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Frauen in der Marktforschung "Junge Fachkräfte lassen sich nicht nur mit Gehalt, sondern besonders über Vereinbarkeitsangebote ansprechen"

marktforschung.de: Als Unternehmerin und mehrfache Gründerin: Leider sind die meisten Frauen in Sachen Selbständigkeit immer noch zögerlich. Woran liegt das und wie könnte man dem entgegenwirken?
Sophie Karmasin: Das ist eine komplexe Herausforderung und ein Thema, das mir selbst sehr am Herzen liegt. Frauen sind in vielen Bereichen besser ausgebildet als Männer, aber ihr Anteil bei Start-Ups liegt in Österreich unter 10 Prozent, ebenso wie im Top-Management. Das ist nicht nur ökonomisch falsch, sondern auch gesellschaftspolitisch. Die Ursachen sind mannigfach und verstärken sich leider gegenseitig: Traditionelle Geschlechterstereotype bei Männern und Frauen, immer noch zu wenig Angebote für Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zu wenig Väterbeteiligung bei Hausarbeit und Kindererziehung. Aus all diesen Rahmenbedingungen entsteht verständlicherweise auch manchmal geringes Selbstbewusstsein von Frauen. Wir brauchen ein umfassendes politisches Bekenntnis mit einem Maßnahmenprogramm, um diese Situation in Österreich zu verbessern. Der Einzelne kann aber in seinem Umfeld auch genug verändern: Buben und Mädchen gleich erziehen, Mädchen für MINT-Fächer begeistern, Burschen für Sozialberufe, MitarbeiterInnen fördern, sich als Vater zeitlich mehr engagieren und als Frauen zusammenhalten.
marktforschung.de: Sie haben zwei Söhne. Wie haben Sie und Ihr Mann Beruf und Familie in Einklang gebracht?
Sophie Karmasin: Ich habe einen Mann und eine Familie, die mich sehr unterstützt haben. Für mich war immer klar, dass ich meine Interessen nicht aufgeben will, weil ich Kinder habe. Das ist auch gar nicht nötig, man muss es nur gemeinsam als Paar wollen und sich von tatsächlich stressigen Situationen nicht abbringen lassen. Aber Vereinbarkeit von Beruf und Familie könnte noch so viel einfacher, günstiger und entspannter gehen. Dann würden auch die Nachteile von Frauen im Beruf reduziert werden.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie könnte noch so viel einfacher, günstiger und entspannter gehen. Dann würden auch die Nachteile von Frauen im Beruf reduziert.
marktforschung.de: Als Bundesministerin haben Sie sich sehr für den Ausbau der Kinderbetreuung und die Erhöhung der Väterkarenz eingesetzt und beraten heute Unternehmen auch in Sachen Familien- und Frauenfreundlichkeit. Zu welchen Maßnahmen raten Sie Ihren Kunden und wie schwer tun sie sich bei der Umsetzung?
Sophie Karmasin: Familienfreundlichkeit in Unternehmen kann sehr vielfältig sein: Für ein Unternehmen passt der Betriebskindergarten, für das andere ein Frauenförderprogramm. Die Maßnahme muss jedenfalls immer zur Identität eines Unternehmens passen, das ist entscheidend, um bei BewerberInnen erfolgreich zu sein. Und die Maßnahmen müssen nach außen transportiert werden und nach innen gelebt werden. Nur so entsteht eine Marke bei Kunden, MitarbeiterInnen und BewerberInnen.
Maßnahmen zur Familienfreundlichkeit in Unternehmen müssen nach außen transportiert und nach innen gelebt werden.
Kurzfristig wird die unternehmerische Notwendigkeit für Familienfreundlichkeit deutlich, wenn es um den Kampf um die besten Köpfe geht: Denn junge Fachkräfte lassen sich nicht nur mit Gehalt, sondern besonders über Vereinbarkeitsangebote ansprechen.
marktforschung.de: Ihr Tipp, um sich als Frau gegen allzu gestrig denkende Männer durchzusetzen?
Sophie Karmasin: Da gibt es leider kein Patentrezept. Jedenfalls nicht unterkriegen lassen, sich zu Wort melden, immer gut vorbereitet sein, hart argumentieren und sicher nicht nachgeben, auch wenn es unangenehm ist. Wichtig ist es, sich mit Gleichgesinnten – Männern wie Frauen – zu verbünden und sich gegenseitig zu unterstützen. Oft hilft aber auch Humor.
marktforschung.de: Was halten Sie von Quotenregelungen?
Sophie Karmasin: Viel. Denn nur mit Quoten wird sich etwas verändern, Unternehmen müssen dann umdenken und anders entscheiden, um ihre Muster und Gewohnheiten zu durchbrechen. Es gibt genügend qualifizierte Frauen, manchmal muss man sie etwas langfristiger suchen oder aufbauen. Die ewigen Bedenken, "dass sich gute Frauen schon durchsetzen werden und man doch als Frau keine Quotenfrau sein will" kann ich nicht nachvollziehen. Da macht man es sich zu einfach. Denn es dauert schon zu lange, dass Frauen und Männer in allen Lebensbereichen dieselben Chancen haben.
marktforschung.de: Gab es eine Person, die Sie bei Ihrem Werdegang gefördert hat? Vielleicht sogar eine(n) Mentor/-in? Oder ein Vorbild?
Sophie Karmasin: Meine Eltern haben mich immer gefördert, vor allem weil sie mir alle Freiheiten gegeben haben. In allen beruflichen Phasen gab es Menschen, die ich sehr geschätzt habe, von denen ich mir viel abgeschaut habe. Aber letztendlich habe ich immer ganz persönlich mit meiner Familie entschieden, welcher nächste Schritt sinnvoll erscheint.
marktforschung.de: Wo holen Sie sich neue Inspirationen für den Job?
Sophie Karmasin: Beim Reisen, beim Lesen, beim Diskutieren mit unterschiedlichen Menschen.
marktforschung.de: Bleibt Ihnen neben der Arbeit und der Familie noch Zeit für andere Dinge? Was ist Ihnen da besonders wichtig?
Sophie Karmasin: Nur wenn auch noch Zeit für andere Dinge und Interessen ist, kann man beruflich gut sein. Jetzt nach der Politik schätze ich es sehr, über meine Zeit selbst entscheiden zu können. Ich verbringe genug Zeit mit meiner Familie, wir kochen und essen gerne gemeinsam, reisen viel. Und ich laufe gerne und genieße die Natur. Den Aufbau meines neuen Unternehmens betrachte ich nicht als Arbeit, es macht sehr viel Freude.
marktforschung.de: Vielen Dank für das spannende Gespräch!
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