Interview mit Prof. Dr. Klaus Kocks zur ÖVP-Korruptionsaffäre "Die Demoskopie ist eine Magd, die in der Wahl ihrer Herren nicht sehr wählerisch ist"

Prof. Dr. Klaus Kocks ist Kommunikationsexperte und freier Meinungsforscher. Aus seiner Sicht sind ähnliche Fälle wie die ÖVP-Korruptionsaffäre ohne Weiteres auch in Deutschland möglich. Den gezielten Einsatz von Umfragen zur Stimmungsmache hält er für die Regel, nicht die Ausnahme. Lesen Sie selbst seine Sicht auf die Geschehnisse in Österreich.

Interview Klaus Kocks OEVP Beitrag (Bild: Cato Sozietät)

Was sagen Sie insgesamt zu der Inseratenaffäre aus Sicht eines Kommunikationsprofis?

Klaus Kocks: Wenn die Vorwürfe stimmen, was ja noch zu beweisen ist, dann haben wir es mit einem publizistischen Problem zu tun. Eine Zeitung täuscht ihre Leser über das Wesen der von ihr verbreiteten Inhalte; Schleichwerbung oder verdeckte PR liegen in der Verantwortung der Journalisten, genauer gesagt der Verleger. Sowas passiert für mein Gefühl durchaus öfter und vielerorts.  

Das Beinschab Österreich Tool zeigt eindrücklich, was mit Umfragen und der entsprechenden Veröffentlichung alles in Gang gesetzt werden kann. Wie bewerten Sie die Macht von Umfrageergebnissen?

Klaus Kocks: Als Meinungsforscher bin ich sehr skeptisch, was solche Zuschreibungen von exorbitanter Wirkung angeht. Es gibt einen Einfluss von Demoskopie, ja, aber nur mit (!) einem Trend und in einer einheitlichen (!) Vielstimmigkeit, aber nicht durch ein einzelnes Institut und eine einzelne Umfrage. Im deutschen Markt würden hier sehr schnell die Wettbewerber wach und laut.

Sie sind schon lange im Geschäft und haben viel gesehen. Sind Ihnen in Ihrer Vergangenheit ähnliche Fälle bekannt, wo mittels Umfragen gezielt Politik gemacht wurde?

Klaus Kocks: Das ist ja nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Bei der Freunderlwirtschaft in Österreich ist das sprichwörtlicher, aber das Amikale blüht auch in Deutschland. Alle Institute haben ihre Agenda, auch jene, die das leugnen. Und es gibt natürlich eine Verschränkung mit Politik; aber die Verschränkung mit ökonomischen Interessen ist nach meiner Erfahrung stärker, insbesondere in den internationalen Konglomeraten. Die Demoskopie ist eine Magd, die in der Wahl ihrer Herren nicht sehr wählerisch ist. Diese Dienstbarkeit begleitet sie seit ihrer Gründung.

„Eine Hand wäscht die andere“ - sind Deals wie „Anzeigenschaltung“ vs. „redaktionelle Veröffentlichung“ nicht durchaus geläufig, auch in der deutschen Medienlandschaft?

Klaus Kocks: Die Bereitschaft der Verlage zu solchen Geschäften steigt mit deren wirtschaftlichen Problemen.  Die Trennung von Journalismus und PR ist ja durch die Verleger schon lange aufgehoben; hier hat man ein Geschäftsfeld für sich entdeckt. Ob man das dann so plump macht wie für Österreich behauptet oder gar in schlichter Korruption, also kriminell, das ist eine Frage der politischen Kultur, Stichwort Bananenrepublik. Man lässt sich hierzulande nicht so gern erwischen; das ist eine puritanische Lektion, die aus den USA kommt und „compliance“ heißt. Also: selten manifest, wenn dann okkult, sprich abwicklungstechnisch geschickter, so wäre meine Vermutung.

Halten Sie ähnliche Fälle wie jetzt in Österreich, auch in Deutschland für möglich?

Klaus Kocks: Das ist doch keine Frage des Nationalcharakters. Selbstverständlich: ja! Zumindest müssen wir auch hier als Bürger sehr genau hinschauen. Ein spezifisches Problem liegt allerdings darin, dass die Branche methodisch zunehmend verlottert und Sozialempirie eben nicht selbsterklärend ist. Da liegt eine Aufgabe für das Fach; wir müssen als Sozialwissenschaftler propädeutischer werden. Ich lese selbst in der FAZ epochale Dummheiten.

Über Klaus Kocks

Klaus Kocks, Geschäftsführender Gesellschafter – CATO Sozietät (Bild: Cato Sozietät)
Prof. Dr. Klaus Kocks (69 Jahre) ist Kommunikationsberater und Meinungsforscher. Er vertritt aktuell als Geschäftsführender Gesellschafter die CATO Sozietät für Kommunikationsberatung GmbH. Nach dem Abitur absolvierte er von 1970 bis 1976 ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, Germanistik und Philosophie an der Ruhr-Universität in Bochum. 1981 promovierte er dort summa cum laude und erhielt für seine Dissertation den Universitätspreis seines Jahrgangs. Kocks war mehr als zwei Jahrzehnte für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verschiedener Unternehmen in der Energiewirtschaft und der Automobilindustrie verantwortlich.

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