Kundenzufriedenheitsstudien

Der folgende Artikel liefert einen Überblick über praxisrelevante Marktforschungsmöglichkeiten im Bereich der Kundenzufriedenheitsmessung.
Zu Beginn werde ich Kundenzufriedenheitsmessung kritisch hinterfragen. Die Ermittlung der klassischen Kundenzufriedenheit, wie sie heute vielfach gemessen wird, ist nämlich nicht frei von einigen grundsätzlichen Kritikpunkten. Bitte bedenken Sie, dass es sich in Folge im Wesentlichen um meine persönliche Meinung handelt. Dann werde ich verschiedene Methoden der Kundenzufriedenheitsmessung vorstellen. Im Vordergrund steht dabei nicht eine theoretische Auflistung von Methoden. Ich will Ihnen zeigen, wie man teilweise schon in Eigenregie Marktforschung zum Thema Kundenzufriedenheit durchführen kann.
Kritik an Kundenzufriedenheitsstudien
Nahezu jedes Unternehmen hat bereits Kundenzufriedenheitsstudien durchführen lassen. Ich möchte, dass Sie sich zu Beginn einige Fragen über diese Studien beantworten. Wenn Sie die folgenden Fragen nicht positiv beantworten können, dann haben Sie wahrscheinlich Geld zum Fenster hinausgeworfen, ohne sich dessen genau bewusst gewesen zu sein. Bei zukünftigen Entscheidungen über die Beauftragung von Studien zur Kundenzufriedenheit sollten Sie die folgenden Fragen im Hinterkopf behalt
1. Haben bei der Befragung die richtigen Kunden geantwortet?
Ich bekomme einen Anruf von einem Marktforschungsinstitut um 15:00 Uhr am Nachmittag. Ich weiß die Umfrage wird mindestens 10 Minuten dauern, eher 15 Minuten. Ich gehöre zur arbeitenden Bevölkerung und meine kostbare Zeit ist mir zu wertvoll als sie mit Umfragen zu vergeuden. Ich nehme nicht teil. Wer nimmt dann an solchen Umfragen teil? Gelangweilte Hausfrauen? Senioren, die froh sind, eine freundliche junge Stimme am Telefon zu hören? Das ist nur eines der Probleme mit der Kundenerreichung. Problematischer ist, dass Repräsentativität in vielen Fällen zwar in Bezug auf die Bevölkerung gegeben ist, aber diese Repräsentativität für mein Unternehmen irreführend sein kann. 20% der Kunden der Bank erwirtschaften 90% des Umsatzes. Nennen wir sie "vermögende Privatkunden" und "etablierte Firmenkunden". Sollte dann nicht zumindest ein großer Anteil der Befragten aus dieser 20%-Gruppe kommen? Immerhin möchte ich doch gerade diese Kunden zufrieden stellen. Wie häufig wird das der Fall sein bei Kundenzufriedenheitsstudien?
2. Haben Sie Lösungen für die Probleme Ihrer Kunden gefunden?
Ich habe mir eine Datenkarte für mobilen Internetzugang zugelegt. Nicht gerade billig, aber man will ja mobil sein. Leider ist der Empfang in meiner Wohnung miserabel, ein 56kb-Modem wäre wahrscheinlich schneller. Zudem stürzt die Zugangssoftware nach 20 Minuten ab. Nach 4 Wochen und 5 mühsamen Telefonaten sollte ich eine Ersatzkarte bekommen, die ich mir aus einem Mobilshop abholen musste. Es lag wohl an der Karte, sagt die Hotlinedame. Im Mobilshop sind keine Karten mehr vorrätig. Was bekomme ich stattdessen drei Tage später? Eine Online-Kundenbefragung. "Bewerten Sie bitte folgende Eigenschaften Ihrer Datenkarte auf einer Skala von 1 bis 5!" Ich nutze die Chance und gebe vernichtende Noten. Was ist passiert? Nichts. Anschließend nie wieder etwas von dem Unternehmen gehört. Probleme bleiben ohne Lösung. Das hat natürlich mehrere Gründe. Ein wichtiger Grund ist das Prinzip der Anonymität von Umfragen, die von externen Marktforschungsunternehmen durchgeführt werden. Daran ist auch nicht zu rütteln. Das andere Problem ist häufig die Einstellung der eigenen Mitarbeiter solchen Befragungen gegenüber: "Warum sollte es die Mitarbeiter eines Unternehmens interessieren, ob eine kleine anonyme Kundengruppe, die zufällig an der Umfrage teilgenommen hat, zufriedener oder unzufriedener ist als eine andere Gruppe, die vor einem halben Jahr befragt wurde. Außerdem sind die wirklich wichtigen Kunden doch eh im ständigen Kontakt mit den Mitarbeitern. Und diese wichtigen Kunden haben sicher nicht an der Umfrage teilgenommen, weil sie zu beschäftigt sind." (siehe Punkte 1)
3. Gab es in den vergangenen Jahren einen Zusammenhang zwischen den Zufriedenheitswerten und Ihrem wirtschaftlichen Erfolg?
