Betriebsräte in der Marktforschung Interview mit Kerstin Döpfert (ver.di) und Dr. Stephan Tregel (TNS Infratest)

Kerstin Döpfert, ehemalige GfK-Betriebsrätin und heute in der Bildungsberatung bei ver.di b+b, und Dr. Stephan Tregel, Vorsitzender des Eurobetriebsrats von TNS Infratest und im FAMS-Prüfungsausschuss, betreuen gemeinsam mit Peter Kölbl, teilfreigestellter Betriebsrat bei der GfK SE, den "brafo", den Betriebsrätearbeitskreis Marktforschung. Der Arbeitskreis trifft sich seit fast 25 Jahren und setzt sich zusammen aus Betriebsratsmitgliedern der großen Marktforschungsinstitute – darunter GfK SE, TNS Infratest, The Nielsen Company, IMS Health, Ipsos GmbH und Symphony IRI Group GmbH. Gerade hat Ende April das letzte Treffen stattgefunden.

Kerstin Döpfert (ver.di), Stephan Tregel (TNS Infratest)

marktforschung.dossier: Frau Döpfert, Sie organisieren bei ver.di b+b für den Betriebsräte-Arbeitskreis Marktforschung Seminare und waren früher Sprecherin des Arbeitskreises. Wie ist er entstanden und was ist sein Ziel?

Kerstin Döpfert: Wir haben in den einzelnen Instituten erkannt, dass wir nur stark sind, wenn wir die Arbeitsbedingungen der anderen Institute kennen und gemeinsam versuchen, Standards zu entwickeln. Wie die Firmenchefs im Rahmen ihres Verbandes ADM ihre Interessen abstimmen, so tauschen die Betriebsräte am Rande ihrer Seminare Informationen und Erfahrungen aus und sind damit nicht mehr so einfach mit Chef-Argumenten wie "Das gibt es auch bei der GfK nicht" bzw. "das machen die bei TNS Infratest auch so" zu beeindrucken. Jenseits der Konkurrenz ihrer Unternehmensleitungen haben die Betriebsräte ihre Forderungen, Argumente und Aktionen zu Gehaltsfragen, Arbeitszeitregelungen, Sozialleistungen und sozialversicherungsrechtlichen Fragen ( z. B. "Scheinselbständige") miteinander abgestimmt und damit ihre Position "zu Hause" gestärkt. Auch schafft der persönliche Kontakt die Möglichkeit, sich auch unter der Zeit schnell auszutauschen.

marktforschung.dossier: 25 Jahre sind eine lange Zeit: Gibt es Ihrer Meinung nach Meilensteine, die in dieser Zeit erreicht wurden?

Kerstin Döpfert: In der Vergangenheit haben wir bereits eine bundesweite Befragung zum Themenkomplex "Arbeitszeit" durchgeführt, welche uns wichtige Erkenntnisse gebracht hat, in allen Instituten zu veränderten Betriebsvereinbarungen geführt hat und letztendlich die unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Instituten näher zusammen gebracht hat. Das Gleiche gilt für Entgeltstrukturen.

marktforschung.dossier: Was sind die aktuellen Themen beim Arbeitskreistreffen gewesen, das gerade stattgefunden hat?

Stephan Tregel: Das Thema, das wir aktuell gemeinsam angehen, ist die vom Arbeitgeber durchzuführende Gefährdungsbeurteilung unter besonderer Berücksichtigung von psychischen Belastungen. Darüber hinaus soll das Thema "Weiterbildung" gemeinsam angegangen werden.

marktforschung.dossier: Wie viele Teilnehmer aus welchen Instituten waren dabei?

Kerstin Döpfert: Bei unseren Seminaren sind immer zwischen 8 bis 16 Teilnehmer anwesend. Im wesentlichen sind die o.g. Institute vertreten.

marktforschung.dossier: Werden bei solchen Treffen auch gemeinsame Beschlüsse gefasst, die evtl. auch in den Unternehmen umgesetzt werden?

