Das-Wahre-Leben - Kolumne von Jens Krüger Macht doch mal was anders

Wir sind als Marktforscher ganz gut darin, anderen Unternehmen zu sagen, was sie machen sollen. Und wir sind darin heute auch besser als noch vor 15 Jahren. Gut so. Aber was ist mit uns selbst – als Branche, als Institut – was machen wir richtig, aber auch falsch?

Kann man ja fragen und mit den Chefs der renommierten zweiten Reihe unserer Branche über ihre Erfolgsgeheimnisse sprechen. Dachte sich Holger Geißler und hat sie interviewt. Die Chefs von GIM, Skopos und Interrogare. Eine finale Antwort hat er nicht bekommen, hat er mir im Vertrauen gesagt. Es hat wohl was mit der Menschlichkeit zu tun, die dort herrscht. Diese wird eher bei den Kleinen als bei den Großen der Branche vermutet.

Hm. Mal ehrlich – Skopos und GIM sind jetzt auch keine Pommesbuden mehr. Und als jemand der selbst über 20 Jahre im Konzern gearbeitet hat, kann ich das mit der Unmenschlichkeit bei den Großen auch pauschal so nicht bestätigen. Die Verbundenheit zu einem Unternehmen hängt doch weit weniger vom Unternehmen selbst ab, als wir uns das oft einreden oder wünschen würden. Das direkte Umfeld mit den Team-Kolleginnen und Kollegen und der Vorgesetzten spielen dabei eine deutlich größere Rolle und kann vieles ausgleichen. Aber was ist es dann?

Unserer Branche geht es aktuell ganz gut und auch die Prognosen sind besser als noch vor ein paar Jahren vorhergesagt. Die Marktforschung ist zurück. Sie hat an vielen Orten auch den Mief und Pief der 80er Jahre abgelegt. Es wird wieder experimentiert und man hört und liest fast täglich von neuen innovativen neuen Produkten und Projekten – von Automation bis KI. Neue Anbieter, wie Quantilope und Civey mischen Allbekanntes auf. Und auch die von Holger Geißler befragten Unternehmen haben ganz sicher ihren Anteil daran, dass sich das Bild der Branche dreht.

Das aktuell größte Problem der Branche: Fehlendes Personal. Die Liste der Jobangebote aller Institute umfasst mittlerweile mehrere hundert Positionen. Wahnsinn. Und auch hier zeigt sich die Pandemie als Beschleuniger des Wandels. Die Bereitschaft zum Jobwechsel ist aktuell so groß wie nie.

Zurück zur Normalität – bloß nicht!

Der Ausnahmezustand der letzten Monate hat viele Menschen, ob als Konsumierende oder Mitarbeitende – junge Talente wie Erfahrende gleichermaßen – dazu veranlasst, ihre Werte zu hinterfragen und ihr Leben neu auszurichten. Im Fokus stehen dabei das eigene Wohlergehen und das der Umwelt. V.a. die Generation Z treibt diese Priorisierung von Gesundheit und Nachhaltigkeit als identitätsstiftende Merkmale und alltagsbestimmende Prinzipien. Die eigenen Arbeits- und Lebensentwürfe werden gegen das neue Ideal einer regenerativen Lebensweise geprüft und es wird festgestellt: Bestehende normative Modelle engen ein. Was Familie und Erfolg sind, muss neu herausgefunden und definiert werden.

Vielleicht sind wir damit am Pudels Kern – #Erfolg als Erfolgsfaktor erfolgreicher Unternehmen. Aber was macht uns als marktforschende Unternehmen heute und zukünftig erfolgreich?

Sicher geht es nicht nur um den wirtschaftlichen Erfolg, sondern weit mehr. Es kann darum gehen, im Team gemeinschaftlich Ziele zu erreichen oder eine gute (Führungs-)Kultur zu etablieren, die auch die persönlichen Erwartungen und Situationen der Mitarbeitenden berücksichtigt. Ein Umfeld, in dem sich Menschen wohlfühlen und weiterentwickeln können. Auch eigene Ziele verfolgen können. In einem Unternehmen zu arbeiten, das zukunftsfähig ist. Das mutig genug ist, sich zu verändern.

Grenzerfahrungen

Bei Bonsai haben wir uns das vorgenommen – und es ist ganz sicher nicht einfach. Im Grunde müssen sich dafür Alle bewegen – permanent, und zwar nicht in Richtung Comfort Zone. Das ist anstrengend, sich miteinander auseinander zu setzen. Immer wieder und wieder. Und um Neues zu ringen. Neue Methoden, neue Modelle der Zusammenarbeit, Diversität im Denken und Handeln. Und die Bereitschaft, an die Grenzen zu gehen. Und vielleicht diese Grenzen auch mal zu überschreiten. Mich würde interessieren – wo haben GIM, Skopos und Interrogare oder andere Unternehmen in der Branche ihre Grenzen neu ausgelotet und auch mal überschritten?

