Marken-Recall-Werte bei Fußball-Weltmeisterschaften

1998 wurde vom Autor eine umfangreiche empirische Untersuchung zu den Wirkungen von Sportsponsoring im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich veröffentlicht. 2006 führte der Autor anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland eine Neuauflage dieser empirischen Studie durch. Gemessen und analysiert wurden insbesondere Erinnerungsleistungen an die offiziellen Sponsoren des Events. Befragt wurden insgesamt über 4.000 Jugendliche in Deutschland zwischen 13 und 18 Jahren.

Untersuchungsobjekte

Insgesamt engagierten sich bei der Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich 45 Unternehmen als offizielle Sponsoren. Neben den zwölf Hauptsponsoren agierten in drei zusätzlichen Sponsoring-Kategorien zusammen 33 weitere Unternehmen als offizielle Partner mit jeweils deutlich eingeschränkten Rechten. Von besonderer Bedeutung für die Hauptsponsoren war die Möglichkeit der Bandenwerbung in den Stadien. Pro Stadion wurden den zwölf Hauptsponsoren jeweils zwei exponiert platzierte Bandenplätze zur Verfügung gestellt.

Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland waren lediglich 21 Unternehmen in zwei unterschiedlichen Kategorien als offizielle Sponsoren mit von der Partie. Zu den autorisierten Unternehmen gehörten 15 offizielle Hauptsponsoren der FIFA. Erweitert wurde dieser Kreis um sechs nationale Partner des deutschen Organisationskomitees. Bedingung war, dass es sich dabei nicht um Konkurrenten der FIFA-Sponsoren handeln durfte. Hinsichtlich der Bandenwerbung in den zwölf deutschen WM-Stadien wurde ähnlich verfahren wie acht Jahre zuvor in Frankreich: Die Hauptsponsoren erhielten pro Stadion jeweils zwei stationäre Bandenplätze, die für die Fernsehzuschauer gut sichtbar waren.

Ungestützte Erinnerungsleistungen (Unaided Recall)

Zunächst wird die ungestützte Erinnerungsleistung der jugendlichen Fernsehzuschauer an die offiziellen WM-Sponsoren betrachtet. Hierzu wurde offen nach der wahrgenommenen Bandenwerbung der offiziellen Hauptsponsoren in den Stadien gefragt.

Die zwölf offiziellen Hauptsponsoren der WM 1998 können dabei folgende Ergebnisse erzielen, die in Abbildung 1 in Ranglistenform wiedergegeben werden.

Abbildung 1: Ergebnisse des ungestützten Erinnerungstests 1998
Abbildung 1: Ergebnisse des ungestützten Erinnerungstests 1998
    • Es ist auffällig, aber nicht weiter verwunderlich, dass diejenigen Marken die höchsten Recall-Werte erzielen, mit denen die Jugendlichen am ehesten in Kontakt treten – nämlich adidas, McDonald´s, Snickers und Coca-Cola.
    • Der durchschnittliche Unaided-Recall-Wert der zwölf offiziellen Hauptsponsoren liegt bei 9,9 %. Jeder Proband, der angab, die WM im Fernsehen zu verfolgen, kann im Durchschnitt 1,19 Hauptsponsoren korrekt wiedergeben.
    • 18,8 % der Probanden bekannten offen, sich an überhaupt keine Marke zu erinnern. Weite-re 12,7 % der Befragten beantworteten diese Frage nicht, was den Schluss zulässt, dass auch sie nicht in der Lage waren, sich an irgendwelche Marken zu erinnern.

    Acht Jahre später sieht das entsprechende Resultat im Rahmen der WM 2006 für die 15 Hauptsponsoren folgendermaßen aus:

    Abbildung 2: Ergebnisse des ungestützten Erinnerungstests 2006
    Abbildung 2: Ergebnisse des ungestützten Erinnerungstests 2006

     

    • Fast zwei Drittel der jugendlichen Probanden können McDonald´s richtig nennen. Knapp dahinter landet adidas. Den dritten Platz nimmt Coca-Cola mit einem komfortablen Vorsprung vor den Nächstplatzierten ein. Für die Sponsoren erfreulich: Bei dieser Untersuchung gibt es keinen einzigen Hauptsponsor, der ungestützt überhaupt nicht genannt wird.
    • Der durchschnittliche Unaided-Recall-Wert der 15 Hauptsponsoren liegt bei 17,9 %. Jeder Proband, der angab, die WM im Fernsehen zu verfolgen, kann sich ungestützt durchschnittlich korrekt an 2,69 der 15 Hauptsponsoren erinnern.
    • Diesmal kreuzten 17,2 % der Rezipienten die im Fragebogen vorhandene Option "ich erinnere mich an gar keine Bandenwerber" an.

