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Sebastian Schmidt & Lea Margarete Schlue, SKOPOS Keine Angst vor interaktiver Daten-Analyse: Wie Online-Dashboards in der Marktforschungspraxis ein Erfolg werden

Insbesondere bei Trackings mit kontinuierlicher Datenerhebung gibt es 2018 allerdings auch keinen Grund mehr auf Quartals-Berichte warten zu müssen, um den eigenen Stand im Markt zu erfahren. Dazu kommt: Weiterführende Fragen auf Basis der Ergebnisse, zum Beispiel nach Unterschieden zwischen verschiedenen Subgruppen, benötigen in der PowerPoint-Welt weitere Ressourcen, konkret: teils erheblich Zeit und Geld. Für diesen Anwendungsfall der kontinuierlichen Berichterstattung und weiterführenden Analyse sind Online-Dashboards prädestiniert, denn die automatische Datenaufbereitung ermöglicht Echtzeit-Reports, während eine interaktive Oberfläche über definierte Filter und Vergleichsgruppen Analysen ohne Zeitverlust erlaubt. Online-Dashboards drängen sich daher bei der Ergebnisvisualisierung von Längsschnittstudien geradezu auf – egal ob Kundenzufriedenheitsstudie, Markentracking oder Mitarbeiterbefragung.
PowerPoint oder Dashboard – keine Grundsatzentscheidung
"Pro Online-Dashboards" heißt damit nicht notwendigerweise "Kontra PowerPoint" – es herrscht kein Zwang zur Exklusiv-Entscheidung, vielmehr besteht die Möglichkeit, sich in beiden Welten zu bewegen und die jeweiligen Vorteile zu nutzen. Werden Dashboards lediglich projektbezogen für bestimmte Studien eingesetzt, sehen wir häufig eine friedliche Koexistenz zwischen Online-Tool und Executive Summary mit den wichtigsten Erkenntnissen. Denn als eine zunehmend "Insight-getriebene" Profession, die von Datenwüsten wegkommen möchte und muss, sind hübsche aber interpretationsbedürftige Grafiken in beliebiger Anzahl zunächst kein großer Zugewinn – auch wenn sie online, in Echtzeit und interaktiv sind.
In der Praxis ist ohnehin ein schrittweiser Verlauf, hin zu einer breiteren Nutzung von Online-Dashboards die Regel:
Im ersten Schritt ist das Dashboard ein ergänzendes Instrument für eigenständige Analysen. Im Zentrum stehen allerdings nach wie vor noch regelmäßige Reports, die in ihrem Umfang nun aber deutlich reduziert werden können und lediglich die wichtigsten Aussagen beinhalten – und vor allem nicht mehr jede Interpretation mit passenden Diagrammen belegen müssen. Diese gibt es bei Bedarf online. Im zweiten Schritt gibt es nur noch die Executive Summary, ggf. unterstützt mit wenigen, passenden Screenshots der zentralen Ergebnisse. Am Ende steht dann die reine Arbeit mit dem Dashboard, die sich zur zentralen Informationsplattform entwickelt. Denn mit der richtigen technischen Lösung lassen sich auch innerhalb eines Dashboards Stories erzählen. So können bspw. mit Tableau, die bei uns häufig eingesetzte Software zur Datenvisualisierung, bemerkenswerte Ergebnisse als Snapshot gespeichert und kommentiert werden. Zweifellos erfordert das allerdings etwas Übung und breite Akzeptanz bei allen Anwendern.
Nicht nur etwas für Tracking-Studien
Wie groß der Anwenderkreis dabei wird, entscheidet jedes Unternehmen für sich. Rein technisch betrachtet erfüllen Online-Dashboards den häufig postulierten Anspruch Datensilos einzureißen und Informationen zu demokratisieren – insbesondere, da sie nicht auf klassische Befragungsergebnisse limitiert sind. Die Grenzen zwischen Marktforschung und Business Intelligence verwischen zunehmend. Somit können Dashboards, unternehmensweit eingesetzt, eine strukturierende Funktion zukommen, bei der Erkenntnisse zentral vorliegen und nicht in Schubladen in Vergessenheit geraten können.
Das bedeutet auch, dass die Einsatzmöglichkeiten keinesfalls auf Tracking-Studien begrenzt sind. Vor allem bei Projekten die immer wieder als Referenz herangezogen werden, beispielsweise Ergebnisse einer Kundensegmentierung oder einer Grundlagenstudie für ein besseres Markverständnis, macht es durchaus Sinn, diese dem Projekt-Team interaktiv zugänglich zu machen. Abseits des angesprochenen Zeitvorteils und Flexibilität in der Analyse, haben wir immer wieder festgestellt, dass intensiver mit den Ergebnissen gearbeitet wird. PowerPoint-Reports sind einfach verdaulich und bringen Ergebnisse prägnant auf den Punkt, sorgen aber auch für den Museums-Effekt: Sehen schön aus, werden einmalig betrachtet sind leider zu häufig nach Minuten wieder vergessen. Interaktiv erlebbare Erkenntnisse können hier potentiell ein tieferes Auseinandersetzen und damit mehr Wirkung entfalten.