Wir haben es aktuell wieder einmal getan. Vielleicht hat es die/der ein oder andere mitbekommen: Wir sind dabei, eine Unit aufzubauen, die unsere Testmarktforschung mit datengestütztem Vertrieb kombiniert. Wir sind jetzt auch Handelsvertreter mit dem Schwerpunkt Foodservice. Bezahlt bzw. provisioniert werden wir nach den über uns verkauften Produkten. Warum wir das machen?

Wir wollten das jetzt einfach mal richtig angehen – weil wir so vielen tollen Produkten und StartUps über den Weg laufen, die die Welt vielleicht ein bisschen besser, nachhaltiger, schöner, lebenswerter machen können. Diese scheitern oft daran, dass sie den Weg in den (Groß-)Handel nicht finden. Wir wollen helfen, mit Daten und Fakten die Handelspartner zu überzeugen.

Ja, wir ignorieren jetzt mal das Trennungsgebot. Und ja, es ist ein Experiment. Aber es ist v. a. auch ein bisschen Selbstverwirklichung eines alten Traums: Auch als Marktforscher einmal nicht nur die Zahlen an der Tür abzugeben, sondern mitzuarbeiten, mitzugestalten, direkt und unmittelbar. Vielleicht werden wir damit auch spannender und interessanter für neue Kollegen. Mal schauen, was daraus wird.

Über den Autor

Jens Krüger ist seit 2019 CEO von Bonsai Research. Der Consumer-Experte war zuvor über zehn Jahre Geschäftsführer bei Kantar/TNS Infratest. Der studierte Soziologe und Sozialpsychologe engagiert sich in mehreren Beiräten (u. a. im Zukunftsforum und dem VKE-Kosmetikverband), ist Speaker und Autor zahlreicher Publikationen zu den Themen gesellschaftlicher Wandel, Consumer-Trends, Ernährung und Handel der Zukunft.

 

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  1. Stephan Teuber am 07.02.2022
    Lieber Jens Krüger, für Ihre These, Interrogare, Skopos und auch GIM hätten keine „finale Antwort“ für ihren Erfolg, spricht, dass es hierzu wohl gar keine finale Antwort geben kann. Dagegen spricht allerdings, dass die Institute sehr präzise wesentliche Erfolgsfaktoren benennen und durch ihren offensichtlichen Erfolg empirisch belegen. Dass es dabei um mehr als „nur“ um den wirtschaftlichen Erfolg geht, ist in der Diskussion ebenso thematisiert worden wie die Erfolgsfaktoren Team und Führungskultur. Wo also liegt die Differenz, die Sie zwischen Ihrem Institut und den dreien „der zweiten Reihe“ reklamieren? Glauben Sie etwa, dass Interrogare, Skopos oder GIM sich nicht bewegen, sie nicht um Neues ringen und nicht bereit sind, an die Grenzen zu gehen? Träfe dies auf diese Institute zu, stünden sie sicher nicht dort, wo sie heute stehen. Denn nachhaltiges Wachstum entsteht natürlich nur dort, wo Grenzen überschritten werden und Neuland betreten wird. Dazu müssen Forschungs- und Beratungsinstitute jedoch nicht zum Handelsvertreter mutieren und - um der Differenz willen - die neutrale Position verlassen, auf die ihre Kunden zu Recht vertrauen. Zentrale (vielleicht sogar finale?) Erfolgsfaktoren bleiben eben, keine Luftschlösser zu verkaufen und die Kunden transparent und kompetent zu begleiten mit einer Haltung, die beiden Seiten helle Freude bereitet, wie ein Institutsvertreter sagte.
  2. Jens Krueger am 07.02.2022
    Lieber Stephan Teuber, ich bin total bei Ihnen und eher der Verbündete im Geiste ;-) Die „fehlende finale Antwort“ kam ja auch von Holger Geißler, der mit von ihrem gemeinsamen Gespräch berichtet hatte und die Frage bei mir aufgeworfen hat, was ich glauben würd. Seine These war - es muss wohl das Menschliche sein. Und genau da habe ich widersprochen - ich glaube, dass es mehr ist, was auch Sie geleistet haben. ich habe großen Respekt, was Sie in dem letzten Jahren für die Branche geleistet haben - und eben auch mutig Dinge nach vorne gebracht haben. Und eben nicht nur die Großen. Und genau das ist meine These - es geht darum etwas anders zu machen. So wie Sie und die anderen. Und ich selber berichtet nur von der Erfahrung, die wir in den letzten 2 Jahren bzw jetzt aktuell gemacht haben, dass genau dieser Mut auch belohnt wird. Und vielleicht gehört das dazu, was uns als Branche zukunftsfähig macht, oder? Und genau darüber sollten wir mal an der ein oder anderen Stelle sprechen und auch mal teilen, was wir an der ein oder anderen Stelle einfach mal was ausprobiert haben …. Darum ging es mir. Lg, Jens Krüger

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