Kommt Spenden-Werbung an?
München - 23,3 Millionen Menschen spendeten laut Statistik des Deutschen Spendenrats im vergangenen Jahr insgesamt rund 4,7 Milliarden Euro für wohltätige Zwecke. So viel, wie noch nie zuvor – und voraussichtlich wird der Rekord von 2013 bereits in diesem Jahr getoppt. Wer sich im ‚Spendenmarathon‘ von anderen Hilfsprojekten erfolgreich abheben wolle, müsse auf Marketingstrategien setzen, so Facit Media Efficiency. Aber wie kommt die Kommunikation für wohltätige Zwecke bei den potentiellen Spendern an? Um diese Frage zu beantworten hat das Marktforschungsinstitut neben einer klassischen Befragung auch vier aktuelle TV-Spots von Aktion Mensch, dem Deutschen Kinderverein, SOS Kinderdörfer und Unicef mittels des EEG-basierten Neuro-Messverfahrens „Steady State Topography“ (SST) analysiert. Die Forscher blickten dabei „in die Köpfe“ von insgesamt 220 Probanden und konnten so dokumentieren, ob Werbebotschaften eine persönliche Relevanz erzeugten, emotional ansprachen und wie gut sie ins Langzeitgedächtnis eingingen.
Über alle getesteten Spots und Fragen hinweg sind SOS Kinderdörfer und Unicef die bekanntesten der vier in der Studie berücksichtigten Hilfsorganisation, gefolgt von Aktion Mensch und dem Deutschen Kinderverein. Dabei ist die Spendenbereitschaft bei Frauen und Älteren (43 bis 59 Jahre) grundsätzlich höher als bei Männern und Jüngeren (20 bis 52 Jahre).
Ebenfalls geben Menschen mit höherem Gehalt (ab 3.000 Euro pro Monat) im Mittel mehr als jene mit niedrigerem und mittlerem Gehalt (bis 3.000 Euro) – allerdings steht der höhere Betrag nicht im Verhältnis zum Einkommen, sodass unterm Strich prozentual gesehen vor allem die Mittelverdiener einen höheren Satz ihres Gehalts spenden.
Dass das Einkommen eine Rolle bei der Spendenbereitschaft spielt, zeigen auch die unbewussten Reaktionen der Probanden: Wenig- und Vielverdiener verarbeiten Spots eher emotional, achten also vermehrt auf Bilder und Stimmungen als auf die konkreten Details und Inhalte. Sehen Menschen dieser Gruppen die Kernbotschaften der Spots oder den konkreten Spendenaufruf, lässt die Wirkung bei ihnen allerdings nach – entweder, weil die Personen ohnehin nicht die finanziellen Mittel zum Spenden hätten oder aber umgekehrt, weil Personen mit höherem Einkommen eventuell mehrere Spendenprojekte unterstützten oder sich nicht gezielt für eine Organisation entscheiden müssten, so die Vermutung von Facit Media Efficiency. Probanden mit mittlerem Einkommen (1.250 bis 3.000 Euro) hingegen achten unbewusst sehr genau auf die transportierten Inhalte der Hilfsorganisationen: Da sie im Schnitt am meisten von ihrem Gehalt geben, wägen Mittelverdiener wahrscheinlich viel genauer ab, welche Projekte oder Organisationen sie unterstützten.
Spots mit prominenten Testimonials steigern insbesondere die Aufmerksamkeit und die Emotionalität der Probanden: So schneidet der Unicef-Spot mit Dirk Nowitzki in diesen beiden Kategorien am besten ab. Der Basketball-Profi kam vor allem bei Männern sehr gut an.
Ebenfalls sehr emotional wirken Nahaufnahmen von Kindern oder Kindergesichtern (SOS Kinderdörfer), bei denen Frauen besonders stark reagieren – ebenso, wie auf dramatische oder tragische Elemente, Bilder oder Aussagen, die Frauen sehr viel detaillierter und aufmerksamer verarbeiten als Männer; etwa den Rollstuhl bei Aktion Mensch oder die Gürtel als Bild für häusliche Gewalt beim Spot des Deutschen Kindervereins.
Insgesamt gehen Spots, die Menschen allgemein und Kinder insbesondere in Großaufnahme zeigen, besonders gut ins Langzeitgedächtnis ein und werden damit besser erinnert – der Deutsche Kinderverein, der visuell ausschließlich mit Gürteln auf Gewalttaten hinweist, fällt deshalb etwas zurück. Es überrascht daher nicht, dass die Spots von Unicef und SOS Kinderdörfern eine besonders hohe emotionale Intensität und entsprechend hohe Werte der emotionalen Bildverarbeitung und -abspeicherung aufweisen.
Die motivierenden, positiv gestalteten Spots von Aktion Mensch und Unicef wecken eine hohe persönliche Relevanz und Aufmerksamkeit bei den Probanden. Besonders hilfreich sind hierfür involvierende Elemente, die den Zuschauer miteinbeziehen – etwa das Voiceover „In den vergangenen 50 Jahren konnten wir gemeinsam vieles verändern“ bei Aktion Mensch oder die direkte Ansprache mit Blick in die Kamera von Dirk Nowitzki: „Sie können das auch“ im Unicef-Spot.
Während allerdings die Kernbotschaft gezeigt oder auf den Absender hingewiesen wird, fallen bei diesen positiven Spots etliche Neuro-Kurven ab – darunter auch der Eingang ins Langzeitgedächtnis und die über den Spot hinweg sehr gut wirkende persönliche Relevanz. Das wirkt sich insgesamt negativ auf die Wahrnehmung der „Marken“ aus.
Genau umgekehrt hingegen bei den eher anklagenden Spots von SOS Kinderdörfer und dem Deutschen Kinderverein: Hier werden die Kernbotschaften besonders gut von den Zuschauern aufgenommen – das spiegelt sich auch bei den Spendenbeträgen wider: Die Probanden würden den SOS Kinderdörfern und dem Deutschen Kinderverein im Schnitt mehr spenden (durchschnittlich 11,75 Euro) als Unicef und Aktion Mensch (durchschnittlich 11,14 Euro). Der Differenzbetrag von 61 Cent scheine gering – wenn man aber als Beispiel von einer Million Spendern ausgehe, machen diese Cent-Beträge über 600.000 Euro an Spendeneinnahmen aus, die hier theoretisch verloren gehen, so Facit Media Efficiency.
Zur Studie: Im Oktober 2014 untersuchte Facit Media Efficiency mit dem SST-Verfahren die Gehirnaktivität von 220 Personen beim Sehen von Werbespots. Dazu wurde den Probanden ein 16-minütiges Testprogramm gezeigt, das von mehreren Werbeblöcken unterbrochen wurde. Die TV-Spots der vier untersuchten Hilfsorganisationen wurden dabei in zufälliger Reihenfolge mit anderen Spots anderer Marken vermischt. Vor und nach der Neuro-Analyse füllten die Studienteilnehmer einen klassischen Fragebogen aus.
ah
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