    Die direkte Gegenüberstellung der Unaided-Recall-Werte derjenigen Unternehmen, die sowohl 1998 als auch 2006 als Hauptsponsoren mit von der Partie waren, liefert folgende Ergebnisse (die Marken werden gemäß ihrem arithmetischen Mittel beider Untersuchungen in eine Rangfolge gebracht):

    Abbildung 3: Vergleich der ungestützten Erinnerungswerte 1998 versus 2006
    Abbildung 3: Vergleich der ungestützten Erinnerungswerte 1998 versus 2006
    • Sieben der acht betrachteten Marken können 2006 einen besseren ungestützten Erinnerungswert erzielen als acht Jahre zuvor. Einzig Fuji-Film muss einen leichten Rückgang hinnehmen.
    • McDonald´s gelingt dabei die größte Steigerung. Eine ebenfalls sehr deutliche Verbesserung kann Master-Card verbuchen, wenngleich auch vom denkbar schlechtestmöglichen Anfangswert ausgehend.

    Gestützte Erinnerungsleistungen (Aided Recall)

    Zur Ermittlung der gestützten Erinnerungswerte wurde den Probanden jeweils eine Liste mit verschiedenen Marken vorgelegt, mit der Aufforderung, die darunter befindlichen WM-Sponsoren anzukreuzen. Diese Liste enthielt neben ausgewählten Sponsoren zusätzlich Distraktoren, d.h. Unternehmen, die sich nicht als offizielle WM-Sponsoren engagierten. Um die Aufgabe für die Probanden zusätzlich zu erschweren, wurden vornehmlich Konkurrenten der Sponsoren sowie allgemein sehr aktiv/aggressiv werbende Unternehmen in die Liste mitaufgenommen.

    1998 enthielt die Liste vier Hauptsponsoren (in Abbildung 4 grau unterlegt) sowie deren direkte Branchenkonkurrenten.

    Abbildung 4: Ergebnisse des gestützten Erinnerungstests 1998
    Abbildung 4: Ergebnisse des gestützten Erinnerungstests 1998
    • Die vier ausgewählten Hauptsponsoren erreichen mit einem durchschnittlichen Aided-Recall-Wert von 66,8 % ein sehr gutes Ergebnis. Die Distraktoren der vorgegebenen Liste kommen auf einen Durchschnittswert von immerhin 25,3 %.
    • Auffällig ist der sehr hohe Wert von Nicht-Sponsor Nike. Die Marke kann damit sogar den dritten Platz einnehmen.
    • Mit dieser einzigen Ausnahme kann aufgrund der Ergebnisse dennoch vermutet werden, dass die Versuchspersonen zwischen Hauptsponsoren und Nicht-Sponsoren unterscheiden können.

    In die den Probanden im Rahmen der 2006 durchgeführten Untersuchung vorgelegten Liste wurden insgesamt fünf FIFA-Sponsoren sowie mit OBI ein nationaler Förderer aufgenommen (in Abbildung 5 jeweils grau unterlegt), daneben 9 weitere Marken, die deren Konkurrenten bzw. weitere Distraktoren darstellen und nicht als Sponsoren der WM fungierten.

