Die Frage zum Sonntag! Landtagswahl in NRW: Die Grünen als Zünglein an der Waage?

von Rainer Faus
Nach dem Superwahljahr 2021 stehen auch dieses Jahr wieder einige Landtagswahlen an. Im Saarland und in Schleswig-Holstein wurde bereits gewählt. Die Wahl in Nordrhein-Westfalen steht am Wochenende an und in Niedersachsen wird Anfang Oktober gewählt.

Der Faktor Spitzenkandidat:in
Die Wahl im Saarland Ende März sah mit der SPD einen glasklaren Wahlgewinner. Mit Spitzenkandidatin Anke Rehlinger gelang es der Partei, die absolute Mehrheit im Landtag zu gewinnen. Ganz anders verlief es Anfang Mai in Schleswig-Holstein. Hier stürzte die SPD auf Rang drei hinter CDU und Grünen ab. Stattdessen konnte die CDU mit Daniel Günther einen klaren Sieg erringen. Aus diesen Wahlen Erkenntnisse für die Bundesebene und die kommenden Landtagswahlen abzuleiten ist schwierig. Zunächst zeigen die Ergebnisse vor allem eines wieder einmal: Beliebte Landespolitiker entscheiden Wahlen und können eine Wahl haushoch gewinnen.
Die letzte Landtagswahl gibt – wenn überhaupt – eher der CDU als der SPD Rückenwind für die Wahl in Nordrhein-Westfalen. Dort zeichnete sich bereits über die letzten Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Von den beiden Spitzenkandidaten, Hendrik Wüst (CDU) und Thomas Kutschaty (SPD), gilt – anders als bei vielen Landtagswahlen der letzten Jahre – keiner als klarer Favorit. Aktuell hat, so zeigt der pollytix-Wahltrend für Nordrhein-Westfalen, die CDU knapp die Nase vorne.

Doch noch scheint alles offen. Wüst ist amtierender Ministerpräsident, hat das Amt nach der Wahlniederlage der CDU bei der Bundestagswahl von Amtsvorgänger Armin Laschet übernommen. Ins Amt gewählt wurde er aber nicht und hat damit auch keinen klaren Amtsbonus, auch wenn eine knappe Mehrheit der Bürger:innen in Nordrhein-Westfalen ihn als Ministerpräsidenten bevorzugt. Ein klarer Sieg lässt sich davon aber eher nicht ableiten, wie die SPD 2017 am eigenen Leib erfahren hat. Damals wurde Hannelore Kraft (SPD) in allen Umfragen vor der Landtagswahl gegenüber ihrem Herausforderer Armin Laschet (CDU) von den Wähler:innen als präferierte Ministerpräsident:in gesehen. Die Wahl gewann am Ende Armin Laschet.
Wähler:innen entscheiden sich zunehmend spät
Ein weiterer Punkt spricht für einen offenen Ausgang bis zum Schluss: Aus unserer Forschung wissen wir, dass sich Wähler:innen zunehmend erst kurz vor der Wahl entscheiden, wem sie ihre Stimme geben. Bei der letzten Bundestagswahl entschied sich gar jede:r zehnte Wähler:in tatsächlich erst am Wahltag selbst. In Nordrhein-Westfalen sind das bei einer Wahlbeteiligung von rund 65 Prozent – dort lag sie bei der Landtagswahl 2017 – fast eine Million offene Stimmen. Am Wahltag selbst kann sich also noch viel tun.
Vergangene Wahlen zeigen auch, dass Wahlen, bei denen das Rennen an der Spitze eng ist, häufig am Schluss zulasten der „kleineren“ Parteien gehen. Entscheidend sind dabei Erwartungen und Präferenzen, also wie Bürger:innen den Ausgang der Wahl einschätzen: Je enger und wichtiger die Wahl wahrgenommen wird, desto stärker wird dieser Effekt sein. Dann könnte die CDU bis zum Wahltag noch Stimmen von der FDP abziehen, während die SPD von Wähler:innen profitieren wird, die andernfalls die Grünen wählen würden. Letztere sind bereits raus aus dem Rennen um das Minister:innenamt. Hier ist im Wähler:innenmarkt bis zum Urnengang noch einiges im Fluss.
Anders als im Sport muss man in der Politik allerdings nicht als Erste:r über die Ziellinie gehen, um die Wahl zu gewinnen und am Ende den Ministerpräsidenten zu stellen. Vorab ist lediglich klar, dass es wohl eine neue Regierung geben wird, da es für die aktuelle Koalition aus CDU und FDP nach aktuellen Umfragen nicht reichen wird. Entscheidend wird am Ende auch sein, ob der Abstand zwischen CDU und SPD klein genug ausfällt, dass es keinen klaren Wahlsieger gibt. Wenn es am Wahlabend für Rot-Grün wie auch Schwarz-Grün reicht (das wird der Fall sein, wenn der Abstand von SPD und CDU kleiner als der von Grünen und AfD plus FDP ist), werden die Grünen als entscheidender Spieler das Zünglein an der Waage sein und entscheiden, wer das Land die nächsten Jahre führt.
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