Auf den Punkt: Die Erfolgsfaktoren
Doch seien wir realistisch: Ein weiteres Tool mit neuen Informationsquellen bedeutet für alle Beteiligten zunächst ein zeitliches Investment – und Zeit hat ohnehin niemand.
Bringt das Dashboard dem User nahe
Deshalb ist es umso wichtiger, Nutzungsbarrieren zu vermeiden und Lust auf die Arbeit mit Dashboards zu machen. Hierzu ist ein geordneter Onboarding-Prozess entscheidend. Denn wie einfach ein Dashboard zu bedienen ist und wie groß die Vorteile sein können, findet der geneigte User erst heraus, wenn er es auch tatsächlich nutzt. Dazu empfiehlt es sich den Nutzerkreis möglichst schnell über eine persönliche oder virtuelle Schulung an die wichtigsten Funktionen und Ergebnisse heran zu führen. Flankierend lohnt sich eine kleine Dokumentation, welche die wichtigsten Funktionen veranschaulicht und als anleitende Referenz zu Rate gezogen werden kann.
Alle Maßnahmen haben das Ziel, den Mehrwert des Dashboards in den Mittelpunkt zu rücken und den Nutzerkreis so schnell wie möglich in die Lage zu versetzen, eigenständige Analysen durchzuführen. Denn nur so können Akzeptanz und schlussendlich der Dashboard-Erfolg sichergestellt werden.
Komplexität reduzieren
Nun bietet ein Dashboard unzählige Funktionen und Auswertungsmöglichkeiten. Dabei stellt sich die Frage, wie man dem User den Zugang so einfach wie möglich gestaltet. Hier sind mehrere Aspekte relevant: Zunächst kann die Datengrundlage über ein Rechte-System eingeschränkt werden, sodass bspw. der Regionalleiter auch wirklich nur seine Ergebnisse sieht. Diese Lösung hat zwei Komponenten: Der Fokus wird auf das Wesentliche gelenkt, „unnötige“ Informationen werden vermeiden. Weiterhin kann ein ausgefeiltes Rechtesystem auch eine ganz grundlegende Anforderung sein, um die Aufbauorganisation adäquat abzubilden und Ergebnisse nicht „jedermann“ zugänglich zu machen.
Da häufig auch empirisch weniger versierte Nutzer Auswertungen vornehmen können, sollte das Dashboard für sich selbst sprechen: Bezeichnungen werden so einfach wie möglich gewählt, ergänzt um prägnante Erklärungen zu wichtigen Berechnungsgrundlagen wie etwa dem Net Promoter Score. Um irreführende Analysen zu vermeiden, können zusätzlich Fallzahlbremsen integriert werden, die bei Analysen auf geringe Fallzahlen hinweisen oder die gesamte Darstellung direkt ausblenden, sodass bei der Verwendung unterschiedlicher Filter nicht 3 zufriedene Kunden als neuer Insight interpretiert werden.
Konsequente Weiterentwicklung
Ist der Anfang geglückt und die Kollegen nutzen Dashboards zur Ergebnis-Analyse, muss das Interesse aufrechterhalten und sich auf neue Anforderungen eingestellt werden – denn diese gibt es glücklicherweise immer, wenn damit gearbeitet wird. Wenn es um die Implementierung von Änderungen geht, können wir viel von moderner Software-Entwicklung lernen. Diese stellt den Nutzer in den Mittelpunkt und versucht in kurzen Iterationen neuen Anforderungen gerecht zu werden, sprich den Nutzern schnellstmöglich ihre Wünsche zu erfüllen. Im Idealfall fungiert der Projekt-Leiter auf Kundenseite als „Product Owner“, der die unterschiedlichen Nutzerbedürfnisse identifiziert, entgegennimmt und gemeinsam mit dem Partner priorisiert. So können in kurzer Zeit neue Analysemöglichkeiten geschaffen werden, die sofort einen Mehrwert stiften. Wichtig dabei: Alle Nutzer über Änderungen auf dem Laufenden halten, sodass sich niemand über veränderte oder neue Darstellungen und neue Möglichkeiten wundert.

Damit am Ende nicht die Technologie das limitierte Element für den Dashboard-Einsatz werden, möchten wir nachfolgend einige Erfahrungen teilen.