    Abbildung 5: Ergebnisse des gestützten Erinnerungstests 2006
    Abbildung 5: Ergebnisse des gestützten Erinnerungstests 2006
    • Die hier ausgewählten sechs WM-Sponsoren bzw. nationalen Partner erreichen mit einem durchschnittlichen Recall-Wert von 60,5 % insgesamt ein gutes Ergebnis. Aber auch die Distraktoren der vorgegebenen Liste erzielen einen Durchschnittswert von immerhin 24,3 %.
    • Die ersten vier Plätze werden von vier offiziellen WM-Sponsoren belegt, was auch hier zeigt, dass die Probanden gestützt dazu in der Lage sind, die offiziellen Sponsoren von Nicht-Sponsoren zu unterscheiden. Nur der WM-Sponsor Yahoo fällt hier etwas ab und erreicht lediglich den elften von 16 Plätzen.
    • Der einzige nationale Förderer in der Liste, OBI, schneidet zwar besser ab als Yahoo, muss aber dennoch vier Nicht-Sponsoren in der Rangliste den Vortritt lassen und landet auf Platz neun.

    Wiederum wird ein Vergleich WM 1998 versus WM 2006 für diejenigen Marken vorgenommen, die im Rahmen des gestützten Erinnerungstests bei beiden Untersuchungen berücksichtigt wurden (Werte, die durch WM-Sponsoring erzielt wurden, sind grau unterlegt):

    Abbildung 6: Vergleich der gestützten Erinnerungswerte 1998 versus 2006
    Abbildung 6: Vergleich der gestützten Erinnerungswerte 1998 versus 2006
    • Erneut schafft McDonald´s die stärkste Verbesserung. Daneben gelingt es den langjährigen FIFA-Partner adidas und Coca-Cola, ihre bereits herausragenden Ergebnisse von 1998 nochmals leicht zu steigern.
    • Fünf der sieben berücksichtigten Marken können 2006 einen besseren gestützten Erinnerungswert erzielen als acht Jahre zuvor. Nike, das bei beiden Turnieren nicht zu den offiziellen Sponsoren zählte, kann 2006 sein hervorragendes Ergebnis von 1998 nicht mehr in gleichem Ausmaß bestätigen. Einen interessanten Fall stellt die Marke Snickers dar: 1998 gehörte sie noch zum Kreis der offiziellen Sponsoren und erzielte dementsprechend auch ein sehr gutes Ergebnis. Bei der WM 2006 fungierte die Marke dagegen nicht mehr als Sponsor, was sich auch in einem deutlichen Ergebniseinbruch beim Aided-Recall-Test bemerkbar macht.

    Fazit

    Die durchgeführten Wirkungsuntersuchungen zum Sportsponsoring haben im Rahmen der beiden Fußball-Weltmeisterschaften 1998 und 2006 sehr unterschiedliche Ergebnisse hervorgebracht:

    • 1998 fielen sowohl die ungestützen als auch die gestützten die Erinnerungswerte insgesamt schwächer aus als 2006.
    • 2006 sind die Ergebnisse bei den betrachteten Zielgrößen für die WM-Sponsoren insgesamt deutlich positiver.

    Hierfür gibt es unterschiedliche Erklärungsansätze:

    • Zum Einen kann festgestellt werden, dass die Reduzierung der Anzahl der WM-Sponsoren von 45 (1998) auf 21 (2006) mit der damit einhergehenden Reduktion der Zahl der Sponsoring-Kategorien von vier auf zwei den einzelnen Sponsoren zweifellos zu Gute kommt – obwohl im Vergleichszeitraum parallel die Zahl der betrachteten Hauptsponsoren sogar von zwölf auf 15 leicht angestiegen ist.
    • Zum Anderen überrascht es, dass einige Marken, die keine offiziellen WM-Sponsoren waren, trotzdem das Kunststück fertig gebracht haben, insbesondere 2006 ihre Werte im fast gleichen Ausmaß zu steigern wie die offiziellen WM-Sponsoren. Eine potenzielle Erklärung hierfür könnte praktiziertes Ambush Marketing darstellen. Ambush Marketing kennzeichnet die Vorgehensweise von Unternehmen, die keine legalisierten oder lediglich unterprivilegierte Vermarktungsrechte an einer gesponserten Veranstaltung besitzen, aber trotzdem dem direkten und indirekten Publikum durch ihre Kommunikationsmaßnahmen eine autorisierte Verbindung zu diesem Event signalisieren. Ziel des Ambush Marketing ist es, von den Erfolgen des Sportsponsoring zu profitieren, ohne die Pflichten eines offiziellen Sponsors einzugehen.

