Spiegel Online: "Die Akte Marktforschung" Institute halten sich bedeckt

Die von Spiegel Online publizierten Vorwürfe zur Manipulation in der Marktforschung wiegen schwer. marktforschung.de bat nach dieser Berichterstattung die in direkter Verbindung mit Betrug stehenden Unternehmen ACE International und CSI International um Stellungnahme. Beide Firmen waren nicht zu erreichen. Aber auch andere angefragte Institute wollten dazu keine Stellung beziehen und wiegelten höflich ab.

Die erhaltenen Statements im Überblick:

Frank Luschnat, GIM:

"Wir sind überrascht und geschockt über die  betrügerischen Vorfälle, über die SPON berichtet. Sollten sie sich bewahrheiten, wäre das ein herber Rückschlag für die langjährigen Bemühungen um Qualität in unserer Branche. Wir sind aber auch überzeugt, dass es sich hierbei um  Einzelfälle handelt und nicht um ein flächendeckendes Phänomen. In der Marktforschung gelten klare Qualitätskriterien, an die sich die überwältigende Mehrheit der Akteure hält und die von Verbänden, Instituten und Kunden gleichermaßen eingefordert und auch – soweit möglich – überwacht werden. Pauschale Darstellungen werden dem Image unserer Branche schaden, ganz gleich, wie wasserfest die gemachten Vorwürfe am Ende im Einzelnen sein mögen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass die geschilderten Fälle nicht  auf die gesamte Branche hochgerechnet werden können. Dies wäre auch unfair gegenüber Tausenden von Interviewern und Millionen von Befragten, die täglich authentisch an Marktforschung teilnehmen. Datenerhebung im Rahmen von Forschungsprojekten ist harte Arbeit, aber das wird ja stellenweise auch so dargestellt in der Berichterstattung. Für uns gesprochen, praktizieren wir konsequente Qualitätssicherung entlang des Datenerhebungs-Prozesses, achten auf ein angemessenes Preisniveau sowie realistische Quotenvorgaben und möglichst realistische Timings."

Kai Hummel, GfK:

"Die Qualität unserer Daten, die wir für Studien unserer Kunden erheben, steht für uns an oberster Stelle. Daher arbeiten wir kontinuierlich daran, die bereits hohe Datenqualität sicher zu stellen. Diese hohen Ansprüche stellen wir nicht nur an uns selbst, sondern grundsätzlich auch an jegliche Dritte, mit denen wir zusammenarbeiten. "Manipulationen", "Täuschungen" und/oder die "Vorspiegelung falscher Tatsachen" – wie sie eine derzeitige Berichterstattung des SPIEGEL dritten Dienstleistern in der Marktforschungsbranche vorwirft - werden von uns in keiner Weise geduldet und/oder toleriert und entsprechen im Übrigen auch nicht den Grundsätzen, zu denen wir uns selbst verpflichten. Daher distanzieren wir uns hiervon ausdrücklich."

Peter Wiegelmann, Interrogare:

"Nach diesem wirksamen Aufschlag des SPIEGEL, sind nun die Selbstheilungskräfte des gesamten Systems gefordert. Dazu gehören neben den angeprangerten Felddienstleistern natürlich sowohl die Institute als auch die Auftraggeber von Studien. Die Felddienstleister müssen transparenter werden und besser kontrolliert werden, die Institute müssen eine kompetente Diskussion mit den Auftraggebern über die tatsächliche Erreichbarkeit von angefragten Zielgruppen sowie das Studiendesign führen und nicht zuletzt müssen die Auftraggeber ihre verfügbaren Budgets überprüfen. Es wäre allerdings ein großer Fehler nun die ganze Branche unter Generalverdacht zu stellen. Denn die vermuteten schwarzen Schafe sind eigentlich innerhalb der Szene bekannt. Daher stehen nun insbesondere die Verbände mit der Überprüfung ihrer Mitglieder sowie bezüglich der Schaffung geeigneter Maßnahmen/Regularien in der Verantwortung. Wir selbst haben als "gebranntes Kind“ bereits im letzten Jahr ganz konkrete Konsequenzen gezogen: Wir arbeiten nur noch mit einem kleinen Pool handverlesener Feldinstitute zusammen – langjährige Partnerschaften, zudem offene Kommunikation und Kontrollen sind unsere Basis."

