Applied Science Let me entertain you? Authentische Markenkommunikation über Social Media

Kunden und Kundinnen werden auf Social Media mit möglichst personalisierten Werbebotschaften erreicht, äußern ihre Erfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen und informieren sich als Fans über Neuigkeiten ihrer präferierten Marken. Doch welche Rolle kommt in dieser Kommunikation eigentlich den Markenunternehmen selbst zu? Sollten sie sich lediglich als Quelle fachlicher Information verstehen oder im Kampf um Aufmerksamkeit auch zum emotionalen Entertainer werden? Die E-Commerce-Professoren Fretschner und Lüdtke fassen die Erkenntnisse einer aktuellen Studie für Sie zusammen.

Emotional und schrill oder nüchtern und faktenbasiert - Was ist der richtige Weg für Markenkommunikation in Social Media? Im Bild: Besucherinnen des Selfie-Museums "Wondr" in Amsterdam. (Bild: picture alliance / ROBIN UTRECHT | ROBIN UTRECHT)

Wir haben uns bereits in einer vergangenen Kolumne mit der Entwicklung auseinandergesetzt, dass Markenunternehmen zunehmend proaktiv über Social Media kommunizieren und dass hierbei besonders die Unterhaltung ihrer Zielgruppen im Mittelpunkt der Aktivität steht. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist die immer härtere Konkurrenz im Kampf um unsere Aufmerksamkeit. Dabei ist oft Authentizität das zentrale Credo der Kommunikation, welches besonders aus der Marketingpraxis ins Feld geführt wird. Authentizität bedeutet hierbei eine Wahl von Bildern, Sprache, Claims und Geschichten, die sich mit der Erwartung von Zielgruppen an die Charakteristika und die Kommunikation der Marke decken.

Auch die akademische Marketingforschung hat in der jüngeren Vergangenheit in unterschiedlichen Studien gezeigt, dass sich solche Markenauthentizität positiv auf die Markenwahl, die emotionale Bindung zu einer Marke oder Word-of-Mouth Effekte auswirkt.  

Jede Marke ist auf Social Media präsent  

 Eine unbeantwortete Frage in diesem Kontext ist jedoch, ob mit dem Ziel authentischer Kommunikation auch Bedingungen an die Art der Kommunikation einhergehen. Immerhin haben in der jüngeren Vergangenheit auch Social-Media-Kampagnen sehr bekannter Unternehmen gezeigt, dass unterhaltsame Kommunikation nicht immer ein positives Ergebnis für die Marke generiert. Wir möchten zum Beispiel an das Finger-Debakel von VW erinnern. Konkret stellt sich die Frage, ob Marken auch dann unterhaltsam kommunizieren sollten, wenn sie in der Wahrnehmung ihrer Zielgruppen gar keine solche Erwartung wecken, sondern eher als kompetent und wenig emotional wahrgenommen werden. Die Antwort auf diese Frage liefert eine kleine, aber sehr feine, experimentelle Untersuchung von einem Team um die Forscherin Annik Eigenraam, die 2021 im renommierten Journal of Interactive Marketing erschienen ist.  

Das Setting der empirischen Untersuchung 

Die Studie ist in insgesamt fünf Teilexperimente gegliedert und prüft zwei Annahmen:  

  1. Unterhaltsame Kampagnen werden authentischer wahrgenommen, wenn sie von warmen, emotionalen Marken ausgehen, als wenn sie von kompetenten, weniger emotionalen Marken ausgehen.  
  2.  Eine höhere wahrgenommene Authentizität bestärkt die Wertschätzung der Kampagne und die Wertschätzung der Marke durch die Zielgruppen. 

Das Markenadjektiv warm steht im Sinn der Untersuchung insbesondere für weitere Eigenschaften wie freundlich, nett, vertrauenserweckend oder hilfreich. Kompetent bezieht sich im Rahmen der Studie auf die wahrgenommenen Fähigkeiten der Marke und steht für Eigenschaften wie fähig, effizient, selbstsicher oder intelligent.   

Das dritte und vierte Experiment prüfen dann, welche Auswirkungen unterhaltsame oder informative Kampagnen auf die wahrgenommene Markenauthenzität haben, je nachdem, ob eine Marke warm oder kompetent wahrgenommen wird. Im Rahmen des letzten Experiments wird dann die Frage beantwortet, in welchem Zusammenhang eine Kampagnenwirkung auf wahrgenommene Authentizität der Kommunikation mit der daraus folgenden Kampagnen- und Markenwahrnehmung steht. 

Die Ergebnisse der Teilstudien

Für die ersten beiden Experimente wurden über den Amazon Mechanical Turk 90 Subjekte und ein weiteres Online-Panel 110 Subjekte rekrutiert. Den Turk-Workern wurde eine fiktive Marke präsentiert, die entweder mit kompetenten oder warmen Eigenschaften beschrieben wurde. Im Anschluss wurden diese Subjekte befragt, inwiefern sie für die entsprechende Marke informative oder unterhaltsame Kampagnen erwarten. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 dargestellt und zeigen, dass besonders für kompetente Marken weniger erwartet wird, dass diese unterhaltsam kommunizieren. Im zweiten Experiment bestätigen die Forscher diese Ergebnisse auch für echte Marken. In diesem Experiment hatten die Panelisten die Aufgabe, entweder eine warme oder eine kompetente Marke zu nennen und dann zu beschreiben, welche Art von Kampagneninhalten sie von dieser Marke erwarten würden. Die Ergebnisse bestätigen die des vorherigen Experiments.  

