Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Kontrollverlust als Geschäftsmodell

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)
Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann
Die Bundesregierung befasst sich derzeit mit dem Thema Fracking. Es ist zunächst ein befristetes Verbot geplant, weil die Umweltrisiken unwägbar sind. Auch mit Fragen der vernetzten Welt setzt sich die Bundesregierung auseinander. Der Innenminister betont zu Recht, dass im Netz dasselbe Recht gilt wie in der körperlichen Welt. (1) Der Justizminister warnt vor der Entmündigung der Bürger durch Google: "Die Nutzer verlieren die Kontrolle über ihre Daten und damit über einen wichtigen Teil ihres Lebens." (2) ist er überzeugt. Wer will ihm da widersprechen? Regulatorisch fordert der Minister: "Google muss die Kriterien, nach denen die Suchergebnisse geordnet werden, offenlegen." (3)
Ist die Forderung zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen gerechtfertigt?
Das ist eine gewichtige Forderung, die auch an dieser Stelle schon erhoben wurde. (4) Der Schritt griffe so massiv in die Berufsfreiheit des Datengiganten ein, wie das Ansinnen zur Preisgabe des Coca-Cola-Rezepts gegenüber dem Softdrinkgiganten. Dennoch wäre der Schritt milder als ein befristetes Verbot wie beim Fracking. Mit welchem Recht soll der Staat so intensive Einblicke in Geschäftsgeheimnisse verlangen dürfen? Vielleicht mit demselben Recht, mit dem er das Fracking reglementiert: Weil der Dienst den Google betreibt, unwägbare Risiken für Staat und Gesellschaft birgt, die Staaten nur dulden können, wenn sie die Regeln nach denen sie funktionieren kennen. Das ist deshalb so problematisch, weil man mit den Netzdiensten zugleich auch Kommunikationsmöglichkeiten reguliert, die für die bürgerliche Freiheit so Elementar sind, wie die Luft zum Atmen. Zudem schaffen diese Datendienste Arbeitsplätze. Dennoch muss man die von ihnen ausgehenden Gefahren kalkulierbar machen.
Unwägbarkeiten und Gefahren durch Netzdienste
Aber sind Netzdienste denn derart gefährlich und verursachen Sie unkalkulierbare gesellschaftliche Risiken und welcher Art sind sie? Was meint der Justizminister, wenn er Kontrollverlust über Daten beklagt? Vielleicht Ideen wie die der Sensorberg GmbH5. Sie möchte mit Hilfe von iBeacon (6) eine permanente Ortung entwickeln (7). iBeacon ist ein von Apple entwickelter Navigationsstandard für geschlossene Räume, der auch auf aktuelleren Android-Geräten funktioniert. (8) Was kann man mit diesen smarten Chips zum Senden und Empfangen von Daten anfangen? Man kann zum Beispiel Alltagsgegenstände wie Plakatwände mit ihnen ausstatten, die Personen die vor ihnen stehen orten können. Wenn sie sich von verwanztem Plakat zu verwanztem Plakat bewegen, dann kann man sie auch verfolgen. Die Information, wie lange eine Person vor einem Plakat, das ein bestimmtes Produkt anpreist steht, kann über eine App auf deren Smartphone an den Anbieter der App gesendet werden. Der kann die Informationen vermarkten, etwa um dem potentiellen Käufer des Produkts personalisierte Werbung auf das Handy zu schicken. Produktinformationen verfolgen einen dann zielgerichtet, wo man geht und steht und ohne, dass man weiß warum. Wer kann schon ahnen, dass die Plakatwand Augen hat und Daten über uns sendet.
Datenverarbeitung verlangt gesetzliche Ermächtigung oder eine Einwilligung des Berechtigten
Der Standort und ein Kaufinteresse einer Person sowie dessen Handykennung sind personenbezogene Daten. Wenn solche Informationen ohne gesetzliche Erlaubnis oder Einwilligung des Berechtigten erhoben, gespeichert, weitergegeben und analysiert werden, dann ist das unzulässig.
Das Smartphone speichert jeden Schritt, den wir mit ihm gehen
Beinahe gespenstig ist es, wie exakt Smartphones unsere Positionen verfolgen. In einem aktuelleren Apple-Gerät kann man unter Einstellungen/Datenschutz/ Ortungsdienste/Systemdienst/Häufige Orte einsehen, wo man sich zuletzt mit dem Handy aufgehalten hat. Ob die Daten das Handy verlassen, ist kaum sicher zu sagen. Zumindest Apple dürfte Zugriff haben. Bei Googles Android-Geräten lässt sich für Inhaber eines Google-Accounts die eigene Ortungsspur von Google www.google.com/locationhistory einsehen.
Es ist für den Staat geboten Maßnahmen gegen Datenkontrollverlust zu ergreifen
Das ist ein Beispiel für Kontrollverlust und wir können uns sicher sein, dass die smarte Welt von Big Data voll von ihnen ist. Die Anwendungen sind versteckt und undurchsichtig und sie kontrollieren unsere Daten und die Missbrauchsmöglichkeiten sind zahlreich. Das Gegenteil von alledem schreibt das Datenschutzrecht vor. Da ist es geboten, dass der Justizminister sich die Dienste ein wenig genauer ansehen will und Maßnahmen dagegen ergreift.
(1) http://www.faz.net/aktuell/politik/denk-ich-an-deutschland-1/digitalisierung-das-internet-ist-keine-eigene-welt-13175558.html vom 26.9.2014.
(2) vorab.bams.de/justizminister-maas-warnt-vor-einer-entmuendigung-der-buerger-durch-google vom 28.9.2014.
(3) vorab.bams.de/justizminister-maas-warnt-vor-einer-entmuendigung-der-buerger-durch-google vom 28.9.2014.
(4) www.marktforschung.de/information/nachrichten/marktforschung/researchability-verantwortung-fuer-markt-und-daten-wenn-algorithmen-beleidigen/ vom 30.4.2014.
(5) http://www.sensorberg.com/en/
(6) http://de.wikipedia.org/wiki/IBeacon
(7) http://www.sensorberg.com/en/#shopify-store
(8) http://de.wikipedia.org/wiki/IBeacon
Zur Person:
Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!). www.medienrecht.fh-koeln.de
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