    In weiterführenden Untersuchungen ist zu ermitteln, inwiefern Unternehmen im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft mit Ambush Marketing Erfolg hatten bzw. inwieweit Ambush Marketing das Engagement offizieller Sponsoren der Veranstaltung beeinträchtigt oder sogar kannibalisiert hat. Eine vollständige Analyse sämtlicher im Rahmen der beiden Weltmeisterschaften 1998 und 2006 erhobenen Daten sowie deren vergleichende Gegenüberstellung wird in Buchform erscheinen.

    Literatur

    Bühler, André / Nufer, Gerd (2006): The Nature of Sports Marketing, Reutlingen Working Paper on Marketing & Management 2006-06, School of International Business, Reutlingen University.

    Nufer, Gerd (1998): Event-Sponsoring am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich – Kritik und Implikationen für die Praxis, Tübinger Diskussionsbeitrag Nr. 151, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen 1998.

    Nufer, Gerd (2002): Erinnerungsleistungen an Sponsoren der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 – Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, in: GfK-Jahrbuch der Absatz- und Verbrauchsforschung, Heft 2, 2002, S. 149-171.

    Nufer, Gerd (2002): Wirkungen von Sportsponsoring. Empirische Analyse am Beispiel der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich unter besonderer Berücksichtigung von Erinnerungswirkungen bei jugendlichen Rezipienten, Berlin 2002.

    Nufer, Gerd (2004): Wirkungen von Event-Sponsoring – Ergebnisse empirischer Analysen zur Fußball-Weltmeisterschaft 1998, in: Horch, Heinz-Dieter / Heydel, Jörg / Sierau, Axel (Hrsg.): Events im Sport – Marketing, Management, Finanzierung, Köln 2004, S. 239-255.

    Nufer, Gerd (2005): Ambush Marketing – Angriff aus dem Hinterhalt oder eine Alternative zum Sportsponsoring? in: Horch, Heinz-Dieter / Hovemann, Gregor / Kaiser, Sebastian / Viebahn, Kai (Hrsg.): Perspektiven des Sportmarketing. Besonderheiten, Herausforderungen, Tendenzen, Köln, S. 209-227.

    Nufer, Gerd (2006): Die Wirkung klassischer Bandenwerbung, in: Bank und Markt – Zeitschrift für Retailbanking, Heft 7, 2006, S. 33-35.

    Nufer, Gerd (2006): Wirkungsvolles WM-Sponsoring, in: absatzwirtschaft, Heft 11, 2006, S. 65.

    Nufer, Gerd (2007): Event-Marketing und -Management. Theorie und Praxis unter besonderer Berücksichtigung von Imagewirkungen, 3., akt. u. überarb. Aufl., Wiesbaden 2007.

    Nufer, Gerd / Bühler, André (Hrsg.) (2008): Sportmanagement und Sportmarketing, Berlin.

    Nufer, Gerd / Bühler, André (2006): Lessons from Sports: What Corporate Management can learn from Sports Management, Reutlingen Working Paper on Marketing & Management 2006-07, School of International Business, Reutlingen University.

    Rennhak, Carsten / Nufer, Gerd (2008): Sponsoring, in: Häberle, Siegfried G. (Hrsg.): Das neue Lexikon der Betriebswirtschaftslehre, München u.a. 2008, S. 1168-1170.

    Zum Autor:

    Prof. Dr. Gerd Nufer, Hochschule Reutlingen

    Prof. Dr. Gerd Nufer

    ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Hochschule Reutlingen. Er studierte BWL an der Universität Tübingen und an der State University of New York at Stony Brook. Seine Doktorarbeit entstand an der Universität Tübingen in Kooperation mit adidas und einem Stipendium an der San Diego State University. Danach arbeitete er zunächst als Consultant/Projektleiter bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners in Bonn und später als Marketing Consultant/Key Account Manager in der Marktforschung bei der Information Resources GfK in Nürnberg. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte sind Event-Marketing und -Management, Sponsoring, Ambush Marketing sowie Sportmarketing und -management.

    Kontakt: gerd.nufer@reutlingen-university.de

      

     

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