Monika Reichl, YouGov:

"Der Spiegel-Artikel weist auf eine jedem Markt- und Sozialforscher bekannte Problematik bei klassischen CATI, CAPI oder F2F Befragungen durch externe Feldinstitute oder deren Subunternehmer, aber auch durch schlecht geschulte Interviewer hin. Und bricht dabei eine Lanze für Online-Befragungen über eigene Online-Panels, wie wir sie bei YouGov von Anfang an konsequent nutzen. Die Autoren zeigen deutlich die Probleme, mit Telefonumfragen bestimmte Zielgruppen und Quotierungen zu erreichen. Jedes Telefoninterview ist praktisch das Ergebnis einer Kaltakquise, bei der der Interviewer unter Erfolgsdruck irgendwie versuchen muss, den Angerufenen bei Laune zu halten oder bei einer Quotierung die passende Person ans Telefon zu holen. Das in solchen Situationen auch unlauter gearbeitet wird ist verurteilenswert, aber wenig überraschend. Uns als Online-Forscher stellen sich diese Probleme hingegen erst gar nicht. Aufgrund von regelmäßig aktualisierten und erweiterten Screening-Fragen wissen wir beispielsweise direkt, ob ein Panelist in eine bestimmte Zielgruppe gehört oder die passenden Merkmale für bestimmte Quotierungen mitbringt. Dies ist gerade bei hochspezialisierten Umfragen wie Field&Tab oder der Datenanalyse mit YouGov Profiles wichtig. Durch unsere Einladungssoftware erhalten unsere Panlisten vollautomatisiert E-Maileinladungen zu Umfragen. Der Befragungsprozess ist komplett automatisiert und die Fragebögen werden von den Befragten selbst und nicht wie beispielsweise bei CATIs von einem Mitarbeiter ausgefüllt. Eine Manipulation durch Dritte ist hier ausgeschlossen.  Dadurch wird zudem sichergestellt, dass keiner der zu einer Umfrage eingeladenen Panelisten plötzlich ohne Umfrage dasteht. Sollte eine Umfrage, zu der eingeladen wurde, schon abgeschlossen sein oder aber der Panelist nicht zur gesuchten Zielgruppe gehören, wird dieser automatisch an eine andere noch im Feld befindliche Umfrage weitergeleitet, wenn er die Quotenkriterien erfüllt. Dies zahlt auch auf den wichtigsten Aspekt in der Online-Forschung ein: Die Panel-Zufriedenheit. Denn der beste Garant für hochwertige Daten sind zufriedene Panelisten. Hinzu kommen Qualitäts-Checks innerhalb von Befragungen und eine aktive Panelhygiene. Unabhängig davon, ob ein Unternehmen direkt von den durch die Autoren aufgedeckten Machenschaften betroffen ist oder nicht, werfen die Praktiken der schwarzen Schafe einen Schatten auf die gesamte Branche. Und nähren gerade in Zeiten von Fake-News auch die Zweifel der Bevölkerung und der Auftraggeber gegenüber methodisch sauberer Marktforschung und deren Ergebnissen."

 

Diskutieren Sie mit!     

