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KubiS|2010: Kontroverse Thesen und Lösungsansätze zur Verwendung von Marktforschungsergebnissen in Marketing und Produktentwicklung
Bonn / Köln (marktforschung.de) – Mitte Mai fand in Bonn die Anwendertagung KubiS|2010 statt, die gemeinsam von goals international und der Deutschen Telekom AG veranstaltet wurde. Im Fokus der Veranstaltung standen Vorträge und Diskussionen zu Kundenbindung und Servicequalität sowie insbesondere zur Verwendung von Marktforschungsergebnissen in Marketing oder Produktentwicklung. Unter dem Titel "Sinn und Unsinn der Marktforschung" fand hierzu auch eine Podiumsdiskussion statt, an der Stephan Grünewald (Geschäftsführer des rheingold Instituts), Dr. Christian Hahn (Vice President Marketing Communications Strategy & Media, Deutsche Telekom), Prof. Dr. Markus Voeth (Professor für Marketing an der Universität Hohenheim) und Dr. Raimund Wildner (Geschäftsführer bei der GfK) teilnahmen.
"Marktforschung ist schwer in die Jahre gekommen", lautete die Eingangsthese von Professor Markus Voeth. Er kritisierte ein zumindest teilweise tradiertes Denken sowohl in der Institutsmarktforschung als auch in der Marktforschung an den Hochschulen. Er bemängelte, große Neuentdeckungen hinsichtlich Methoden und Betätigungsfeldern von Marktforschung seien in den vergangenen Jahren zu wenig von der Wissenschaft angegangen worden. Hierbei kritisierte er insbesondere den Umgang mit dem Medium Internet. "Ich habe den Eindruck, wir nutzen einen Turbolader um damit irgendein Pferdefuhrwerk ein bisschen besser zu beschleunigen. Die vielen, vielen Möglichkeiten, die das Internet bietet, haben wir auch von der Wissenschaft bisher noch nicht durchdrungen, denken Sie an Textmining-Systeme usw., mit denen man in Social Networks vielleicht mit neuen Methoden eben auch viele Felder der Marktforschung erst erschließen kann", so Professor Voeth.
Dr. Christian Hahn betonte, Marktforschung werde zu häufig "unsinnig" angewendet und kritisierte insbesondere die fehlende handlungsorientierte Aufarbeitung von Marktforschungsergebnissen. Marktforschung habe es aus seiner Sicht vielfach noch nicht geschafft, eine Sprache zu wählen, die im Unternehmen auf Top-Management-Level ankomme und damit auch eine Bedeutung erfahre. "Ich erlebe es ganz selten, dass ich Ergebnisbände von Instituten einfach mal eins zu eins zum Vorstandsvorsitzenden weiterleiten könnte. Und ich glaube, wenn die Marktforschung in den Betrieben oder im Top-Management noch ernster genommen werden möchte, dann muss sie es schaffen, klarer und prägnanter wirkliche Beratungsansätze zu formulieren", so Dr. Hahn.
Prof. Voeth bemerkte hierzu, dass die in einigen Fällen als mangelhaft empfundene Aufbereitung von Marktforschungsergebnissen auch auf unklare Vorgaben seitens des Marketings zurückzuführen sei. Je klarer die Aufgabenstellung wäre, desto klarer und prägnanter könnten die Antworten sein. "Manchmal – so ist zumindest mein Eindruck – ist es so, dass der ein oder andere Anwender in den Unternehmen einfach die Marktforschung als so eine Art Topf betrachtet, wo man ein bisschen Geld reinschmeißt in der Hoffnung, dass irgend etwas Verwertbares dabei heraus springt", äußerte Prof. Voeth. So sei es nicht verwunderlich, dass es bei Projekten manchmal 20 oder auch nur sechs Seiten Management-Summary gebe, weil der Marktforschung gar nicht richtig wisse, was für seinen Kunden wirklich von Interesse sein könnte.
Einig waren sich alle Diskussionsteilnehmer darin, dass die Daten in die Sprache des Kunden übersetzt werden müssten, wobei nicht die Methodik, sondern die Ergebnisse im Vordergrund stehen sollten. Für eine bessere Zusammenarbeit zwischen Marktforschung und Marketing sei es nötig, Kunden und vor allem diejenigen mit ins Boot zu nehmen, die später mit den Daten arbeiten, betonte Dr. Raimund Wildner. Aufmerksamkeit im Management-Bereich könnte Marktforschung dann erzielen, wenn es gelänge, Daten so aufzubereiten und zu präsentieren, dass sie für das Management in monetäre Größen zu übertragen sind.
Stefan Grünewald plädierte ebenfalls für Abwechslung und kreative Auseinandersetzung in der Zusammenarbeit mit Kunden. Wichtig sei es, den Kunden zu verstehen und Denkanreize zu schaffen, wodurch überflüssige Studien wegfallen würden.
Die Quintessenz der diesjährigen KubiS|2010 fällt je nach Perspektive der Anwender- oder Anbieterseite etwas anders aus – einig sind sich die Tagungsteilnehmer und Referenten darin, dass eine wesentliche Aufgabe für die Marktforschung darin bestehen wird, weiterhin neue effektive Forschungsinstrumente zu entwickeln, die Veränderungen im medialen Nutzerverhalten in der Gesellschaft berücksichtigen. Gleichzeitig muss die Aufbereitung der Daten stärkeren Anwender- und Managementbezug haben und sich klare Handlungsempfehlungen in pointierter Form ableiten lassen. Auf der anderen Seite sind die Auftraggeber von Marktforschungsprojekten gefordert, klare Anforderungen an die Auftragnehmer zu formulieren und Forschungsaufträge auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen. So kann sich die Marktforschung vom ungeliebten Selbstzweck zu einer tatsächlichen Managementunterstützung entwickeln.
Die Veranstaltung hat gezeigt, dass die sinnvolle Integration von Marktforschung in Strategie, Innovation und Programmgestaltung noch nicht abschließend diskutiert und umgesetzt ist. Die Diskussion um gelungene Beispiele und weiterentwickelte Lösungen, die beiden Seiten sowie den veränderten Rahmenbedingungen im Internetzeitalter gerecht werden, wird der Schwerpunkt im nächsten Jahr sein, wenn sich Vertreter aus Unternehmen, Instituten und Wissenschaft zur KubiS|2011 in Bonn treffen.
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