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Interview mit Dr. Knapp, BVM-Vorstandsvorsitzender "Man hat mit branchenspezifischen Auslegungen gerechnet und akzeptiert diese auch"

Dr. Knapp
marktforschung.de: Herr Dr. Knapp, es gab neulich eine Presseerklärung Ihres Berufsverbandes, in der einige Bemühungen von Branchenverbänden, auf europäischer Ebene eine Art Verhaltenskodex zur DSGVO zu entwickeln, ausdrücklich begrüßt wurden. Um was geht es bei diesen Bemühungen überhaupt?
Dr. Frank Knapp: Die DSGVO ist so eine Art "one size fits all". Jede Branche hat aber ihre eigenen Prozesse und Anforderungen. Insofern ist es für einzelne Unternehmen oft schwierig herauszufinden, was heißen die Vorgaben der DSGVO konkret für mich? Ein Beispiel dafür ist das Verhältnis von Controller zu Processor. Was bedeutet das im Markforschungskontext? Als Forscher agiert ein Dienstleister eigenständig und ist selbst bei der Nutzung von Adressmaterial des Auftraggebers nicht in jedem Prozessschritt reiner Auftragsverarbeiter. Dies muss praxisgerecht kommuniziert werden. Auch die Spannweite potentieller personenbezogener Daten, von Video bis passiv erhobene Daten, kann dadurch verdeutlicht werden. Verhaltensregeln versuchen, die generischen Anforderungen des Gesetzestextes in die Arbeit der jeweiligen Branche umzusetzen/zu übersetzen.
marktforschung.de: Wenn Sie eine "Übersetzung" in die Branchensprache der Marktforscher für sinnvoll halten, ist das auch eine Kritik am Gesetzgeber? Wäre es sinnvoll gewesen, für jede Branche spezifische Regeln zu erlassen?
Dr. Frank Knapp: Naja, schön wär's. Aber die DSGVO sieht ja ausdrücklich diese Entwicklung branchenspezifischer Verhaltensregeln durch Branchenverbände vor. Insoweit hat man schon mit branchenspezifischen Auslegungen gerechnet und akzeptiert diese auch.
marktforschung.de: Wie schwer ist es, auf europäischer Ebene die Marktforscher an einen Tisch zu bekommen? Ob ESOMAR, ICC oder EFAMRO, viele Gremien haben sich mit dem Thema offenbar intensiv befasst. Falls dies branchenfremde Leser auch interessieren sollte: warum ist eine europäische Lösung so wichtig, warum nicht erst einmal eine deutsche, bei der zunächst mal die nationalen Gremien dabei sind? Immerhin haben Sie sich ja im Vorfeld der DSGVO-Einführung mit ADM, ASI und DGOF auf die Weinheimer Erklärung verständigt, in der es auch darum ging.
Dr. Frank Knapp: In Deutschland haben wir ja schon unsere Standesregeln, die grundsätzlich für verschiedene Verfahren sowohl gesetzliche – und damit auch datenschutzrechtliche – als auch berufsethische Vorgaben machen. Diese entspringen ja einem nationalen Konsens und sind nach wie vor die Basis unserer täglichen Arbeit. Eine europäische Lösung für die Verhaltensregeln zur DSGVO ist daneben dann einfach eine effiziente Ergänzung.
marktforschung.de: Wie sieht überhaupt Ihr Fazit nach einem Jahr DSGVO aus? Kommt die Branche damit zurecht?
Dr. Frank Knapp: In der täglichen Arbeit ist der Formalierungsgrad natürlich höher als in der Vergangenheit, das gilt auch für den Aufwand für die Strafbewehrung. Wir haben als BVM versucht, durch Information und Beratung Hilfestellung zu geben, damit die Unternehmen einen guten Start für die neuen Regelungen haben. Wie man da nachjustieren muss, wird die weitere Entwicklung zeigen. "Zurecht" kommt man mit vielem. Allerdings sind Qualität und Datenschutz, wie jede Regelkonformität, auch Aufwand und damit auch Kostenfaktoren. Das muss auch den Nutzern von Forschungsergebnissen klar sein.
marktforschung.de: Was sind nach gut einem Jahr Erfahrung die neuralgischen Punkte für die Marktforschung oder auch die beauftragenden Unternehmen, die diese in Anspruch nehmen? Können Sie Beispiele nennen?
Dr. Frank Knapp: Es herrschen teilweise grundsätzliche Bedenken, ob man jetzt personenbezogene Daten überhaupt noch nutzen oder übermitteln sollte. Dabei werden zwei Dinge vergessen: Erstens: Die Übermittlung personenbezogener Daten lässt sich oft gar nicht vermeiden – das fängt ja schon bei der elektronischen Kommunikation an. Und zweitens: Die Rechtsgrundlagen sind ja durchaus breit genug angelegt. Stichwort "berechtigtes Interesse". Wichtig ist daher insbesondere Folgendes: Man muss dokumentieren, woher man die personenbezogene Daten überhaupt hat. Und wenn man eine Einwilligung einholt, dann muss man sich an das Ergebnis auch halten. Das heißt: Personen, die Widerspruch einlegen oder eine explizit abgefragte Einwilligung nicht geben, sind dann eben für die weitere Ansprache "verloren" und dürfen nicht mehr kontaktiert werden.
marktforschung.de: Nach einem Jahr DSGVO wurden nach Auskunft der Datenschutzbeauftragten der Bundesländer in mindestens 75 Fällen Bußgelder verhängt, die in der Summe nicht die Grenze von einer halben Million Euro erreichten, das hatte eine Umfrage der WamS ergeben. Beobachter rechnen damit, dass die großen Strafzahlungen erst noch folgen. Ist das eine Schonfrist? Mit was rechnen Sie?
Dr. Frank Knapp: Das ist ja alles eine Frage der Größenordnungen. Wenn man bedenkt, wie viele Akteure wie oft personenbezogene Daten verarbeiten, dann ist das ja nicht viel. Und meines Wissens ist da noch niemand aus der Marktforschung dabei.
marktforschung.de: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. Knapp!
Das Interview führte Tilman Strobel
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