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Tobias Wenker, Geschäftsführer Point Blank „Kostet nicht viel, dient der Umwelt und wir sind es nachfolgenden Generationen schuldig“

Was bedeutet für Point-Blank und für Sie der Nachhaltigkeitsbegriff? Wie definiert Sie das?
Tobias Wenker: Da gilt für uns sowohl der Umweltaspekt als auch der Versuch, nachhaltig zu wirtschaften. Da gibt es zwei Sachen: Zum einen werden wir kundenseitig ein bisschen getrieben, andererseits versuchen wir, unsere Kunden zu treiben. Man wird immer öfter gefragt, ob man nachhaltig zertifiziert ist, das hat auch mit dem Lieferkettengesetz zu tun.
Oder man wird gefragt, was man tut, um Sustainability-Standards einzuhalten. Also, gerade wenn es Unternehmen aus dem anglo-amerikanischen Raum sind, ist es mittlerweile schon Usus, dass man zumindest danach gefragt wird. Ich glaube, es ist noch nicht so weit, dass man nicht als Partner ausgewählt wird, wenn man diese Standards nicht erfüllt. Aber man wird zumindest regelmäßig gefragt, auch von den europäischen Pharma-Herstellern zum Beispiel.
Und das andere ist, dass wir versuchen, unsere Projekte zusammen mit unseren Kunden nachhaltig zu denken. Das kann sowohl das ganze Thema Reisen angehen, was aber seit der Pandemie keine große Rolle mehr spielt. Das kann aber auch Projektinhalte angehen.
Bei euch kam der Impuls aus dem Team. Wenn ich mich heute als ein Institut, das sich vielleicht bislang noch gar nicht so viel Gedanken gemacht hat, auf den Weg in Richtung Nachhaltigkeit machen möchte, wo sollte man denn als Marktforschungsinstitut anfangen?
Tobias Wenker: Wir haben ein relativ junges Team und da gab es den Wunsch, dass wir uns eindeutig positionieren. Die ganze Generation ist sehr von diesem Thema getrieben und man kann mit relativ einfachen Mitteln relativ große Schritte tun. Also ich verrate jetzt auch keine Geheimnisse, wenn ich zum Beispiel sage, dass man bei den Themen Reisen, Energie oder Fuhrpark ganz, ganz schnell große Schritte in Richtung Klimaneutralität machen kann.
Wir haben uns schon vor zehn oder zwölf Jahren entschieden, zu einem Naturstromanbieter zu wechseln. Das Thema Reisen war durch die Pandemie zusätzlich besonders stark getrieben. Wir haben aber schon vor der Pandemie versucht, innerdeutsche Reisen ausschließlich mit der Bahn zu machen und eben nicht mehr in den Flieger nach Düsseldorf oder Frankfurt zu steigen. Und der Fuhrpark ist auf ein Minimum reduziert.
Es ist wohl auch ein bisschen unzeitgemäß, Mitarbeitende noch mit Firmenwagen auszustatten. Wir denken jetzt gerade darüber nach, wie man die Mitarbeiter auf Wunsch mit Fahrrädern ausstatten kann, zum Beispiel anstelle des klassischen Jobtickets. Also insgesamt betrachtet: Es ist relativ einfach, bei dem Thema einzusteigen.
Ist Müllvermeidung im Sinne von Zero-Waste Büro ein Thema für Point-Blank?
Tobias Wenker: Bei Zero-Waste sind wir noch nicht angekommen, das ist auch nach wie vor relativ schwierig. Aber wir nehmen das Thema Mülltrennung sehr ernst. Da werden die Teams auch geschult und wir versuchen, bereits beim Einkauf darauf zu achten, dass wir schon so wenig wie möglich an Verpackung zu uns ins Büro schleppen.
Was auch total runtergegangen ist, ist das Bestellen online, zum Beispiel bei Amazon, das haben wir vor wenigen Jahren noch viel gemacht und jetzt deutlich reduziert.
Woran scheitert das Zero Waste Büro zurzeit noch?
Tobias Wenker: Allein, wenn ich jetzt mal an das Thema Toilettenpapier denke, das kommt halt immer noch in einer Plastikverpackung. Aber irgendwie muss ich das ja ins Büro bekommen. Minimieren ja, aber Zero, da weiß ich gar nicht, wie das gehen soll. Wir sind eine Firma mit fast 40 Mitarbeitenden. Um das zu organisieren, brauchst du – glaube ich – eine eigene Vollzeitkraft, um die Sachen unverpackt ins Büro zu bekommen.
