Interview zum Web-Seminar am 25.10., 11 Uhr „Wir haben feststellen können, dass manche Moods durch Streaming beinahe gar nicht abgedeckt werden“

In der Studie „Mapping the Moods“ hat eye square untersucht, was die Menschen beim Fernsehen wirklich fühlen, erleben und tun. Auch wenn Streaming immer beliebter wird, kann dabei das klassische Fernsehen manche Bedürfnisse deutlich besser erfüllen. Über diese und weitere Erkenntnisse spricht Marvin Vogt von eye square im Interview vorab zu seinem Web-Seminar.

Marvin Vogt von eye square

Sie halten am 25. Oktober ein Web-Seminar zum Thema „Mapping the Moods – Warum wir fernsehen“. Welche Relevanz hat das Fernsehen denn überhaupt noch in Zeiten von Netflix, Amazon Prime Video und Co.?

Marvin Vogt: Das klassische, lineare Fernsehen hat auch heute nach wie vor einen hohen Stellenwert in der allgemeinen Mediennutzung. Natürlich gibt es heutzutage auch online ein enormes Angebot – aber viele Inhalte zu haben ist eben nicht dasselbe wie Inhalte für viele verschiedene Situationen, Intentionen und Bedürfnisse zu haben. Das sieht man dann in den sogenannten Moods, die genau diese Aspekte bündeln und als distinkte Muster in der Videonutzung benennbar machen. Einfach ausgedrückt: Manchmal ist man eben nicht in der Stimmung für einen Hollywood-Blockbuster, sondern möchte lieber etwas anderes. Das kann eine aktuelle Berichterstattung direkt vom Ort des Geschehens ebenso sein wie das Finale einer Datingshow, auf das man schon sehnsüchtig wartet. Mache zappen gerne durch die Sender und verfolgen mehrere Inhalte parallel, wieder andere möchten gerne bei einer Quizshow mitraten. Bei all diesen Dingen kann Fernsehen seine große Stärke, nämlich Vielfalt, ausspielen und so bestimmte Bedürfnisse abdecken, die Streaming eben nicht kann.

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Ohne zu viel vorwegzunehmen: Was sind denn die stärksten Beweggründe, warum Menschen fernsehen?

Marvin Vogt: Die häufigsten Moods, die wir in unserer Studie identifizieren konnten, waren natürlich Unterhaltung und Entspannung. In diesem Kontext soll Bewegtbild Spaß machen, für gute oder entspannte Stimmung sorgen, dient als Belohnung nach der Arbeit oder als Highlight am Wochenende. Das dürfte ehrlich gesagt auch niemanden verwundern. Aber wenn man nur ein wenig tiefer in die Details einsteigt, wird es schon nicht mehr so offensichtlich: Die eine Person fühlt sich vielleicht von einer Dokumentation unterhalten, eine andere Person entspannt am liebsten bei einem düsteren Horrorfilm. Das Genre allein gibt also noch keine zufriedenstellende Antwort, und so verhält es sich im Grunde mit jeder einzeln betrachteten Variable. Die große Stärke der Moods ist es deshalb, dass sie sehr viele Faktoren kombinieren.

Gibt es große Unterschiede in der Fernsehnutzung zwischen den Jüngeren und Älteren?

Marvin Vogt: Tendenziell findet man schon den leichten Trend, dass Ältere etwas mehr über das klassische Fernsehen schauen und Jüngere etwas mehr Streaming-Angebote nutzen. Allerdings sind diese Trends nicht so stark ausgeprägt, wie man es vielleicht vermuten könnte. Ein Grund ist hierbei natürlich, dass TV-Sender mittlerweile auch umfangreiche BVOD-Angebote (Broadcast and Video on Demand) als Alternative geschaffen haben. Erfolgsgaranten wie Joko und Klaas oder Dauerbrenner-Formate wie die vielen Talentshows und Wettbewerbe beweisen aber auch, dass es die unglaubliche Vielfalt im TV eben doch immer wieder aufs Neue schafft, Jüngere anzusprechen und für Inhalte zu begeistern.

Wird Fernsehen denn meistens mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt oder ist es eher zu einem „Nebenbei-Medium“ geworden?

