Martins Menetekel Keine allzu guten Nachrichten!

Die Inzidenzen und alle damit zusammenhängenden Kennziffern steigen unaufhaltsam. Darunter auch die Zahl der derzeit Infizierten und die Zuwächse der an oder mit COVID-19 Gestorbenen. Der Reproduktionsfaktor R(t) scheint erneut zu wachsen, so die heutige Analyse des Mathematikers Martin Lindner.

Kolumne Lindner: Keine allzu guten Nachrichten! (Bild: Lindner)

Wenn der Reproduktionsfaktor R(t) steigt

Dabei waren wir bis Mai/Juni auf einem guten Weg, der Pandemie den Garaus zu machen. Wer jetzt den Wettlauf gewinnt, das Virus mit seinen Varianten oder die Behörden mit Gegenmaßnahmen und die Ärzte mit Impfungen und Isolierstationen, ist nach meiner Analyse völlig offen.

Es konnten sich zu viele Viren in zu vielen Gegenden der Welt verbreiten. Auch klingen die Nachrichten aus Israel schlecht, dass die Impfungen nur einen Bruchteil der Geimpften vor Ansteckung und Weiterverbreitung des Virus schützen.

Letzte Woche haben wir den Reproduktionsfaktor R(t) untersucht. Er scheint zu wachsen, wie die folgende Grafik zeigt:

Besteht ein Hoffnungsschimmer?

Ich lege heute den Schwerpunkt auf das q(t), das ist die dicke fette schwarze Kurve der vorherigen Grafik, extrem geglättet. Die Glättung ist wichtig, denn sowohl R als auch q sind eher träge Parameter der Seuche. Dass R(t) so wackelig aussieht, liegt eher an der Erfassung der Daten als am Virus.

Zur Erinnerung die Definition von q(t): Es ist der gemittelte Quotient aus den Zuwächsen der Fallzahlen: q(t) = Wurzel aus N’(t+1)/N’(t-1). Die grüne Gerade nähert q(t) an. Die Gleichung der grünen Gerade : 1,05046 - 0,000 14*t mit Mittelwert 1,048.

Der einzige Hoffnungsschimmer: Sie fällt ganz leicht ab mit einem Gefälle von -0,000 14. Das ist zu wenig für eine Kehrtwende und erst recht zu wenig für Verhulst. Deshalb zeige ich nur die Zuwächse mit exponentieller Referenzkurve:

Es sieht nicht nach einem Wendepunkt aus. Man kann erkennen, in welchem Maße die Zuwächse gestiegen sind, auf das über Achtfache des Standes im Juni! Wenn Grün leicht fällt, so auch der Logarithmus davon und damit ist in der Gleichung  N’(t) = k(t)*N(t) das k(t) auch leicht monoton fallend. Allerdings nicht linear. Der Grund:

Das Fallen wird im Wesentlichen durch die Impfungen bewirkt. Derzeit werden über 250000 Einwohner jeden Tag zusätzlich durch die Zweitimpfung geschützt. Davon ist ein großer Anteil immun. Falls dieser gleich bleibt, vermindert er die für das Virus zugängliche Nährlösung, sprich die nicht-immunen Menschen. Deshalb wird der Prozentsatz 'Neuimmun' zu 'Nichtimmun' jeden Tag etwas größer, ein nicht linearer Effekt.

Diesen greift Verhulst so überaus elegant auf: N’(t) = k*N(t)*(1-N(t)/S) = k*(1 - N(t)/S) * N(t).  k*(1-N(t)/S) verringert mit jedem Tag, an dem N(t) wächst, den Proportionalitätsfalktor N’(t)/N(t) , das kleine k , dem Logarithmus Naturalis von q. Der Mittelwert der grünen Gerade ist 1,04800, das q aus der exponentiellen Referenzkurve heißt  b und es ist b = 1,04801 .

Eine tolle Übereinstimmung, obwohl nach verschiedenen Methoden berechnet!

Hier die kumulierten Fallzahlen:

Man kann gut sehen, dass die Exponentialkurve ab August etwas über den Fallzahlen liegt. Das muss sie auch, denn sie hat ja eine konstante Basis.

Ich hoffe, bis zum nächsten Beitrag eine Verhulstkurve präsentieren zu können. Bis dahin sollte sich die Seuche entschieden haben, ob R weiterwächst, und damit auch q und damit eine hyperexponentielle Verhulstannäherung die neue Referenzkurve sein wird oder, ob q(t) weiter und sogar stärker fällt, dann gibt es wieder eine obere Schranke S. Derzeit wechselt S dauernd sein Vorzeichen, kein gutes Zeichen für ein Ende des Wachsens der Zuwächse.

Fazit:
Ohne Beibehalten der Einschränkungen kriegen wir weder R noch q stabil unter die 1 .

Bleiben Sie gesund!

Über den Autor

Martin Lindner
Martin Lindner ist promovierter und habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand und beschäftigt sich intensiv mit nachhaltiger Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Lebensformen. Zusätzlich hat er eine Ausbildung und auch Berufserfahrung in Wirtschaftsmediation.

 

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