Frauen in der Marktforschung: Lucia Rizzo, Seven.One "Lebenslanges Lernen ist für mich ein wichtiges Credo"

Lucia Rizzo arbeitet in ihrem Traumjob, in dem sie die Gestaltungsfreiräume schätzt. Das Consumer Insights Team in einem der größten Medienhäuser zu leiten, ist für sie Herausforderung und Freude zugleich.
Frau Rizzo, Sie haben an der Ludwig-Maximilians-Universität München Soziologie studiert. Dort waren Sie auch Tutorin für Soziologie sozialer Ungleichheit. Gab es für Sie ein bestimmtes Schlüsselerlebnis, sich für dieses Thema einzusetzen?
Lucia Rizzo: Ja, das war die Veröffentlichung der ersten PISA-Ergebnisse Ende 2001. Sie lösten ein enormes Medien-Echo aus, den „Pisa-Schock“. Deutschland lag in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften unter dem OECD-Durchschnitt. Die PISA-Ergebnisse zeigten außerdem, dass die Leistungen stark mit dem sozioökonomischen Hintergrund zusammenhingen. Besonders fiel auf, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund vergleichsweise schlecht abschnitten. Diese Studienergebnisse wurden während meines Studiums intensiv diskutiert. Ich selbst habe einen Migrationshintergrund und dementsprechend war meine Neugier geweckt, mehr über die Umstände und Ursachen zu erfahren.
Ist Ihre berufliche Entwicklung durch wichtige Vorbilder oder Mentorinnen beeinflusst und gefördert worden?
Lucia Rizzo: Als Erstes fallen mir dazu meine Eltern ein, die mit leeren Händen und ohne jegliche Sprachkenntnisse in ein fremdes Land gekommen sind, um für sich und ihre Kinder eine bessere Zukunft aufzubauen. Diese Anpack-Mentalität und Zielstrebigkeit habe ich von ihnen übernommen und dafür bin ich ihnen bis heute sehr dankbar.
Daneben gibt es einige Menschen, die meinen Berufsweg beratend begleiteten und mich etwa darin bestärkten, nach meiner Ausbildung zur Industriekauffrau zu studieren. Über die Jahre hinweg habe ich mir ein Netzwerk aus Fachleuten aufgebaut mit dem ich mich austausche und das meine berufliche und persönliche Entwicklung positiv beeinflusst.
Frau Rizzo im Videointerview
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Sie haben Ihre Karriere 2006 bei Seven.One gestartet und waren dort über sechs Jahre als Research Managerin in unterschiedlichen Bereichen tätig. Nach acht Jahren haben Sie 2018 wieder bei Seven.One angeheuert und sind dort seit über vier Jahren als Vice President Consumer Insights beschäftigt. Warum sind Sie wieder zu Seven.One zurückgekehrt und was bringen Sie an wichtigen Erfahrungen mit?
Lucia Rizzo: Es war und ist mein Traumjob! Ich hatte schon immer eine große Leidenschaft für Medien und TV im Speziellen.
We love to entertain you könnte für mich auch I love to research heißen!
Das Consumer Insights Team in einem der größten Medienhäuser zu leiten, ist Herausforderung und Freude zugleich. Ich bin ein großer Fan unserer TV- und Digital Angebote und die Medienbranche ist sehr dynamisch, was ich als sehr spannend und inspirierend erlebe. Hinzu kommt: Die Medienbranche ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, das reizt die Soziologin in mir. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Während der Pandemie konnten wir erleben, welch großer Bedarf an Information herrscht und dass TV als Tor zur Welt genutzt wird. Nach einer Weile wich dieser Nachrichten-Drang dem Eskapismus-Gedanken – die Welt gerät aus den Fugen, also schaue ich fern, um wenigstens für ein paar Stunden aus der realen Welt zu entfliehen.
Was zeichnet die Forschung bei der Seven.One Entertainment Group aus?
Lucia Rizzo: Die Gestaltungsfreiräume. Wir bedienen die gesamte Klaviatur an Marktforschungsinstrumenten und sind nicht auf quantitative oder qualitative Methoden festgelegt. Wir entscheiden je nach Fragestellung und Zielgruppe, welches Studiendesign sich anbietet. Hier profitiere ich von meinen unterschiedlichen beruflichen Stationen und den damit verbundenen forscherischen Herangehensweisen, etwa bei 1&1.
Gibt es bei Ihrer Tätigkeit für die Seven.One Entertainment Group einen typischen Arbeitsalltag und was begeistert Sie bei Ihrer Arbeit?
Lucia Rizzo: Mich begeistert es, wenn unsere Forschung Impulse für unsere künftige Strategie und zum Verständnis unserer Nutzerinnen und Nutzer beitragen konnte. Sei es, dass wir AHA-Momente geschaffen oder Insights zur Entscheidungsfindung geliefert haben. Ich bin begeistert, wenn ich merke, dass unsere Erkenntnisse einen Impact erzielt haben und die Bedürfnisse unserer Konsumenten und Konsumentinnen Gehör finden.
Ich finde es großartig, wenn wir wegweisende Begleitung in der Beziehungspflege mit bestehenden sowie neuen Zielgruppen bieten und damit oftmals Impulse für einen Perspektivwechsel setzen. Damit beeinflussen wir auch die Zukunft unserer Angebote.