Für den Fall, dass Sie laufend Zufriedenheitsstudien in Auftrag geben, deren Ergebnisse sich über die Zeit sehr gut vergleichen lassen: Stellen Sie die Ergebnisse in Relation zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg, z.B. Deckungsbeitrag oder Umsatz pro Kunden. Falls es keinen Zusammenhang gibt, kann dieses an mehreren Gründen liegen. a) Es kann sein, dass es keinen Zusammenhang gibt. Bain and Company in den USA konnte z.B. in mehreren Studien keinen unmittelbaren Zusammenhang feststellen. b) Es kam zu Fehlern bei der Erhebung. Probleme bei der Stichprobe, der Interviewdurchführung, Fragebogen, etc.. c) Die Ergebnisse haben nicht zu konkreten Maßnahmen geführt. Änderungen der Zufriedenheit waren dann wohl eher zufällig.
4. Haben Sie bei der Befragung direktes Kundenfeedback bekommen oder eine überanalysierte wissenschaftliche Abhandlung?
Customer Satisfaction Index, Customer Satisfaction Tool, Customer Loyalty Index, etc., etc.. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, möglichst eindrucksvoll zu erscheinen und die Wichtigkeit von Kundenzufriedenheitsstudien zu unterstreichen, bauen Marktforschungsinstitute Zufriedenheitsstudien immer weiter aus. Es werden immer mehr Fragen mit immer längeren Itembatterien gestellt, die schließlich mittels verschiedenster multivariater Verfahren (Strukturgleichungsmodelle, Faktorenanalysen, MDS, etc.) wieder verdichtet werden. Statt direktes Feedback vom Kunden einzufordern werden die Analysen immer komplexer, bis schließlich die Ergebnisse wissenschaftlich so komplex sind, dass sie keinem Marketingmanager oder Geschäftsführer mehr nützen.
5. Waren ihre verschiedenen Kundenzufriedenheitsstudien miteinander vergleichbar?
Ein Unternehmen führt weltweit Umfragen zur Kundenzufriedenheit durch. Insgesamt sind drei verschiedene Institute beauftragt. Drei verschiedene Fragebögen mit insgesamt 5 verschiedenen Skalen (Schulnoten 5er Skala in Österreich, Schulnoten 6er Skala in Deutschland, Indexskalen mit Werten zwischen 1 bis 100, 10er Skala, usw.). Wie soll festgestellt werden in welchem Land in Bezug auf die Kundenloyalität die beste Arbeit geleistet wird? Im darauf folgenden Jahr wird wegen schlechter Erfahrungen im Vorjahr das Institut gewechselt. Neue Fragen mit neuen Skalen
6. Wurde bei der Studie die gesamte Kundenbeziehung abgedeckt oder nur ein Ausschnitt davon?
Meist wird bei Zufriedenheitsumfragen nach konkreten Transaktionen und Eigenschaften gefragt. Wie wichtig sind Ihnen die folgenden Eigenschaften des Produktes? Wie zufrieden waren Sie mit der Freundlichkeit des Personals? Etc.. Eine begeisterte Kundenbeziehung macht mehr aus als die begrenzten Itemmöglichkeiten in einer Zufriedenheitsstudie. Es geht um die Wahrnehmung der Werbung, die Identifikation mit der Marke, dem eigentlichen Kauf, der Preisgestaltung, der Sympathie dem Unternehmen gegenüber. Es hat viel mit Gefühlen zu tun, nicht nur mit konkreten Produkt- / Service- oder Mitarbeitereigenschaften. Zum Beispiel dem Gefühl als Kunde ernst genommen zu werden.
7. Sind Sie bereit Konsequenzen aus den Ergebnissen zu ziehen?
Man wird manchmal als Marktforscher das Gefühl nicht los, dass Unternehmen die Ermittlung der Kundenzufriedenheit als Pflichtaufgabe wahrnehmen. Es steht ein jährliches Budget zur Verfügung, man macht es seit Jahren, die Konkurrenz macht es auch und irgendwie interessiert man sich ja dann doch für die Meinung der Kunden. Aber steht dahinter wirklich die bei jedem Mitarbeiter verinnerlichte Gewissheit, dass man begeisterte Kunden braucht, um langfristig stärker als die Konkurrenz zu wachsen (außer man ist Monopolist)? Wenn dem so wäre, müsste man nicht immer wieder frustrierte Einkaufserlebnisse haben, Stichwort Servicewüste Deutschland. Negative Befragungsergebnisse müssen sofort in konkrete Maßnahmen münden und dann auch konsequent und schnell umgesetzt werden. Hierbei sind im Übrigen die Geschäftsleitung und die Führungskräfte voll verantwortlich. Wieso sollten den Mitarbeitern die Kunden wichtig sein, wenn sie es von der Geschäftsführung nicht vorgelebt bekommt?
