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Interview mit Wilhelm Kampik (GIM - Gesellschaft für Innovative Marktforschung)

Wilhelm Kampik ist Managing Director der GIM - Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH.
marktforschung.dossier: Herr Kampik, die GIM ist bekannt für interdisziplinäre Forschungsansätze. Wie verteilt sich in etwa das Verhältnis zwischen qualitativer und quantitativer Forschung in Ihrem Hause?
Wilhelm Kampik: In der GIM sprechen wir inzwischen von Transdisziplinarität – das heißt die Verschränkung von Perspektiven aus unterschiedlichen Disziplinen, um so die Entwicklung passender Lösungen für jede Fragestellung zu ermöglichen. In der GIM arbeiten Psychologen, Sozial- und Kulturwissenschaftler, Linguisten, Ethnologen, Wirtschaftswissenschaften und viele andere mehr. Diese Verschränkung und dieses über den Tellerrand schauen galt innerhalb der qualitativen GIM-Forschung schon seit der Gründung 1987. In den späten 90er Jahren war die logische Weiterentwicklung dieser Perspektive die Öffnung zur quantitativen Marktforschung. Dieses integrative Angebot stieß auf sehr hohe Resonanz - es gibt keine zwei Welten mehr, dort die qualitative und dort die quantitative, sondern Lösungen aus einer Hand.
Ein Beispiel für diese Verschränkung: Qualitative Marktforschung verleiht quantitativen Zielgruppensegmentierungen eine zusätzliche Sinn- und Bedeutungstiefe und erleichtert die Umsetzung in die Praxis.
marktforschung.dossier: Lässt sich beziffern, welchen Umsatzanteil die qualitative Forschung in Ihrem Hause ausmacht?
Wilhelm Kampik: Die GIM ist als 1987 als qualitatives Institut gestartet, und hat auch noch einen starken qualitativen Kern. Eine strikte Trennung zwischen qualitativer und quantitativer Marktforschung ist gar nicht mehr möglich, da wir immer mehr in integrierten, mehrphasigen Projekten arbeiten. Wir können aber sagen, dass wir auf der Umsatzebene inzwischen ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Qualitativer und Quantitativer Forschung haben.
marktforschung.dossier: "Viel Ruhm, wenig Geld" – mit einer solchen Schlagzeile könnte man qualitative Forschung überspitzt formuliert assoziieren. Was ist insbesondere vor dem allenthalben gestiegenen Kostendruck notwendig, diesen Forschungszweig rentabel zu halten?
Wilhelm Kampik: Qualität in der qualitativen Marktforschung hat ihren Preis und ist mit Herzblut verbunden, sie ist nur möglich mit intrinsisch motivierten Forschern. Qualitative Marktforschung widerspricht überehrgeizigen Renditezielen internationaler Ketten. Wir als inhabergeführtes Institut können und wollen uns unsere forscherische Neugier weiter leisten.
marktforschung.dossier: Stichwort "Internationale Skalierbarkeit": In Ihrer Jubiläumsstudie zum neu entwickelten Marken-Zielgruppen-Modell werden Erhebungen und Analysen in insgesamt 11 Ländern durchgeführt – sowohl quantitativ als auch qualitativ. Wo sehen Sie die besonderen Herausforderungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der in den verschiedenen Ländern erhobenen Daten?
Wilhelm Kampik: Drei Punkte möchte ich hier nennen, die unsere Grundlage für Skalierbarkeit und Vergleichbarkeit sind: Erfahrung, Datenqualität und kultursensible Interpretation.
Seit sieben Jahren haben wir eine konstante Quote von 50% internationalen Projekten – sowohl in der der rein qualitativen Forschung als auch in den integrierten mehrphasigen Projekten; aber internationale qualitative Großprojekte haben eine noch längere Tradition bei der GIM, beginnend mit der Jahrtausendwende, als wir in zahlreichen Grundlagenstudien in Russland und Zentralasien den postsowjetischen Konsumenten qualitativ exploriert und segmentiert haben – mit hunderten von Tagebüchern, Bewegungsmustern und ethnographischen Beobachtungen. Heute forschen wir in 40 Ländern, mit den Schwerpunkten Westeuropa, Russland, Türkei und die BRIC Länder.
Die große Herausforderung besteht in der Tat darin, die Daten und Ergebnisse auf verschiedenen Ebenen vergleichbar zu halten: Das beginnt mit der Validität der Daten, die ja z.T. unter den unterschiedlichsten logistischen Voraussetzungen erhoben werden müssen. Hierzu ergreifen wir entsprechende Maßnahmen, rigoroses Qualitätsmanagement in der Datenerhebung ist dabei zentral.
Ein anderer wichtiger Aspekt ist die kultursensible Interpretation bis hin zur vergleichenden Integration im Reporting. Diese Aufgabe bewältigen wir mit einem systematischen Konzept kulturvergleichender Dateninterpretation. Unser Ansatz des Cultural Brokerage passt die angewandten Forschungsmethoden an ebenso wie die Interpretation der Ergebnisse dem kulturellen Kontext. So können wir auch bei großen kulturellen Unterschieden und großer Materialfülle klare Aussagen, spannende Insights und konkrete Ansatzpunkte liefern.
marktforschung.dossier: Wo würden Sie sagen liegen im Bereich qualitativer Forschung momentan die Schwerpunkte – sowohl aus Forscher - als auch aus Kundensicht?