Blick unter die Haube: Darauf ist technisch zu achten
Modularer Aufbau statt "All-in-One-Lösung"
In den vergangenen Jahren haben wir uns unterschiedliche Tools angesehen, von der kleinen Nussschale, bis zum großen Dampfer. Für uns haben wir festgestellt, dass All-in-One-Lösungen, die Datenerhebung, Datenaufbereitung und –Analyse sowie Visualisierung umfassen, zumeist nicht die besten Ergebnisse liefern. Wenngleich es charmant ist, dass alle Elemente perfekt aufeinander abgestimmt sind, gehen erhebliche Einbußen in der Flexibilität damit einher. Das betrifft zunächst die Datenquellen. Wir stellen immer wieder fest, dass sobald mit einem Dashboard gearbeitet wird, gerne ergänzende Informationsquellen integriert werden. Das können bei Marken-Trackings Werbe-Spendings oder bei Kundenzufriedenheitsbefragungen ergänzende Zielgruppeninformationen sein. Ist das System hier starr auf selbst erhobene Umfragedaten begrenzt, können Daten weder hinzugefügt, noch sinnvoll in Bezug zueinander gesetzt werden.
Wahr ist das auch für die Analyseebene: Während jedes gängige Tool auf dem Markt über Möglichkeiten der deskriptiven Analyse im Sinne von einfachen Häufigkeitsauszählungen und Mittelwerten verfügt, kann es danach schnell dünn werden. Um hier nicht einen hohen Automatisierungsgrad mit einer geringen analytischen Tiefe abwägen zu müssen, empfiehlt sich ein dezidierter Analytics-Layer, der mit den Anforderungen wachsen kann. Somit lassen sich auch komplexere, multivariate Verfahren umsetzen. Besonders viel Bewegung ist derzeit im Bereich der automatischen Text-Analysen, die bei Online-Dashboards einen großen Nutzen stiften. In diesem Bereich sind insbesondere die Technologie-Giganten wie Google, Microsoft, Amazon und IBM aktiv. Daher macht es Sinn, sich die Option offen zu halten, jeweils die Analyselösung anwenden zu können, die derzeit die besten Ergebnisse produziert.
Und zuletzt hat diese Entscheidung auch eine strategische Dimension. Die genannten Module interoperabel zu gestalten und trotzdem zu separieren, bedeutet einerseits schnellere Reaktionsmöglichkeiten auf ein sich änderndes Marktumfeld: eine Text-Analyse-Lösung lässt sich schneller austauschen als eine komplette Umfrage-Plattform, zusätzliche Daten können schneller Wirkung entfalten, wenn nicht das Gesamtsystem angepasst werden muss. Andererseits wird so auch ein Lock-in vermieden, da ein Modul-Wechsel eben schmerzloser möglich ist als der Wechsel des Gesamtsystems.
Anforderungen an die Datenspeicherung frühzeitig klären
Nicht erst in Zeiten der DSGVO spielt auch die Speicherung der Daten eine wichtige Rolle. Erfahrungsgemäß kann für nahezu alle Anforderungen, häufig Hosting in Deutschland in zertifizierten Rechenzentren, eine geeignete Lösung gefunden werden. Projekte können sich aber signifikant verzögern, falls auf Kundenseite Datenschutzbeauftragte oder IT-Abteilung zu spät an den Tisch geholt werden. Damit empfiehlt es sich nicht, möglichst lange unter dem Radar zu fliegen, sondern frühzeitig Anforderungen zu definieren und diese von Beginn an zu beherzigen.
Und jetzt? Wie starte ich mit Dashboards durch?
Schreiben kann man natürlich vieles, doch nichts ist lehrreicher als ein Pilot-Projekt. Ob das eine betont kleine Studie ist, oder doch das ambitionierte Multi-Country-Tracking, ist eine Abwägungsentscheidung. Als Proof of Concept eignen sich kleinere Projekte selbstverständlich sehr gut, um ohne Druck erste Erfahrungen zu sammeln, die in Folge-Studien ungemein wertvoll sind. Allerdings sollte beachtet werden, dass zumindest zu Beginn nicht jedes Projekt gleichermaßen von einem Dashboard profitiert – eben weil der gewohnte Weg über PowerPoint eingespielter ist und bei 400 Fällen und 5 Fragen niemand Nachfragen stellt, die ein live-verfügbares, interaktives Dashboard erfordern. Das alles spricht für größere oder wiederkehrende Projekte, auch wenn die Lernkurve steiler ist, eine höhere organisatorische Komplexität besteht und der Erfolgsdruck wächst.
Am Ende muss die Entscheidung davon abhängig gemacht werden, ob das Dashboard einen glaubhaften Nutzen stiftet. Neben dem richtigen Projekt zum Start, ist dabei ebenso entscheidend, dass das Dashboard innerhalb des Projekts einen festen Platz und Sinn hat – ob als ergänzende Information für Deep Dives ist, oder als einziger Quell der Weisheit.
Die Autoren:
Lea Margarete Schlue (M.A. Communication Theory and Research) ist als Visual Data Scientist verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung von interaktiven Online-Dashboards bei SKOPOS. Dabei verbindet sie ihren starken empirischen Hintergrund mit ihrer Vorliebe für Kunst & Design.
Sebastian Schmidt (M.A. Digital Business Management) arbeitet seit 2007 bei SKOPOS und ist in seiner Rolle als Director Research & Development für Innovationen innerhalb des Unternehmens verantwortlich. Sein besonderes Interesse gilt der Anwendung neuer Technologien für die Marktforschung.
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