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Interview mit Christina Eisenschmid, Managing Director der Psyma Research+Consulting

Christina Eisenschmid ist Managing Director der Psyma Research+Consulting GmbH und leitet die Geschäftsbereiche Automotive und Finance.
marktforschung.dossier: Frau Eisenschmid, Psyma ist schon seit rund einem Vierteljahrhundert in der Automobilindustrie aktiv. Was, würden Sie sagen, waren in dieser Zeit die signifikantesten Veränderungen am Markt?
Christina Eisenschmid: Das Automobil ist nach wie vor eine der wichtigsten emotionalen Projektionsflächen für Prestige, Vitalität, Freiheit, Abenteuer oder Individualismus – deshalb lieben Forscher und ihre Zielpersonen dieses Thema besonders. Daran hat sich glücklicherweise in den letzten Jahrzehnten nichts geändert.
Signifikante Marktentwicklungen – um nur einige zu nennen – waren sicher die zunehmende vertikale und horizontale Produkt-Proliferation der Hersteller, das Internet und der Boom moderner Kommunikationstechnologie, das plötzliche Gewicht und die rasante Weiterentwicklung des chinesischen Markts, alternative Antriebe und natürlich auch ganz neue Mobilitäts-Konzepte.
Der Trend zur Erweiterung des Produkt-Portfolios, um Kunden zu loyalisieren und zusätzliche Marktanteile zu erobern, hat aktuell nicht an Dynamik eingebüßt und wird auch im Ultra Luxury Segment verstärkt als Hebel genutzt. Für uns Forscher impliziert dies, dass die vernetzte Betrachtung des Marken- und Produktportfolios an Relevanz gewinnt. Die moderne und mobile Kommunikationstechnologie hat Ansprüche der Autokäufer rund um das Thema Connectivity geweckt und Apple hat hier als Lead Brand Benchmarks bei Design und dem Joy of Use generiert, die uns im automobilen Kontext immer wieder als übergreifende Erwartungshaltung genannt werden.
Das Internet hat das Informationsverhalten in allen Phasen des Kaufprozesses revolutioniert und ganz neue Optionen für einen direkten Dialog mit - potenziellen - Kunden und damit für echtes Beziehungs-Marketing geschaffen.
China war natürlich vor 25 Jahren kein Thema – das hat sich drastisch geändert: Es gibt kaum noch ein internationales Forschungsprojekt ohne China, und es ist interessant zu sehen, wie die Autokäufer dort quasi im Zeitraffer das automobile Anspruchsniveau der westlichen Hemisphäre erreicht haben. Mit alternativen Antrieben beschäftigt sich die Automobilindustrie schon sehr lange, aufgrund von politischen Zielsetzungen und vor allem der "Erotisierung" eines nachhaltigen Lebensstils durch prominente Vorbilder in den USA, ist in den letzten Jahren Schwung in die Thematik gekommen – auch wenn sich die Zulassungszahlen von Hybrid- oder Elektrofahrzeugen noch nicht mit dem verbal geäußerten Interesse an nachhaltiger Mobilität decken.
Vor allem in Ballungsräumen bieten Automobilhersteller und andere Unternehmen jetzt automobile Mobilität on demand an - DriveNow, car2go oder flinkster, um nur einige zu nennen. Renommierte Beratungsgesellschaften prognostizieren für urbane Lebensräume mit guter verkehrstechnischer Infrastruktur einen Rückgang des Traums vom eigenen Auto hin zu bedarfsorientierter Mobilität - damit werden Autohersteller noch stärker zu Serviceunternehmen.
marktforschung.dossier: Welches sind Ihre Kernmärkte?
Christina Eisenschmid: Wir sind in ganz unterschiedlichen Märkten aktiv: Die Euro5, USA und China sind besonders oft am Start, aber auch Japan, Russland, Brasilien und die Emirate sind wichtige Länder für unsere Forschungsaufgaben. Unser Institut ist sehr international ausgerichtet und wir arbeiten kontinuierlich in multi-nationalen Research Teams an den Aufgabenstellungen unserer Auftraggeber.
marktforschung.dossier: Im Automobilbereich hat der Hersteller in den seltensten Fällen Kontakt mit dem Endkunden, das "Erleben" des Fahrzeugs und die Zufriedenheit mit einer Marke ist oft auch stark durch den Händler oder die Werkstätten geprägt – eine besondere Herausforderung für die Marktforschung?
Christina Eisenschmid: Nein, für die Marktforschung ist das keine Herausforderung, eher für die Hersteller. Trotz wachsender Bedeutung anderer Marken-Touchpoints, wie z.B. der Hersteller-Website, wird dem Händler nach wie vor eine besonders große Bedeutung als Repräsentant der Marke attribuiert – nicht umsonst führen fast alle Hersteller kontinuierliche Studien zur Zufriedenheit mit ihren Handelsorganisationen durch, die allerdings manchmal das Thema Brand Fit nur am Rande behandeln.
Die Marktforschung bietet ein breites Methodenspektrum, mit dem untersucht werden kann, wie sich der Kunde beim Händler fühlt und welches dort die Treiber für Marken-Loyalität, die Eroberung von Neugeschäft und eine überzeugende Vermittlung der Markenwerte sind. Wir haben in diesem Kontext auch sehr gute Erfahrungen mit speziellen qualitativen Erhebungsmethoden gemacht, z.B. um Prozesse zu beleuchten oder konkrete Maßnahmenkataloge zur Schulung des Personals zu erarbeiten.
marktforschung.dossier: Der Automobilmarkt ist weltweit hart umkämpft. Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach der Spielraum, in dem Marktforscher Unternehmensentscheidungen bei der Einführung neuer Fahrzeuge oder bei deren Vermarktung mitgestalten können?
