Martins Menetekel Licht und Schatten

Die Interpretation der Entwicklung der Fallzahlen aller als infiziert gemeldeten Einwohner erweist sich als immer schwieriger. Noch ist kein einheitlicher Trend auszumachen. Martin Lindner mit einer aktuellen Einschätzung.

Martins Menetekel

Entwicklung der täglichen Zuwächse, geglättet:

Das sind rund sechs Wochen mit erfreulicher Tendenz nach unten.

Die berühmte Annäherung an den Reproduktionsfaktor der Omikron-Variante:

Grün ist schon seit gut drei Wochen unter 0,9. Ziel ist 0,86, damit sich die Zuwächse pro Tag innerhalb eines Monats etwa auf 1/4 reduzieren. Aber wir waren in der ersten Hälfte des April schon besser.

Mut macht die Anzahl der Infizierten:

Diese Kurve ist meiner Ansicht nach ein Kandidat für eine Referenzkurve mit limitierten Wachstum, und zwar für deren Ableitung. Sie hat ein Maximum Anfang April und fällt in sanftem Schwung ab mit asymptotischer Annäherung an die Zeitachse. Das hoffe ich, beim nächsten Mal hinzukriegen.

Kommen wir noch einmal auf die Todesrate. Ich hatte gezeigt, dass es darauf ankommt, welcher Zeitraum für die Annäherung gewählt wird. Damals ging die Näherungsgerade noch nach oben.

Heute habe ich den Optimierungszeitraum später gewählt und schon neigt sich die Gerade nach unten.

Rot ist diese Gerade. Aber wir sehen auch deutlich, dass die Entwicklung der realen Zeitreihe nie und nimmer durch diese Gerade prognostiziert werden darf, denn dann hätten wir Ende Juni eine negative Todesrate, und bekanntlich stehen nur sehr selten Tote wieder auf.

Deshalb habe ich für den gleichen Zeitraum eine abfallende Exponentialfunktion (à la Zerfallsreihe eines radioaktiven Isotops) gewählt, und siehe da, sie, violett, ist im Beobachtungszeitraum so gut wie die Gerade, aber geht dann asymptotisch mit Abstand zur Zeitachse weiter. Violett kommt also der möglichen Entwicklung viel näher, Rot müsste immer wieder neu berechnet werden.

Fazit: Exponentialfunktionen und gegebenenfalls Funktionen mit ihnen sind das Mittel der Wahl.

Was machen unsere kumulierten Fallzahlen aller als infiziert Gemeldeter?

Es ist ein Trauerspiel, sie verlassen unsere Referenzkurve wieder nach oben und haben die obere Schranke gerissen. Eine obere Schranke, die jetzt schon kleiner als die realen Zahlen ist, hat keinen Wert:

Es gibt dabei zwei Aspekte:

1. Irgendwann schlägt das limitierende Element zu, wenn die Nährlösung rapide kleiner wird. Das sollte bald der Fall sein, da schon weit über die Hälfte der Bevölkerung mehr oder weniger immun sein dürfte.

2. Durch die jetzigen Lockerungen und wegen der immer noch riesigen Virenlast entstehen neue Varianten, und R(t) wächst wieder und wird größer als 1.

Selbst wenn die für das Virus zugängliche Bevölkerung von 60 Millionen auf 20 Millionen geschrumpft ist, wäre sein Reproduktionsfaktor erst auf ein Drittel verkleinert, zum Beispiel von 3,6 auf 1,2 . Immer noch zu groß für ein Verschwinden der Pandemie, im Gegenteil, sie würde wieder wachsen. In zwei bis vier Wochen sind wir schlauer. Aber die Warnung vor einem Aufflackern im Herbst wie in 2020 und 2021 erscheint berechtigt.

Zum Schluss möchte ich zeigen, dass auch in unseren Nachbarländern Licht und Schatten wild verteilt sind. Ich verfolge die 28-Tages-Inzidenzen von 13 Ländern. Dabei wechseln sich die führenden Länder im negativen Sinn munter ab:

Einige Länder stehen heute im Vergleich zur Voromikronzeit viel besser dar, vor allen Belgien, Dänemark, die Niederlande und die Türkei, aber überall dort, wo Gelb höher ist als Blau, sieht es schlecht aus. Geradezu dramatisch verschlechtert hat sich das Vereinigte Königreich. Portugal, Deutschland, Italien und Frankreich sind nicht viel besser.

Bleibt gesund und mir gewogen!

Über Martin Lindner

 

 

Martin Lindner
Martin Lindner ist promovierter und habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand und beschäftigt sich intensiv mit nachhaltiger Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Lebensformen. Zusätzlich hat er eine Ausbildung und auch Berufserfahrung in Wirtschaftsmediation.

 

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