Dann kann ich auch gleich auf das Thema papierloses Büro kommen. Das funktioniert in manchen Bereichen sehr gut: Finanzbuchhaltung, Rechnungswesen und so weiter, das läuft alles nur noch digital. Da wird keine Rechnung mehr ausgedruckt, keine Eingangsrechnung, keine Ausgangsrechnung. Ich glaube, es sind noch zwei Zulieferer, die immer noch Rechnungen per Post schicken.
Wo es nicht so gut funktioniert, ist im Research-Bereich. Screener werden gern ausgedruckt, wenn sie gegengelesen werden sollen. Leitfäden druckt man lieber aus. Die Kollegen und Kolleginnen Researcher, die drucken sich den Leitfaden aus, machen sich da handschriftlich Vermerke drauf während des Interviews. Also gerade was unsere Research Arbeit angeht, auch Stimuli, wird noch relativ viel ausgedruckt, weniger als vor fünf bis zehn Jahren, aber doch immer noch relativ viel.
Wie sehr ist das bei der IT-Ausstattung ein Thema? Also bei Laptops, Smartphones, Monitoren, achtet ihr da auf das Thema Energieverbrauch?
Tobias Wenker: Da lassen wir uns sehr stark von unserem IT-Team beraten. Also, wir machen alles mit Apple Produkten. Da weiß ich ehrlich gesagt nicht, ob unser IT-Chef da auch in Nachhaltigkeitsbedenken mit eingebunden hat. Ich weiß, dass er an sich ein sehr nachhaltig denkender Mensch und Verbraucher ist, aber die Apple-Entscheidung ist älter als die Nachhaltigkeitsdiskussion. Wie nachhaltig Apple ist, ob die besser sind im Vergleich zur Konkurrenz, das weiß ich nicht.
Und das Thema Energienutzung im Home-Office ist bei unserer Zertifizierung das schwerste Pfund gewesen. Als Unternehmen nutzen wir in unseren Büroräumen zwar Ökostrom. Das zertifizierende Unternehmen geht aber davon aus, dass unsere Mitarbeiter zuhause nicht unbedingt Ökostrom nutzen und haben deswegen eine relativ hohe Energiepauschale pro Mitarbeiter im Homeoffice angesetzt.
Mit Blick auf die Mitarbeitenden: Macht ihr ganz bewusst Angebote, um das Verhalten im Homeoffice in Richtung mehr Nachhaltigkeit zu steuern?
Tobias Wenker: Da wir ein sehr, sehr junges und engagiertes Team sind, müssen wir da gar nicht viel tun. Wir versuchen Standards zu etablieren und aufzuklären, so dass ich hoffe, dass sich das automatisch auch aufs Home-Office überträgt. Also, ich kann mir nicht vorstellen, dass Mitarbeitende sich unter Nachhaltigkeitsaspekten vorbildlich im Büro verhalten und dann zuhause alles völlig anders machen. Es ist aber schon so, dass unser Nachhaltigkeitsteam in wiederkehrenden Meetings die Mitarbeiter immer wieder schult und aufklärt.
Fokussiert ihr euch beim Thema Nachhaltigkeit stark aufs Thema Klima oder öffnet ihr euch auch für andere Aspekte? Also ich denke zum Beispiel an das Thema Diversity.
Tobias Wenker: Diversity ist ja bei einem Unternehmen aus Berlin Mitte quasi per se gegeben. Also das ist etwas, das wir nicht treiben müssen oder Standards etablieren müssen. Unser Team ist relativ divers und Diversität wird auch im Alltag gelebt.
Wo es vielleicht eher noch ein bisschen hakt, ist das Thema Nachhaltigkeit im Sinne von Mitarbeiterzufriedenheit. Wir, glaube ich, können in unserer Branche noch deutlich besser werden, eben nachhaltiger agieren, was zum Beispiel Arbeitszeiten angeht. Es muss nicht unbedingt sein, gerade in digitalen Zeiten, dass Gruppen und einzelne Interviews bis nachts um zehn dauern und danach noch ein Debriefing stattfindet.
Das Digitale ermöglicht uns doch deutlich flexiblere Arbeitszeiten, und ich glaube, da können wir noch ein bisschen mehr tun. Was das Thema Zufriedenheit mit Arbeitszeiten und Arbeitsintensität angeht, da können wir deutlich mehr machen, was das nachhaltige Wirtschaften im Team angeht. Es hat sich vieles sehr verbessert. Die jüngere Generation würde das – glaube ich – auch nicht mehr mitmachen, wie wir das früher gemacht haben. Die sagen auch eher mal ne, jetzt ist Schluss. Aber ich glaube, da ist noch Luft nach oben bei uns und in der Branche.
Point Blank ist ja als nachhaltiges Unternehmen zertifiziert, warum wurde das gemacht?