Christina Eisenschmid: Zweifelsohne sehr groß – das sieht man allein schon daran, welche Budgets in Clinics oder UX-Formate fließen und welches Gewicht die Marktforschungsergebnisse dann am Ende des Tages für die Entscheidungsfindung haben. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir Projekte dieser Art schon einmal für die Schreibtisch-Schublade produziert hätten. Ganz im Gegenteil – der Umsetzungs-Bezug wird in der Regel sehr deutlich und schafft dadurch natürlich ein enormes Motivationspotenzial auf Seiten des Instituts.
marktforschung.dossier: In welchen Forschungsfeldern setzen Sie eher auf qualitative Methoden, in welchen auf quantitative?
Christina Eisenschmid: Wir sind keine themenbezogenen Methoden-Fetischisten, die grundsätzlich immer das eine oder das andere vorschlagen. Ein geplantes Modell-Stretching hat z.B. in Abhängigkeit von der jeweiligen Marke ganz andere strategische Implikationen. Von daher muss zunächst jede einzelne Aufgabenstellung im Detail analysiert und dann das optimale Methoden-Set konfiguriert werden. Um vernünftige Benchmarks zu generieren, macht es natürlich Sinn, bei Clinics ein Basis-Set an standardisierten Fragen zu verwenden – es muss jedoch gleichzeitig den Spielraum geben, fallweise sinnvolle zusätzliche Research-Module zu ergänzen. Grundsätzlich hat gute qualitative Forschung, die echte Insights zu vorbewussten Motivatoren und Barrieren liefert, fast immer ihre Berechtigung.
marktforschung.dossier: Nochmals Stichwort alternative Antriebskonzepte, den schon angesprochenen Wachstumsmarkt China, Fusionen großer Konzerne und Markensterben – welche Themen werden den Automotive-Markt aus Ihrer "Marktforschungs"-Sicht in den nächsten Jahren dominieren?
Christina Eisenschmid: Alle drei Themen werden relevant sein und sie sind es ja auch heute schon – inwieweit sie im Einzelnen dominieren werden, lässt sich schwer vorhersagen. China wird hoffentlich seine Bedeutung behalten – davon profitieren die Verkaufszahlen unserer heimischen Automobilindustrie doch erheblich.
Das Thema urbane Mobilität wird definitiv eine wichtige Rolle spielen – immer mehr Menschen werden in Mega Cities wohnen. Hier sind nicht nur ökologische Nachhaltigkeit und damit alternative Antriebskonzepte oder andere Formen der Mobilität relevant, sondern generell Kleinwagen. Aufgrund des begrenzten Raumangebots sind kleinere Fahrzeuge für städtische Individual-Mobilität besser geeignet und sie haben einen niedrigeren Kraftstoffverbrauch. Wie man zur Zeit auf der Messe in Paris sehen kann, werden diese Kleinwagen aber nicht nur auf ihre Rolle als Öko-Zwerge reduziert sein, sondern dem Trend zur Individualisierung entsprechend echte Lifestyle-Produkte werden. Hätte man sich vor 20 Jahren vorstellen können, dass es einen Kleinwagen mit integrierter Espresso-Maschine geben wird?
marktforschung.dossier: Wie wird die Marktforschungsbranche auf diese Entwicklungen reagieren müssen?
Christina Eisenschmid: Sich anpassen – so wie wir das immer getan haben. Ggf. regionale Ressourcen verstärken, themenspezifische Spezial-Teams bilden und vor allem unsere Rolle als Berater stärken. Erbsen-Zähler, die nur den Vertrieb von Tabellenbänden organisieren, werden keine Existenzberechtigung mehr haben. Forschung und Beratung für Automobilhersteller ist eine anspruchsvolle Aufgabe – fachlich und auch hinsichtlich Engagement und Flexibilität. Dieses Profil wird noch spitzer werden und verlangt nach dem leidenschaftlichen Automobil-Experten.
marktforschung.dossier: Wie groß ist Ihrer Einschätzung nach die Relevanz marktforscherischer Innovationen im Automotive-Bereich?
Christina Eisenschmid: Wir sollten immer über neue Möglichkeiten der Informationsgewinnung nachdenken – nur ganz ehrlich: Etwas originär Neues habe ich in unserer Branche noch nicht gesehen. Dass wir unsere Erhebungsinstrumente dem Stand der aktuellen Kommunikationstechniken und -gewohnheiten anpassen, ist das Mindeste, was unsere Auftraggeber von uns verlangen können. Und auch thematisch und methodisch sehe ich vor allem Derivate bewährter Verfahren mit meist identischem Erkenntniswert.
Das Kernziel von Marktforschung ist es, möglichst nahe an die wahren Einstellungen, Wünsche, Bedürfnisse oder Lebenskonzepte der (potenziellen) Käufer zu gelangen. Hier müssen wir immer auf der Suche nach neuen Ansätzen mit maximiertem Erkenntniswert sein – das kann auch das Revival einer traditionellen Methode sein, um z.B. die Poser-Mentalität und das kontinuierliche Eigen-Marketing in elektronischen Netzwerken zu durchbrechen.
Innovative Verfahren im Sinne einer unkonventionellen Herangehensweise sind in der Automobilbranche in jedem Fall gefragt, besonders bei Trendforschung, z.B. zu neuen Fahrzeug- oder Mobilitäts-Konzepten. Die Kreativität ist der entscheidende Faktor, gängige Aufgabenstellungen auch einmal anders angehen und über den Tellerrand blicken: das ist wichtig in unserer Branche, nicht nur bei Automobil-Kunden.
marktforschung.dossier: Frau Eisenschmid, vielen Dank für das Interview!
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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