8. Lassen sich aus den Studien überhaupt konkrete Handlungsempfehlungen ableiten?
Das Problem vieler Kundenzufriedenheitsstudien ist, dass trotz der großen Anzahl von Produkt- oder Serviceeigenschaften, die abgefragt werden, konkrete Empfehlungen recht „schwammig“ ausfallen. Das Problem ist systemimmanent. Angenommen sie haben die Servicequalität an Hand von 5 Attributen abgefragt. Die Ergebnisse liegen im Bereich von 2,3 bis 3,2 auf einer 6er-Skala. Eine einmalige Kundenzufriedenheitsstudie weist per se einen großen Unschärfebereich auf. Ab welchem Wert sind die Kunden jetzt eigentlich zufrieden? Ist die Differenz zwischen 2,3 und 3,2 schon groß genug, um von „zufriedenen“ und „eher nicht zufriedenen“ Kunden zu sprechen? Kundezufriedenheitsstudien sollten nach Möglichkeit laufend durchgeführt werden. So lassen sich zumindest validere Rückschlüsse auf Zufriedenheitswerte über die Zeit ziehen. Wichtig ist noch zu berücksichtigen, dass solche Studien eine begrenzte Halbwertzeit haben. Vom eigentlichen Projektstart bis zur Ergebnispräsentation beim Auftraggeber können rasch 2 Monate vergehen, wenn telefonisch oder persönlich interviewt wird. Wenn die Ergebnisse dann noch einen weiteren Monat in der Schublade auf Umsetzung warten, wird die interne Akzeptanz der Mitarbeiter immer geringer: „Die Ergebnisse sind doch eh alt. Mittlerweile schaut es in meinem Vertriebsgebiet schon ganz anders aus. Und außerdem glaube ich eh nicht an solche Marktforschung. Ich kenne meine Kunden. Die wichtigen nehmen doch sowieso nicht an solchen Umfragen teil. (siehe Punkt 1).“
Um die wesentlichen Kritikpunkte zu beseitigen bedarf es Zufriedenheitsmessungen, die eine stärkere Verbindung zu tatsächlichem Kundenverhalten schaffen. Es geht darum, begeisterte Kunden und enttäuschte Kunden zu identifizieren. Die begeisterten Kunden wirken als Multiplikatoren für Ihr Unternehmen (Positive Mund-zu-Mund-Propaganda), die enttäuschten Kunden stellen eine echte Gefahr für Ihren Unternehmenserfolg dar. Fred Reichheld z.B. schlägt in seinem Buch „Die ultimative Frage“ z.B. vor lediglich eine zentrale Frage zu stellen: „Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie unser Unternehmen einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?" Es wird der so genannte „Net Promoter Score“ berechnet. Die Unternehmenskritiker werden dann offen gefragt, warum Sie das Unternehmen nicht weiterempfehlen würden. Ich lege Ihnen ans Herz, das Buch durchzuarbeiten. Auch wenn nicht alles 1 zu 1 auf Europa übertragbar ist enthält es doch viele erhellende Einsichten.
In Folge stelle ich Ihnen noch einige Möglichkeiten vor, wie Sie auf relativ einfache Art und Weise die Zufriedenheit Ihrer Kunden ermitteln können:
1. Befragen Sie Ihre Verkäufer bzw. Ihre Händler
Ihre Händler und Verkäufer, also Mitarbeiter im Vertrieb, stehen im täglichen Kontakt zum Kunden. Machen Sie sich diese Nähe zu Nutze, indem Sie ein System zum regelmäßigen Reporting installieren. Sie können zum Beispiel periodisch Sitzungen mit Ihren Verkäufern veranstalten, wobei eine neutrale Person Moderationstätigkeiten übernimmt.
2. Zeichnen Sie die Beschwerden auf
Veranlassen Sie, dass eine Person zum Zuständigen für die Aufbereitung von Beschwerden erklärt wird. Diese Person sollte die Beschwerden sinnvoll zusammenfassen und die wichtigsten Ergebnisse regelmäßig an das Management weiterleiten.