Marvin Vogt: Auch hier gibt es eine große Variation über die verschiedenen Moods hinweg: Manchmal soll das Fernsehen ganz bewusst eher nebenbei laufen, z. B. um sich die Zeit beim Bügeln oder Sport zu Hause etwas angenehmer zu machen. Bei der Entspannung oder Unterhaltung ist es vielleicht der gelegentliche kurze Blick aufs Handy. Aber wenn wir uns die 15 Minuten bei den Abendnachrichten vorstellen, in denen in der Regel ausgesprochen ruhig und konzentriert zugeschaut wird, oder auch das Pokalfinale der Lieblingsmannschaft, wo so gebannt auf das Geschehen geachtet wird, dass man alles andere um sich herum vergisst… Da beschränkt sich die Nebentätigkeit höchstens auf einen gelegentlichen Griff zu den Knabbereien. Zumal wir in unserer vorherigen Studie „Track the Success“ auch schon zeigen konnten, dass z. B. die Werbeerinnerung beim Fernsehen selbst bei höherer Ablenkung durch das Handy immer noch vor anderen Medienkanälen liegt. Eine pauschale Aussage über TV ist so also (noch) nicht möglich. Die nächste spannende Frage wäre deshalb, wie es sich hier konkret mit der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung verhält, insbesondere eben auch während der Werbung. Genau das wollen wir übrigens in einer Anschlussstudie nun gezielt herausfinden.

Kann das klassische Fernsehen manche Bedürfnisse besser erfüllen, als dies beim Streaming der Fall ist?

Marvin Vogt: Nicht nur das: Wir haben mithilfe unserer Video-Map sogar feststellen können, dass manche Moods durch Streaming beinahe gar nicht abgedeckt werden. Dazu gehört beispielsweise das Informieren, vor allem durch aktuelle Nachrichtensendungen, aber auch das Live-Erlebnis, also wenn z. B. beim Sport mitgefiebert wird. Auch darf man nicht unterschätzen, dass feste Wochentage oder Uhrzeiten im Fernsehprogramm dabei unterstützen, den Alltag zu strukturieren. Hier taucht dann der Mood „Routine und Tradition“ auf, d.h. wenn immer wieder zu einer festen Uhrzeit die neueste Folge der Lieblingsserie geschaut wird. Auch das alte Familienritual, am Ostersamstag immer wieder den einen Kindheitsklassiker mit allen gemeinsam im Fernsehen anzuschauen, gehört zu diesem Mood. Dies sind alles Beispiele, wo und warum TV hier entsprechend mehr Grundbedürfnisse bedienen kann.

Denken Sie, die Nutzungsmotive sind so stark, dass wir auch in 50 Jahren noch fernsehen werden?

Marvin Vogt: Da gehe ich fest davon aus! Die psychologischen Grundbedürfnisse, die hinter den Moods und dem Videokonsum stehen, sind, wie der Name schon sagt, fundamental und werden daher nicht einfach wegfallen, nur weil sich die Medienlandschaft eventuell verändert. Wenn man einmal bedenkt, dass schon die Höhlenmenschen vor 30.000 Jahren Geschichten und Informationen an Wände gemalt und so mit anderen geteilt haben, ist es wohl keine allzu mutige These, dass wir auch in den nächsten 50 Jahren noch immer diesen Wunsch haben werden.

Was erwartet die Teilnehmenden in Ihrem Web-Seminar und wer sollte dies nicht verpassen?

Marvin Vogt: Unsere Studie „Mapping the Moods“ hat das Thema Videokonsum so grundsätzlich und ganzheitlich untersucht wie noch keine andere Studie zuvor. Indem wir nicht nur klassische Parameter wie Uhrzeit und Genre, sondern auch Verfassungen, Situationen, Rahmenbedingungen und Intentionen erheben und miteinander kombinieren konnten, stellen die Moods deutlich mehr Informationen zur Videonutzung zur Verfügung. Davon profitieren Medienplanende ebenso wie Programmplanende und dadurch letztlich auch die Zuschauenden selbst, denn mit diesem besseren Verständnis von Bewegtbildnutzung kann natürlich auch das Angebot entsprechend optimiert werden. Weil es aber auch einfach Spaß macht, sich selbst und sein eigenes Verhalten zu reflektieren, und man sich oft in dem ein oder anderen Ergebnis wiederfinden kann, ist das Webinar selbstverständlich auch für alle branchenfremden Interessierten geeignet, die etwas Neues über (ihre) Videonutzung lernen möchten.

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Über die Person

Marvin Vogt arbeitet als Research Consultant in der Brand and Media Experience Unit von eye square. Seinen Master of Science in Marketing and Consumer Psychology mit Schwerpunkt Kauf- und Konsumverhalten schloss er mit Auszeichnung an der University of Sussex ab. Vor seiner Zeit bei eye square hat er in einem Pharma-Unternehmen eine neue Medizintechnik-Marke auf- und ausgebaut. Zudem lehrt er als Dozent an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt empirische Forschungsmethoden.

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