Tobias Wenker: Das ist eine gute Frage, auch das kam aus dem Team. Ich war relativ früh überzeugt davon, einfach weil ich mir schon gedacht habe, dass das für uns keine sonderlich hohe Hürde ist. Weil wir sowieso schon viel machen, eben mit Reisevermeidung, mit der Art und Weise, wie wir einkaufen und so weiter.
Und dann hat sich ein Sustainability-Team formiert und die Mitarbeitenden haben sich dann informiert, haben recherchiert und insgesamt drei Unternehmen gefunden, die solche Zertifizierungen durchführen. Wir haben uns für einen Anbieter aus London entschieden, Carbon Footprint, und dann ging das eigentlich relativ schnell. Wir haben eine Excel-Tabelle von denen bekommen, haben dort die Daten aus der Firma eingetragen und wenige Wochen später hatten wir das Ergebnis. Und die Kosten halten sich auch deutlich in Grenzen, also wir zahlen keine 3.000 Euro pro Jahr.
Ist das nicht vergleichsweise viel Papierkram?
Tobias Wenker: Beim ersten Mal ja, dann nicht mehr.
Wie viel Aufwand ist das circa in Stunden?
Tobias Wenker: Also, beim ersten Mal war es wirklich viel, weil wir einfach Belege wieder raussuchen mussten, selbst nachschlagen mussten, was da genau für Zahlen auf unseren Stromabrechnungen stehen, auf unseren Heizungsabrechnungen und so weiter. Jetzt, wo wir wissen, was wir brauchen, erheben wir diese Daten einfach, wenn wir die Rechnungen oder die Belege ohnehin in der Hand haben, das ist gar kein Problem.
Ich würde sagen, da sind insgesamt 60 bis 80 Stunden draufgegangen, um beim ersten Mal die Daten zu erheben. Wie gesagt: Seitdem wir wissen, was der Fragebogen von uns fordert, wird das nebenbei mit erhoben. Ich würde sagen, das ist jetzt vielleicht eine Sache von 15 bis 20 Stunden, dieses Formular auszufühlen.
Es waren drei Zertifizierer in der engeren Auswahl, worauf sollte man bei der Auswahl denn achten? Wie kam die Entscheidung zustande?
Tobias Wenker: Das kann ich ganz schwer sagen. Also einer ist rausgeflogen, weil wir gesehen haben, dass die EU-Standards nicht überprüft werden, und mit den anderen beiden haben wir gesprochen, und einer der Mitarbeiter, mit dem wir da gesprochen haben, hat uns einfach den deutlich netteren, offeneren, professionelleren Eindruck gemacht.
Die anderen kamen eher so ein bisschen deutsch, behäbig, DIN-Norm-mäßig rüber und hatten auch deutlich weniger Erfahrung. Und mit Carbon-Footprint hatten wir ein offenes, konstruktives, schönes Gespräch und das war eigentlich eine emotionale Entscheidung, würde ich sagen.
Sehen sie positive Effekte in der Außenwirkung oder bei Ausschreibungen? Also kann man so was rechtfertigen, gerade auch finanziell?
Tobias Wenker: Also ich weiß gar nicht, ob ich das jetzt hier so laut sagen darf, wir bewerben uns nicht auf Ausschreibungen, wir kommen anders an die Kunden ran. Aber ich bin davon überzeugt, dass es im Zuge von immer heftiger werdenden Compliance-Anforderungen immer wichtiger wird, klimaneutral und nachhaltig zu wirtschaften. Und wie gesagt, von Unternehmen, die das mit dem Lieferkettengesetz schon sehr ernst nehmen, kommt die Frage ohnehin automatisch.
Das heißt, falsch ist es auf gar keinen Fall. Ich glaube, dass es das ist, was früher oder später die meisten Kollegen und Kolleginnen machen müssen, weil es einfach im Zuge von internationaler Gesetzgebung gefordert sein wird. Da bin ich mir ganz sicher. Vor allem, wenn die Klimakrise jetzt wirklich mal ernsthaft angegangen wird, muss man das irgendwo kontrollieren und nachhalten.
Bei Ausschreibungen kann ich es nicht sagen, weil wir uns nicht an Ausschreibungen beteiligen, und ansonsten finde ich, ist es ein „No-brainer“. Also, es kostet nicht viel, es dient der Umwelt und wir sind es nachfolgenden Generationen schuldig. Und für ein Unternehmen aus der Dienstleistungsbranche, das jetzt nicht irgendwelche Waren produziert, ist es relativ einfach, sich als klimaneutral zertifizieren lassen. Deswegen kann ich es einfach nur empfehlen.
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