3. Starten Sie selbst eine kleine schriftliche Umfrage (z.B. verbunden mit einem Geschenk)
Es gibt immer wieder Aktionen in den meisten Unternehmen, bei denen Werbegeschenke vergeben werden (z.B. auf einer Messe). Verbinden Sie einfach die nächste Werbegeschenkaktion Ihrer Firma mit einem Kurzfragebogen. Die Verbindung mit einem Geschenk ist deshalb sinnvoll, weil sichergestellt wird, dass die Rücklaufquote bei der schriftlichen Befragung hoch ist. Es kann nach der allgemeinen Zufriedenheit mit einem Produkt/Dienstleistung gefragt werden:
1. Frage: Wie zufrieden sind Sie mit unserem Lieferservice?
Kreuzen Sie bitte auf der Skala von „1=sehr zufrieden“ bis „6=sehr unzufrieden“ an.
2. Frage: Haben Sie Vorschläge wie man das Produkt noch weiter verbessern könnte?
Zusätzlich Fragen nach Geschlecht, Alter, Wohnort, etc. helfen die Antworten später nach verschiedenen soziodemographischen Gruppen zu sortieren.
4. Lassen Sie Testkäufe (sog. Mystery Shopping) bei Ihren Händlern durchführen
Die meisten Produkte werden von den Kunden bei Händlern gekauft. Dort kommt es nicht nur auf die Qualität des Produktes an, sondern auch auf die Art der Präsentation, Freundlichkeit und Fachkenntnis des Verkäufers, Zahlungsmöglichkeiten an der Kasse, etc.. Bestimmen Sie einen Mitarbeiter, der periodisch Ihr Produkt bei Ihren Händlern kauft und sich dabei beraten lässt. So lernt Ihr eigenes Unternehmen mit den Augen des Kunden zu sehen. Die Beobachtungen sollten schriftlich für das Management fixiert werden. Es können auch Photos der Produktpräsentationen gemacht werden.
5. Beobachten Sie Kundenportale im Internet wie z.B. www.ciao.de
Im Internet wird über Ihre Produkte und Dienstleistungen diskutiert. Suchen Sie Foren und Plattformen, wo sich Kunden über Ihre Produkte austauschen und analysieren Sie in festen Zeitintervallen die Kommentare von Kunden.
6. Richten Sie ein eigenes Kundenportal auf Ihrer Webseite ein
Web 2.0 macht es möglich. Webseiten werden immer interaktiver und der Konsument wird zum Gestalter von Webinhalten. Machen Sie sich diesen Trend zu Nutze, indem Sie Ihre Webseite einen sehr viel stärkeren Community-Charakter geben. Kunden sollten sich austauschen können und von Ihnen direktes Feedback auf Probleme oder Vorschläge bekommen.
7. Beauftragen Sie ein Marktforschungsinstitut für eine Umfrage
Sie können ein Projekt extern vergeben. Dieses wird bei größeren Umfragen nötig sein, da die eigenen Ressourcen (Interviewer, Marktforschungsexpertise, etc. ) meist zu gering sind. Selbst wenn man ein Call-Center zur Verfügung hat, sollte man nicht den Aufwand der Fragebogenerstellung, Kodierung und Auswertung unterschätzen. Erfahrungen zeigen, dass eine „große“ Umfrage in kompletter Eigenregie meistens an einem schlechten Fragebogen scheitert (häufig zu schwierig und schlecht aufgebaut). Interconnection kann Sie z.B. durch eine Methode unterstützen, die stärker auf die oben genannten Kritikpunkte berücksichtigt und die Erkenntnisse von Fred Reichheld als Basis nimmt.
Zusammenfassung
Ich habe zu Beginn einige ernstzunehmende Kritikpunkte an Kundenzufriedenheitsstudien offen gelegt. Sie orientieren sich an den Ideen von Fred Reichheld, der in seinem Buch „Die ultimative Frage“ eine neue Richtung für Zufriedenheitsstudien vorschlägt. Sie sollten sich zumindest einige Fragen mit „ja“ beantworten können, bevor Sie sich in ein neues Kundenzufriedenheitsprojekt stürzen. Im zweiten Teil habe ich einige einfache Methoden vorgestellt, um rasch einen Einblick in die Zufriedenheit von Kunden zu erlangen.
Zum Autor:

Holger Sicking ist seit 2001 statistischer Leiter bei der IC Consulting GmbH in Wien und als Dozent für Marktforschung und Statistik an der Fachhochschule Wien tätig. Themenschwerpunkte sind Preisanalysen mittels Conjoint Analyse und Studien im B2B-Bereich.
Kontakt: sicking(at)interconnectionconsulting.com
www.interconnectionconsulting.com
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