Einen typischen, festen Arbeitsalltag über eine feste Meetingstruktur hinaus gibt es nicht. Wichtiger ist mir stetig mit dem Team im Austausch zu bleiben und als Sparring-Partner gemeinsam an den Projekten zu feilen. Als Coach und Mentorin begleite ich meine Teammitglieder und unterstütze sie bei ihrer persönlichen Entwicklung.
Aus Ihrer Sicht in einer leitenden Position: wie können Männer in der Marktforschungsbranche dazu beitragen, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen, die gleiche Chancen und Gleichbehandlung fördert? Wo sehen Sie auch bei Frauen noch Verbesserungsbedarf?
Lucia Rizzo: Die Frage nach der Gender Equality greift hier meiner Ansicht nach zu kurz. Sollten wir uns nicht eher fragen, wie wir für alle Personen gleiche Bildungs-und Karrierechancen schaffen? Der Diversity-Fokus vieler Unternehmen weist für mich den richtigen Weg. Leistung, Persönlichkeit und Kompetenz sollten in der Arbeitswelt in erster Linie gefordert sowie gefördert werden.
Gleiche Bezahlung und gleiche Chancen sind ein ganz wichtiger Baustein. Und ja, da gibt es zwischen den Geschlechtern nach wie vor einen beträchtlichen Gap.
Die kürzlich veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes zeigten einmal mehr, dass Frauen in Deutschland deutlich weniger verdienen als Männer. Auch in der Marktforschungsbranche ist das so. Nachdem hier insbesondere die Lebensphase der Familiengründung und die danach ungleiche Verteilung der Care-Arbeit prägend ist, sollten noch mehr Männer dazu ermutigt werden, in Elternzeit zu gehen oder Teilzeit zu arbeiten. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte für beide Geschlechter gleichermaßen eine Rolle spielen.
Etwas können wir Frauen aber auch direkt selbst ändern: Mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und letztendlich auch etwas mehr „Tue Gutes und rede darüber“ statt „Lass meine Arbeit für mich sprechen“ Einstellung.
Leider beobachte ich weiterhin, dass Frauen deutlich kritischer ihren Erfolgen gegenüberstehen. Die Kraft von weiblichen Rollenvorbildern ist immens – sie inspirieren, motivieren und eröffnen neue Möglichkeiten für die eigene Entwicklung. Leider gibt es noch zu wenige davon. Dann würden sich Frauen hoffentlich auch mehr für Führungspositionen interessieren.
Wie gelingt Ihnen eine Work-Life-Balance und wodurch gewinnen Sie neue Inspirationen für Ihre Arbeit?
Lucia Rizzo: Ich bin privat sehr vielfältig interessiert und schaffe mir dadurch meine ganz eigenen Ausgleichsmomente. Also passionierte Hobby-Gärtnerin zaubere ich beim Verkochen des eigenen Gemüses ganz besondere Genussmomente. Diese Freude an gesunder Ernährung will ich teilen und engagiere mich daher ehrenamtlich beim Münchner Ernährungsrat e.V. Gemeinsam setzen wir uns für eine gemeinwohlorientierte Struktur für die regionale, saisonale, ökologische und faire Lebensmittelversorgung für München und die Region ein. Kurzum: für gutes Essen für Alle! Dadurch, dass ich mich auch intensiv mit anderen Themen beschäftige, kommt die Inspiration – auch für die Arbeit – oftmals von ganz alleine.
Was ist der wichtigste Ratschlag, den Sie Neueinsteigerinnen in der Marktforschungsbranche geben können?
Lucia Rizzo: Freue dich über Deinen Einstieg in dieses abwechslungsreiche Berufsfeld. Bleib offen, neugierig, flexibel und wage auch öfters mal den Blick über den Tellerrand. Sei mutig, neue Denkansätze auszuprobieren und damit auch zu anderen Lösungswegen zu finden. Habe Spaß an Deinen Aufgaben. Denn wenn Du Spaß daran hast, dann läuft es einfacher und besser.
Last and least: lebenslanges Lernen ist für mich ein wichtiges Credo. Denn ohne stetiges Lernen kommen wir im Leben nicht voran.
Wie sehen Ihre Zukunftsvisionen für Frauen in der Marktforschungsbranche aus und welche Schritte müssen unternommen werden, um diese Visionen zu erreichen?
Lucia Rizzo: Die Marktforschungsbranche steht im Wandel und es warten viele Herausforderungen auf uns – von Do-it-yourself-Mafo über Automatisierung hin zu KI. Eine konsequente Aneignung und Bewertung neuer Technologien, Tools und Analysemöglichkeiten werden notwendig, agilere Entscheidungsprozesse noch wichtiger. Wer hier stehen bleibt – egal ob Frau oder Mann – wird vom Wettbewerb verdrängt. Neben diesem oftmals technologischen Fokus bleiben Skills wie Leadership-Fähigkeit und Kommunikation absolut essenziell. Wenn dann auch noch das Selbstbewusstsein dazu kommt, für sich und seine Erfolge einzustehen, sieht die Zukunft für Frauen in der Marktforschung hervorragend aus.
Über die Person
Lucia Rizzo ist Vice President Consumer Research bei SevenOne Entertainment Group GmbH und leitet in dieser Funktion das 8-köpfige Consumer Insights Team des Medienunternehmens. Bereits während ihres Studiums der Soziologie in München und Venedig entdeckte Sie Ihre Leidenschaft für die empirische Sozialforschung und beschäftige sich schon früh mit Zielgruppen, Werbung und Medien. Sie ist zudem Dozentin an der ifs Internationale Filmschule Köln Gmbh und engagiert sich ehrenamtlich beim Münchner... mehr
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