Marcus Dreyer: "Maßgabe muss sein, dass wissenschaftliche Kriterien bei der Forschung über und im Web 2.0 Bestand haben"
Marcus Dreyer ist Geschäftsführer bei SKOPOS und dort für die Unternehmensbereiche Marketing, Vertrieb und Public Relations verantwortlich. Anlässlich der dmexco in Köln stand er marktforschung.de zum Interview zur Verfügung und beantwortete Fragen zur Verknüpfung von Online-Marketing und Online-Marktforschung sowie zur Rolle des Web 2.0 für die Marktforschungsbranche.
marktforschung.de: Herr Dreyer, die dmexco löst in diesem Jahr die OMD als Leitmesse für digitales Marketing ab. Anders als die OMD bietet die dmexco eine zentrale Anlaufstelle für Online-Marktforschung. Was erwarten Sie sich davon?
Marcus Dreyer: Die vermehrte Beteiligung von Marktforschungsunternehmen zeigt aus meiner Sicht deutlich, dass hier eine vorhandene Lücke geschlossen wird: es gibt nun eine Plattform, die für die Online-Forschung die nötige Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft schlägt. Während auf den GORs in den vergangenen Jahren die Tendenz klar in Richtung Wissenschaft und Grundlagenforschung ging und dort teilweise extrem spannende Themen aufbereitet wurden, ergibt sich für die dmexco klar der Focus der Praxisrelevanz. Welche Tools also können für die konkreten Probleme der Online-Vermarktung angeboten und eingesetzt werden? Was hat der potentielle Kunde davon? Ich erhoffe mir, dass insbesondere auch Unternehmen, die bisher keine Online-Forschung eingesetzt haben, überzeugt werden, dass sie durch den Einsatz profitieren können. Die Vortragsserie der dgof sollte zumindest für genügend Gesprächsstoff an den Ständen sorgen können.
marktforschung.de: SKOPOS ist mit einem Vortrag zu "innovativen Online-Marktforschungstools" auf der Messe vertreten. Was dürfen die Besucher davon erwarten?
Marcus Dreyer: Wir geben in dem Vortrag einen Überblick über die SKOPOS Tools und zeigen dabei natürlich auch die jeweiligen praktischen Einsatzgebiete auf. Stolz sind wir bei der Entwicklung von neuen Ansätzen auf den engen Austausch mit unseren Kollegen in London, denn wir stellen immer wieder fest, dass durch die Zusammenarbeit hoch innovative Online-Forschungsinstrumente entwickelt werden. Dabei ist es sehr hilfreich, dass der Markt in UK einfach eine andere "Schlagzahl" als der Deutsche hat. Unsere zukunftsweisenden Entwicklungen sind deshalb sehr marktgetrieben und auch extrem praxisnah. Wir freuen uns sehr, dass auch eine Kollegin aus London einen Teil unseres Vortrags gestalten wird.
marktforschung.de: Ist Marktforschung ohne das Medium Internet aus Ihrer Sicht heutzutage überhaupt noch denkbar?
Marcus Dreyer: Klares nein. Sicherlich muss man festhalten, dass die kühnen Prognosen, dass die Online-Forschung die "klassische" Marktforschung schnell ablösen wird, nicht eingetreten sind. Das war m.E. aber auch nicht zu erwarten. Jede Erhebungsmethode hat seine Berechtigung und Notwendigkeit, deshalb bieten wir auch unseren Kunden das komplette Spektrum an Erhebungsmethoden an. Als seriöses Institut steht nun mal die Beantwortung der Kundenfragen im Fokus und welchen Einfluß die Wahl der "falschen" Methode auf Ergebnisse haben kann, wurde in zahlreichen Veröffentlichungen ja zur genüge behandelt. Online-Marktforschung ist aber definitiv nicht mehr wegzudenken.
marktforschung.de: Im so genannten Web 2.0 werden von Usern tagtäglich Unmengen von Daten generiert. Wenig verwunderlich ist daher der Ansatz, dass auch marktforschungsfremde Unternehmen wie facebook versuchen, diese "marktforscherisch" auszuwerten und zu vermarkten. Sehen Sie hierin eine Gefahr für die Marktforschungsbranche?
Marcus Dreyer: Ehrlich gesagt nein. Ich will nicht sagen, dass diese Daten völlig nutzlos sind, allerdings muss man klar unterscheiden, wofür diese Daten stehen und was sie überhaupt zuverlässig aussagen können. Dies sind wichtige Aspekte für potentielle Auftraggeber und ich habe etwas die Befürchtung, dass facebook versuchen wird, seine Daten mit aller Macht in den Markt zu drängen und dabei wissenschaftliche Kriterien gänzlich außer Acht lassen wird. Die Entwicklung bleibt abzuwarten und wir werden unsere Kunden sicherlich auf diese Problemfelder hinweisen.
Mein Eindruck ist, dass Unternehmen wie facebook merken, dass sie mit ihrer Plattform und ihrem Geschäftsmodell nicht wirklich Geld verdienen können. Dann kommen irgendwann im "Kreativprozess" schlaue Leute auf die Idee, man könne doch auch Marktforschung machen. Ich glaube, dass das häufig dann so ein Notnagel ist, an den man sich klammert. Auch während des ersten Internethypes gab es Unternehmen, die dann irgendwann Marktforschung machen wollten – vielleicht wäre mussten der bessere Ausdruck, weil die ursprüngliche Idee einfach kein Geld brachte und Investoren auf einen ROI drängten. Viele dieser Unternehmen gibt es heute nicht mehr.
Ergänzend ist noch zu sagen, dass ich bisher wenige wirklich überzeugende Tools in diesem Bereich gesehen habe – da versuchen wir z.B. mit unserem netnography Tool, welches auch in dem Vortrag präsentiert wird, voranzugehen.
marktforschung.de: Wie bewerten Sie die Möglichkeit, im bzw. über das Web 2.0 zu forschen und beispielsweise Social Networks, Blogs u.ä. für Marktforschungsprojekte zu nutzen?
Marcus Dreyer: Persönlich halte ich das Web 2.0 für überschätzt. Ich hatte diesbezüglich auch kontroverse Diskussionen mit meinen Kollegen, aber Maßgabe muss sein, dass wissenschaftliche Kriterien bei der Forschung über und im Web 2.0 Bestand haben müssen. Wenn Institute und wissenschaftliche Einrichtungen daran arbeiten und zu Erkenntnissen bspw. über den Kommunikationsprozess in Social Networks kommen, dann können auch z.B. Markenartikler sicherlich davon profitieren. Sofern aber Anbieter von Plattformen nun meinen, ihr Geschäftsmodell in der Marktforschung gefunden zu haben, bin ich sehr skeptisch und ich hoffe, dass Unternehmen als potentielle Adressaten dieser "Marktforschung" diesem Angebot ebenfalls die nötige Skepsis entgegenbringen.
Interessant können die Plattformen natürlich auch für Rekrutierungen sein, allerdings bin ich da vorsichtig und skeptisch, ob derartige Ansätze von Erfolg gekrönt sein werden.
marktforschung.de: Herr Dreyer, herzlichen Dank für das Interview!
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