Wilhelm Kampik: Erstens: Produktbezogene Forschung steht seit einiger Zeit im Kundenfokus, egal ob es dabei um Insight Generierung, Produktinnovationen, Produktfeatures oder Produktverwendung geht.
Leider kommt dabei das Thema Marke manchmal zu kurz. Dabei sind es gerade in heutigen Zeiten der Multioptionalität oft die Marken, die den Unterschied machen und die Entscheidungsprozesse bei Konsumenten entscheidend beeinflussen.
Zweitens: Seit 25 Jahre predigen wir die Wichtigkeit von Konsumkontexten – ethnographische Erhebung mit Tagebüchern, Bewegungsmuster in der Stadt, begleitetes Shopping. Nun erlauben es Internet und Smartphone, die ethnographische Erhebung des "moment of truth" auf eine neue Ebene zu heben. Selbstverständlich nutzen wir solche Tools sowohl in der qualitativen als auch in der quantitativen Forschung. Damit geht schließlich ein Traum sämtlicher Ethnographen in Erfüllung.
marktforschung.dossier: Worin sehen Sie die momentan größten Herausforderungen im Bereich qualitativer Marktforschung?
Wilhelm Kampik: Differenzierung zwischen echter Forschung und alltagsweltlichen Naivität ist eine große Aufgabe. Um sinngemäß mit Herrn Scheffler zu sprechen: Es gibt viel "pseudowissenschaftlichen Pfusch". Nicht überall, wo qualitative Forschung draufsteht, ist qualitative Forschung drin.
marktforschung.dossier: Gibt es Themen oder Branchen, die sich aktuell bei der Rekrutierung von Interviewpartnern beispielsweise für Gruppendiskussionen als besonders schwierig erweisen?
Wilhelm Kampik: Generell herrscht eine Bombardierung mit Umfragen im Alltag, eine Inflationierung von Feedbackschlaufen sowohl Online als auch im realen Leben. Dadurch beobachten wir eine Ermüdung. Das Bedürfnis, sich mitzuteilen, ist durch dieses direkte "Customer-Feed-back" weitgehend gedeckt.
Auch haben manche Konsumthemen an Faszination verloren. Das Automobil z.B. hat einen anderen Stellenwert als vor 20 Jahren, die Rekrutierung für Car Clinics ist komplizierter geworden. Es bedarf daher der besonderen Motivierung der Gesprächspartner – und zwar nicht nur über das Honorar. Nur wenn wir die Gesprächspartner auch schon im Vorfeld davon überzeugen können, dass die Teilnahme an einer Studie nicht nur Spaß macht - und das tut sie zumindest bei uns immer! - , sondern sie als Konsumenten letztendlich auch einen Vorteil davon haben, können wir intrinsisch motivierte und aktive Gesprächspartner gewinnen. Über einen entsprechenden Qualitätsprozess in der Rekrutierung nehmen wir diese Herausforderung an und am Ende sitzen auch die richtigen Leute am Tisch. Aber diese Qualität hat ihren Preis.
marktforschung.dossier: In einem Interview, das wir Anfang 2010 geführt haben, haben Sie die Entwicklung qualitativer Instrumente für den Online-Bereich angekündigt. Wie stark kommt das Medium Internet mittlerweile bei qualitativen Erhebungen in Ihrem Hause zum Einsatz? Und wie hoch ist die Akzeptanz – sowohl aus Teilnehmer - als auch aus Kundensicht?
Wilhelm Kampik: Wir haben GIM Connect erfolgreich gelauncht und verfügen damit über eine integrative Plattform mit Mehrwert gegenüber dem, was auf dem Markt aktuell erhältlich ist. Wir entscheiden für jede Fragestellungen wieder neu, welcher Erhebungskanal sich anbietet. Wir machen kein Online, weil das im Trend ist, sondern da wo es sich methodisch anbietet – zum Beispiel wegen des spielerischen, intuitiven Charakters oder wo die Vergemeinschaftung und der Austausch in Langzeit-Communities methodisch sinnvoll ist. So haben wir z.B. einem Innovationsprozess zu Insights im Versicherungswesen alle Vorteile von Langzeitdiskussionen im Onlinebereich genutzt, um zu neuen Insights zu kommen, die nach zwei Stunden Einzelexplorationen oder vier Stunden Konsumentenworkshop eben noch nicht vorliegen, weil es einen Reflexions-Vergemeinschaftungs- und Reifungsprozess braucht, und die Teilnahme darüber hinaus ja deutlich stärker im Alltag eingebettet bleibt als bei vergleichbaren Studio-Erhebungen. Die Akzeptanz bei Kunden und Konsumenten ist unserer Erfahrung nach sehr hoch. Trotzdem ist die Mehrzahl unserer qualitativen Studien immer noch rein offline. Offline wird mit Sicherheit nicht aussterben.
marktforschung.dossier: Herr Kampik, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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