Abbildung 1: Erwartung bestimmter Kampagnentypen in Abhängigkeit der Markeneinschätzung (in Anlehnung an Eigenraam et. al. (2021)) 

Im dritten und vierten Experiment stand die Wirkung von Markeneinschätzung und Kampgnentyp auf die Authenzität im Mittelpunkt. Zunächst wurden 209 Studierenden in einem Laborexperiment eine Marke für Kochboxen entweder mit warmen oder kompetenten Eigenschaften präsentiert. Im Anschluss wurde den Studierenden eine Social-Media Kampagne der Marke präsentiert, in der entweder ein informatives Tutorial gezeigt wurde, wie man Hamburger Schritt für Schritt zubereitet oder in der unterhaltsam ein winziger Hamburger in einer Kinderküche hergestellt wird. Die Ergebnisse des Experiments sind in Abbildung 2 dargestellt.

Wir sehen, dass unterhaltsame Kampagnen besonders bei warmen Marken als sehr authentisch wahrgenommen werden.

Dies bestätigt die erste Annahme des Forschungsteams. Diese Ergebnisse wurden in einem weiteren Laborexperiment validiert, in denen die Studierenden auf Basis einer fiktiven Schuhmarke ein informatives oder ein unterhaltsames Angebot der Marke präsentiert wurde. Dabei wurde die Marke entweder als warm oder als kompetent eingeführt. So konnten die Ergebnisse auch für ein Szenario bestätigt werden, in dem die beschriebene Kampagne über ein Social-Media Video hinausgeht. 

Abbildung 2: Wahrgenommene Authentizität in Abhängigkeit des Kampagnentyps und der Markeneinschätzung (in Anlehnung an Eigenraam et. al. (2021)) 

Das letzte Experiment sollte helfen zu bewerten, welche Wirkung Authentizität der Kampagnenkommunikation auf die Kundenbewertung von Marke und Kampagne hat. Hierfür wurden 562 Teilnehmende über ein Onlinepanel rekrutiert. Die Probanden wurden aufgefordert, ihre Facebook-Timeline so lange zu durchscrollen, bis sie einen Post einer ihnen bekannten Marke finden. Für diesen Post wurden jeweils auf Basis der Einschätzung der Panelisten die Markenwahrnehmung, der Kampagnentyp und die wahrgenommene Authentizität gemessen. Anschließend gaben die Probanden als Maß für die Kundenbewertung an, wie wahrscheinlich sie den Post liken, die Markenseite besuchen oder der Marke folgen würden. Abschließend wurden Sie gebeten, einen Screenshot des Posts hochzuladen. In Abbildung 3 sind die Wirkzusammenhänge des letzten Experiments im Rahmen eines Strukturgleichungsmodells dargestellt. Was bedeuten nun diese Pfadwerte?  

  1.  Je wärmer eine Marke eingeschätzt wird, desto eher wird sie als authentisch wahrgenommen. 
  2. Je wärmer die Einschätzung der Marke und je unterhaltsamer der Kampagnencharakter, desto stärker die wahrgenommene Authentizität.  
  3. Für sich führt eine unterhaltsame Kampagne zu einer geringeren Authentizitätswahrnehmung 
  4. Je höher die Authentizität der Kampagne, desto besser die Bewertung von Kampagne und Marke durch die Kunden.

Einerseits bestätigt das abschließende Experiment also die Ergebnisse der beiden vorangegangenen Experimente. Darüber hinaus zeigt das Experiment zusätzlich, dass eine Maximierung der wahrgenommenen Authentizität einer Kampagne eine gesteigerte Wertschätzung für Marken und ihre Kommunikation bei den Zielgruppen bewirken kann.   

Abbildung 3: Wirkung von Markeneinschätzung und Kampagnentyp auf Authentizität und Kundenbewertung (in Anlehnung an Eigenraam et. al. (2021))

Wrap-up & Take-Aways 

Was nehmen wir mit aus dieser kurzen, aber spannenden Untersuchung? Wir haben gelernt, dass authentische Markenkommunikation wichtig ist, damit Kampagnen für Marken erfolgreich sein können. Dies gilt besonders dann, wenn unterhaltsame Inhalte kommuniziert werden sollen, denn dann hängt der Erfolg stark davon ab, wie die sendende Marke von ihren Zielgruppen wahrgenommen wird. Nur wenn Marken als warm, freundlich, nett oder hilfreich empfunden werden, liefern unterhaltsame Kampagneninhalte einen positiven Beitrag zur Markenwahrnehmung liefern. Kompetente Marken, die besonders als effizient, zielstrebig und fähig eingeschätzt werden, sollten hingegen eher informative Kampagneninhalte nutzen, um eine authentische Kommunikation zu gewährleisten. Schließlich zeigen die Experimente, dass unterhaltsame Kampagnen ein sehr viel besseres Verständnis des bestehenden Markenbildes bei der Zielgruppe erfordern, informative Kampagnen hingegen als risikoarme Option unabhängiger des Markenbilds für warme und für kompetente Marken geeignet sind. 

Über Prof. Dr. Michael Fretschner & Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke

Prof. Dr. Michael Fretschner, smart impact (Bild: smart impact)
Prof. Dr. Michael Fretschner ist Co-Gründer der smart impact GmbH und Professor für Marketing & E-Commerce an der NORDAKADEMIE Hochschule der Wirtschaft.

Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke, smart impact GmbH
Prof. Dr. Jan-Paul Lüdtke ist Co-Gründer der smart impact GmbH sowie Professor und Studiengangsleiter für E-Commerce an der Fachhochschule Wedel.

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