Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Kulturell wertvolles Gefahrenpotential

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)
Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann
Wenn man mit dem Zug fährt werden einem oft Privatgespräche aufgedrängt. Meistens ärgert man sich darüber, aber manchmal sind sie auch interessant. Zum Beispiel dann, wenn zwei junge Männer über ihre Berufe ins Gespräch kommen und einer von beiden Spieleentwickler ist. Computerspiele - gerade für Handys - sind eine spannende Sache. Sie sind so gut wie jederzeit verfügbar und schaffen es zum Beispiel, Kinder etwa auf Autofahrten in Sekunden von gelangweilten Nervensägen in hochkonzentrierte Geschöpfe zu verwandeln, die in wie in einem Trancezustand Raum und Zeit vergessen. Die Nebenwirkung der Medizin ist nur, dass sie gar nicht mehr aufhören können und manchmal aggressiv werden, wenn man ihnen das Handy wegnimmt. Dann sind sie augenblicklich in noch unausgeglichenere Nervensägen zurückverwandelt, die erst wenn sie das Handy zurückbekommen, wieder friedlich sind.
Computerspiele und Kinderverhalten
Wenn sie spielen werden sie erfinderisch und das nicht nur beim Spiel. Sie laufen auch zu argumentativen Höchstleistungen auf, wenn es darum geht, die Eltern davon zu überzeugen, dass sie für den Tag noch nicht genug „gedaddelt“ haben. Politisch informierte Kinder können auf die Idee kommen, den Koalitionsvertrag der letzten und der amtierenden Koalition als Argumentierungshilfe zu bemühen. Da heißt es unter anderem: „Wir erkennen die Vielfalt hochwertiger Angebote, insbesondere pädagogisch wertvoller Computerspiele, sowie die große kreative Leistung und hohe technische Kompetenz der Spieleentwickler an. Dies wollen wir weiter fördern (...)“.
Spiele haben ihr Gutes
Natürlich gehören Games wie andere Medieninhalte auch zur Wirklichkeit einer modernen Welt, in der wir gerne leben. Es ist auch unbestritten, dass Spiele unsere Kinder für computerbasierte Berufe qualifizieren. Ebenso müssen die Kinder lernen zu kommunizieren. Das tun sie auch über vernetzte Spiele, indem sie sich zu Teams zusammenschließen können, wenn sie wollen weltweit. Nicht zuletzt geht es für Kinder und Eltern darum, die Gefahren und Risiken von Computerspielen zu verstehen. Das geht nur indem man spielt, nicht indem man sich verweigert.
Aus dem Nähkästchen eines Spieleentwicklers
Das hört sich gut an. Wenn ein kompetenter Spieleentwickler aber im Zug aus dem Nähkästchen plaudert, dann kann man als Eltern schon ins Grübeln kommen. Man erfährt dann nämlich, dass Ziel der Spieleentwicklung sei, Daten über das Spielverhalten von Kindern zu erheben und diese Informationen auszuwerten. Ist das Kind mutig, stellt es sich geschickt an, lernt es schnell, ist es kreativ, besonnen oder leicht reizbar und wird es schnell aggressiv? Hat es das gar das Zeug zum Psychopaten? Ist es in Gruppen von vernetzten Spielern wie Game Center aktiv, dann kann man auch feststellen, wie sein Sozialverhalten ist. Lässt es seine Gruppe im Stich oder ist es zuverlässig? Ist die Loyalität zu den Mitgliedern in der virtuellen Welt höher als die in der körperlichen Welt? Ist es leicht manipulierbar? Spielt es fast ständig, sogar nachts und ist es deshalb vielleicht spielsüchtig und besonders lukrativ für die Spieleindustrie?
Welche Gefahren bergen Computerspiele?
Wie für alles muss es auch für Computerspiele Grenzen geben. Denn auch dann, wenn man Ego-Shooter bei Seite lässt und nur vermeintlich harmlose Spiele in den Blick nimmt, gibt es Gefahren. Das Erstellen von Persönlichkeitsprofilen ist eine.
Suchtgefahr ist eine andere. Wenn Sucht sich dadurch kennzeichnet, dass man sein Verhalten nicht mehr steuern kann, nicht mehr von etwas lassen kann und aggressiv wird, wenn man dennoch darauf verzichten soll, dann zeigen viele Kinder, denen man das Handy nach aus Elternsicht zu langem „daddeln“ wegnimmt, entsprechende Symptome. Viele Produkte bergen Missbrauchsgefahren. Das gilt vom Küchenmesser bis zum Feuerzeug. Aber diese Gefahren kennen wir, verwenden sie vorsichtig und bringen das auch unseren Kindern bei. Vieles verbieten wir ihnen auch und der Staat verlangt das von uns. Das gilt für Alkohol oder andere legale Drogen. Ob Computerspiele, legale Drogen oder ein mehr oder weniger sinnvoller Zeitvertreib sind, ist Ansichtssache. Harmlos ist ihre Nutzung im Übermaß nicht. Denn vor einem sollten wir nicht die Augen verschließen: Wenn Computerspiele süchtig machen, dann kann man Geschäfte mit ihnen als Handel mit legalen Drogen begreifen, laut Koalitionsvertrag sogar mit pädagogisch wertvollen.
Zur Person:
Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!). www.medienrecht.fh-koeln.de
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