Stephan Tregel: Beschlüsse kann dieser Kreis nicht fassen, aber gemeinsame Verabredungen treffen, die dann in den einzelnen Gremien vor Ort besprochen und größtenteils auch umgesetzt werden.

marktforschung.dossier: Was sind die besonderen Arbeitsbedingungen der Marktforschungsbranche? Und gibt es spezielle Herausforderungen für die Zukunft?

Stephan Tregel: In dieser Zusammenarbeit haben die mafo-Betriebsräte gelernt: Bei allen Besonderheiten der einzelnen Unternehmen gibt es einige typische Probleme, die wir alle mehr oder weniger gemeinsam haben. Die Marktforschungsfirmen haben schon seit Jahrzehnten Arbeitsverhältnisse entwickelt und gepflegt, die in den letzten Jahren unter dem Label "new economy" in Mode kamen: Ein hohes Maß an selbstständiger Gestaltung der Arbeit und relativ gute Aufstiegschancen für einen Teil der Belegschaft. Für die meisten Kolleginnen und Kollegen ist jedoch maßlose Überarbeit in vielen Bereichen und enorme Arbeitsverdichtung Realtät.

Durch das Fehlen eines Branchentarifvertrags sind dazu die jeweiligen Betriebsräte immer wieder damit beschäftigt, sich um bessere Arbeitszeitregelungen und betriebliche Gehaltsregelungen zu kümmern

marktforschung.dossier: Wie viele Institute haben in Deutschland einen Betriebsrat?

Kerstin Döpfert: Die großen Institute haben mittlerweile alle Betriebsratsstrukturen, d. h. Betriebsräte vor Ort, die sich dann je nach Firmenkonstrukt noch in einem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bis hin zum Europäischen Betriebsrat oder SE-Betriebsrat zusammengeschlossen haben. Bei den anderen Instituten gibt es nur selten Betriebsräte. Wir haben zwar zu einigen Kontakt, aber der ist mehr über ver.di und die örtlichen Fachgruppen organisiert.

marktforschung.dossier: Wie steht es um den Ausbildungsberuf FAMS?

Stephan Tregel: Beim Ausbildungsberuf Fachangestellter für Markt- und Sozialforschung (FaMS) hat der Arbeitskreis bei der Gestaltung des Berufsbilds, des Rahmenausbildungsplans, der Bestellung von Prüfungskommissionen und Erarbeitung von Prüfungsanforderungen und -fragen tatkräftig mitgearbeitet. Er hat zu dem einen Ausbildungstarifvertragsentwurf erarbeitet, der als Grundlage für Betriebsvereinbarungen bei verschiedenen Marktforschungsinstituten diente. Leider gibt es hier immer wieder Probleme durch die Arbeitgeber bei Einführung eines bundesweiten Branchentarifvertrages, der unter anderem die Entgelte regeln soll. Doch langfristiges Ziel der mafo-Betriebsräte muss es sein, die Bedingungen in der Branche durch einen Tarifvertrag abzusichern.

marktforschung.dossier: Frau Döpfert, warum sind Sie seinerzeit Betriebsrätin geworden und was hat Sie später an der Tätigkeit bei ver.di b+b gereizt?

Kerstin Döpfert: Ich habe die Notwendigkeit erkannt einen Betriebsrat zu haben. Ich bin dann auch sehr schnell in die Freistellung und habe mich voll und ganz der BR-Tätigkeit gewidmet. Dass ich zum Bildungsträger von ver.di gewechselt bin, hat damit zu tun, dass ich nochmals eine neue Herausforderung wollte. b+b war mir auch sehr gut bekannt, da ich parallel zu meiner BR-Tätigkeit bei der GfK auch Seminare für Betriebsräte gehalten habe. 

Und das eine schließt das andere nicht aus: Aktuell bin ich gerade in den BR von ver.di b+b gewählt worden und bin dort Vorsitzende.

marktforschung.dossier: Frau Döpfert, Herr Dr. Tregel, herzlichen Dank für dieses Gespräch!

 

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