Stewart D.W., Morris J. & Grover A. 2007: Emotions in Advertising, in: Tellis, G. & Ambler T. (eds.): The Sage Handbook of Advertising, SAGE publications, 120-134
Fußnoten:
[1] Das Konzept des ‚Added Value’ stand im Kontext der durch Vance Packards Buch The Hidden Persuaders ausgelösten Debatte, ob Werbung „Bedürfnisse erzeugt“ und wie sie zu rechtfertigen ist. Die sehr rationale Theorie des USP von Rosser Reeves gab eine Antwort darauf, die These des ‚Added Value’ eine andere.
[2] Leider hat die Rezeption neurowissenschaftlicher Arbeiten in der Marktforschung zu einem verkürzten Verständnis von Emotionen geführt bzw. dieses unterstützt (vgl. dazu den Artikel von Udo Sladek Die „Neurodiskussion“ in der Marktforschung: Eine kritische Bestandsaufnahme auf marktforschung.de).
[3] Dieses ‚Appraisal’ erklärt auch, warum „rationale“ Botschaften Emotionen auslösen können, wenn sie Konsumenten – Bedürfnisse ansprechen. Die Formel: „Emotion im Werbemittel“ = „Emotion beim Konsumenten“ stimmt in dieser Schlichtheit nämlich nicht!
[4] Involvement ist freilich eine notwendige und keine hinreichende Bedingung für emotionale Effekte. Man erfasst also durch die Messung von Involvement nicht per se schon ‚Emotion’! Wohl erfasst man aber, ob Konsumenten durch eine Werbemittel (und seine Gestaltung) zum ‚Appraisal’ angeregt werden oder eher nicht!
[5] Bzgl. des Einflusses auf den Recall hat Robert Heath hier allerdings die Behauptung aufgestellt, emotionale Werbung führe zu weniger Recall. Emotionale Werbung werde nämlich im Gehirn auf eine Weise verarbeitet, die weniger „kognitiven“ Recall bewirkt. (Inzwischen hat er dazu auch Daten vorgelegt.) Dem ist von Eric Du Plessis widersprochen worden: Wenn Werbung gemocht wird, so sein Argument, dann wird sie auch länger betrachtet und dies führt dann zu mehr ‚Recall’.
[6] Eine gute allgemein zugängliche Darstellung des Hintergrundes zu diesem Fall findet sich in: Holt D. B. 2004: How Brands Become Icons:The Principles of Cultural Branding.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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