  1. Jan Kollmann am 01.02.2018
    "Aber auch andere angefragte Institute wollten dazu keine Stellung beziehen und wiegelten höflich ab. "

    Das klingt für mich leider auch nicht nach sauberer journalistischer Arbeit eines Branchenmediums. Die Darstellung impliziert, dass nur zwei von über 100 Instituten eine Stellungnahme an Sie abgegeben haben. Wieviele Institute und reine Feldinstitute haben Sie denn gefragt, um hier ein stimmiges Meinungsbild zu zeichnen? Hier geht es doch gerade um einiges für die Branche. Bitte bringen Sie den nötigen Ernst auf und helfen Sie aufzuklären und schließen Sie die Lücke, die der SPIEGEL leider hinterlassen hat. Werden Sie bitte in dieser Sache investigativ, sonst verkommt Ihr Portal lediglich zu einer Werbeplattform mit Pressemitteilungen zu Studien und Personalien. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie diesen Beitrag für die Branche leisten, von der Sie leben.
  2. marktforschung.de Redaktion am 01.02.2018
    Sehr geehrter Herr Kollmann,

    vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir sind -genau wie Sie- der Meinung, dass diese Thematik einer besonderen Aufklärung bedarf. Eben aus diesem Grund haben wir allein heute knapp 20 Institute um eine Stellungnahme gebeten . Der von Ihnen zitierte Satz sollte lediglich ausdrücken, dass viele Institute sich nicht äußern möchten und dies auch höflich zum Ausdruck gebracht haben.
    Mit freundlichen Grüßen,
    marktforschung.de
  3. Andreas Möller am 01.02.2018
    Ich stimme dem Kommentar von Herrn Wiegelmann zu. Die schwarzen Schafe sind eigentlich in der Branche nicht unbekannt., Ich finde es auch richtig darauf hinzuweisen, dass der extreme Kostendruck und die Auftragsvergabe primär durch den Einkauf großer Unternehmen die Luft für vernünftige Qualitätskontrollen deutlich einschränkt. Um es ganz direkt zu sagen: es fehlt der jenige der einfach mal bei der Kostenkalkulation kuckt ob das überhaupt noch realistisch durchführbar ist.
    Ansatz hat sich aus diesem Grund schon seit über zehn Jahren aus dem quantitativen Marktforschungsbereich rausgezogen da unser Qualitäts Anspruch damals schon nicht so wettbewerbsfähigem Preisen durchzuführen war.
    Es ist halt wirklich schade dass SPON hier nicht differenziert zwischen den verschiedenen Bereichen der Marktforschung. Und natürlich ist die Nervosität zu spüren, auch wir hatten bereits seit heute Mittag Anfragen unserer Kunden in denen wir bestätigen mussten, dass wir mit den in SPON genannten Firmen keine Kooperation/Zusammenarbeit haben.
  4. Alexander Vukotic (DT&P International Group) am 02.02.2018
    Sehr geehrte Damen und Herren aus der Redaktion,

    welche 20 Institute haben Sie denn um eine Stellungnahme gebeten?

    Und wie viele davon waren Felddienstleiter?

    Mit besten Grüßen aus Münster,

    Alexander Vukotic
  5. Thomas Donath am 02.02.2018
    (Sorry für den Doppel-Post.)

    "Nachdem ich alle neun (!) Artikel gelesen habe, die SPIEGEL heute gleichzeitig (!) in der "Akte Marktforschung" veröffentlicht, gegenseitig verlinkt und in den sozialen Medien gepostet hat, bleiben "nur" ACE, CSI und Martin Thöring sowie einige Fallbeispiele als Belege übrig [...]"

    Mit diesem möglichen Umstand sollte m.E. auch *offensiv* in einer Verbandsantwort umgegangen werden.

    Hat Spiegel noch andere Quellen? Oder stützt sich die Diffamierung einer gesamten Branche ("Die Akte Marktforschung". Tricksen, täuschen, manipulieren: Bei Umfragen in Deutschland wird geschummelt") auf n=1? Das wäre eine etwas ... dünne Datenbasis und ist kein ordentlicher Journalismus; zumindest kein Fundament, um eine so große Anklage zu erheben und eine "Akte Marktforschung" zu öffnen. Damit will ich nicht sagen, dass die Quelle nicht stimmt. Aber es geht nicht um den Umstand, dass überhaupt gefälscht wurde, sondern die Ableitung eines Generalverdachts.

