Kommentar von Ulvi Aydin Marken-Darwinismus – was tun?

Die Wirtschaft hat eine brutale Dynamik erreicht: Neue Technologien, disruptive Geschäftsmodelle, immer anspruchsvollere Kunden und neue Wettbewerber durch globalisierte Märkte. Das Angebot besteht aus einem Markenmeer an Reizüberflutung. Wer hier herausstechen will, braucht eine glasklare Positionierung im Markt, mit Ecken und Kanten. Wie müssen also Unternehmen ihre Markenführung in einer immer nervöseren Wirtschaftswelt managen?

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert

Marken haben es heute schwerer. Kunden werden immer sprunghafter. Sie gehen mit anderen Marken fremd, nur um nach einer unbestimmten Zeit wieder zur alten Liebe zurückzukehren – um irgendwann wieder Reißaus zu nehmen.  Der Beziehungsstatus zwischen Kunde und Marke ist heutzutage superkompliziert. Dass die Markentreue der Deutschen seit Jahren zurückgeht, zeigt auch eine Studie des Datenanalyse-Unternehmens Nielsen: 38 Prozent der Befragten sind heute offener für neue Produkte, als noch vor fünf Jahren. Die Studie zeigt auch, dass Markentreue Generationssache ist. Millennials sind wesentlich offener, neue Produkte auszuprobieren, als die älteren Generationen.

Last Brand Standing

Hier kommen Fragen auf: Sind die Konsumenten tatsächlich offener für neue Produkte? Oder folgen sie im reizüberfluteten Markenmeer einfach spontaner ihren Impulsen? Ist das Prädikat "Neu" ein immer wichtiger Markenwert? Gelingt es Marken heute nicht mehr, sich mit anderen Eigenschaften von der Konkurrenz abzuheben? Hierzu sei gesagt: Märkte sind knallharte Schlachtfelder. Vor allem in gesättigten Märkten kämpfen zu viele Teilnehmer um den zu kleinen Kuchen. Alle gegen alle. Der letzte überlebt. Last Brand Standing.

Dass hierbei nicht jeder als Sieger hervorgehen kann, ist klar. Es herrscht eine Art Wirtschaftsdarwinismus. Die innovationsschwachen Unternehmen werden zuerst gefressen – ebenso wie die "doofen" Unternehmen, die ihre Strategie von den Marktführern kopieren, statt sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und daraus eine Strategie mit USP zu entwickeln. Das ist bei einer sprunghaften Kundengruppe eine Herausforderung. Und hier kommen wir zum (Marken-)Kern der Sache.

Gegensätze vereinen

Jede Marke besitzt eine eigene Identität, eigene Eigenschaften. Diese herauszuarbeiten, ist die wichtigste Hausaufgabe für jedes Unternehmen. Dabei hilft es absolut nicht, auf die Konkurrenz zu schielen. Und das tun leider zu viele. Das Ergebnis: Austauschbare Produkte, austauschbare Angebote, austauschbare Markenversprechen. Wer mit dem zunehmend sprunghaften Konsumverhalten, der nervösen Wirtschaftswelt und dem gesellschaftlichen Wandel umgehen will, muss lernen, mit Gegensätzen zu arbeiten – und diese in der Marke zu vereinen.

Denn: In erster Linie hat gute Markenführung mit Psychologie und menschlichen Bedürfnissen zu tun. Diese bestehen in der Regel aus vier Komponenten: Zugehörigkeit und Bindung, Stimulation und Aufregung, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit sowie Sicherheit und Kontrolle. Statt nur einseitig ein Bedürfnis zu adressieren, sollten Unternehmen heute mehrere, auch gegensätzliche Bedürfnisse in ihrer Marke kommunizieren – und eine Lösung vorschlagen.

Starbucks und Gucci

Beispielsweise Starbucks: Die Marke vermittelt einerseits Zusammengehörigkeit – den gemeinschaftlichen Kaffeegenuss, eine Verwöhnung. Andererseits kommuniziert Starbucks auch das Bedürfnis der Einzigartigkeit. Starbucks-Kunden stechen aus der Gruppe der genüsslichen Kaffeetrinker heraus. Der Starbucks-Gründer Howard Schultz sagte passend dazu: "If people believe they share values with a company, they will stay loyal to a brand."

Ein weiteres Extrembeispiel ist Gucci: Die Luxusmarke setzt auf eine Mischung zwischen stillvoll und superkitschig. Die Damenkollektion wird auch von männlichen Models präsentiert – und umgekehrt. Einerseits will kommuniziert die Marke ihre Hochwertigkeit im Luxussegment. Andererseits sind die Kollektionen bunt und schrill, statt puristisch und edel.    

Fazit: Mit den Widersprüchen umgehen

Jeder Mensch lebt mit seinen Widersprüchen. Die einen essen bio- und ökologisch Bewusst, reisen aber ein bis zwei Mal mit dem Flugzeug ans Ende der Welt. Die Anderen tragen Prada und kaufen bei Aldi ihre Lebensmittel ein. In einer Welt voller hybrider Konsumenten und nervösen Märkten, können Marken diese Wiedersprüche und Spannungsfelder aufnehmen. Unternehmen wie Starbucks oder Gucci sind Vermittler zwischen zwei Gegensätzlichkeiten und bieten in ihrer Marke die Lösung an: die Vereinigung unserer widersprüchlichen Bedürfnisse.

Zum Autor: Ulvi Aydin, Preisträger des Interim Management Projekts 2018, wird von Kunden "People Mover" genannt. Er ist ein erfahrener, ergebnisorientierter und international agierender CEO und CSO. Als Unternehmensentwickler und Interim Manager unterstützt er mittelständische Unternehmen und Konzerne bei Marken- und Marktentwicklung, Neu-Positionierung, Restrukturierung und Vertriebsexzellenz. Aydin ist ein Macher, Organisator und Treiber für die Geschäftsoptimierung im Sinne aller Beteiligten.

 

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