    Es ist natürlich unsere tägliche Pflicht und Herausforderung, für korrekte Daten und Ergebnisse zu sorgen. Aber wir haben auch das Recht, uns gegen solche Kampagnen - und es ist eine, wie die parallelen Publikationen mit anschließendem Fernsehbeitrag zeigen - als Branche zur Wehr zu setzen. Dazu gehört ironischerweise auch das kritische Hinterfragen der Datengrundlage und anschließenden Ergebnisableitung des Spiegel.
  6. Michael Prasser am 02.02.2018
    Ich gebe dem Kommentar von Karla Kolumne absolut recht. Einem Meister des "fummelns", "tricksens", "tickerns", der zugibt 20 Jahre lang von diesen "Fähigkeiten" gelebt zu haben, kann niemand, auch nicht der Spiegel, vertrauen. Traurig, das auch publiziert wird, das Herr Thöring offenbar weiter in der Branche tätig sein möchte, da er "viele Ideen habe, wie Marktforschung fälschungssicherer gemacht werden könne.
    Abgesehen davon, dass Herr Thöring öffentlich gestand, in erheblichem Umfang jahrzehntelang von strafbaren Handlungen gelebt zu haben, sollte die Staatsanwaltschaft hier nicht nur wegen Betruges ermitteln, sondern vor allem auch wegen Verstosses gegen das Datenschutzgesetz. Um seine Anschuldigungen zu beweisen, sammelte er offenbar über Jahre "zehntausende" E-Mails und andere Unterlagen, die er nun dem Spiegel zum eigenen Vorteil verkaufte und nicht etwa um "Gutes zu tun". Der Spiegel ist dafür bekannt für "gute" auflagensteigernde Enthüllungen auch gut zu zahlen...
    Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft Herrn Thöring ganz klar die Rote Karte zeigt. Damait ist der für die Branche eingetretene Schaden leider nicht wieder gutzumachen.
  7. Andera Gadeib am 02.02.2018
    Liebes marktforschung.de-Team,

    ich schließe mich meinem Vorredner an. Ein Titel "Die Branche hält sich bedeckt" und "andere Institute wiegeln höflich ab" wird dem Thema nicht gerecht. Dann schreibt bitte, ihr habt die größten 20 angefragt, oder wie auch immer Eure "Stichprobe" aussah und liefert die Transparenz, die hier genau fehlt. Ich jedenfalls habe nichts von Euch gehört und möchte ungern in den Topf derjenigen geschmissen werden, die "höflich abwiegeln". Nicht ernst zunehmen ist allerdings auch ein Werbeblock eines Unternehmens, der hier als Kommentar abgedruckt wird. Also ehrlich, wenn wir der Branche Gutes tun wollen, dann im öffentlichen Diskurs. Dazu gehört aber auch, dass Plattformen, die als Fachmedium positioniert sind, sich durchlesen, was sie da veröffentlichen und wirklich zum Diskurs beitragen wollen. Das oben klingt eher nicht danach. Das könnt ihr besser. Viel Erfolg. Lg
  8. Lene Sattler am 03.02.2018
    Ich arbeitete Anfang - Mitte der Neunziger für diverse Marktforschungsinstitute, und schon damals war es bei den Interviewern allgemein üblich, Interviews zu erfinden. Ich will das nicht verteidigen, aber zweifellos haben auch die mickrigen Pauschalen, die es pro Interview gab, zu diesem Betrug motiviert. Und wenn ich mir vorstelle, wie wenig die Interviewer heute in den Callcentern verdienen mögen, kann ich nur sagen "You get what you pay for"...
  9. Peter Rasinski am 03.02.2018
    Es ist sehr schwer vorstellbar, dass Unternehmen wie die GfK oder TNS und die anderen Großen der Branche nichts davon wussten. Es sind die Profis am Markt und kennen die Realisierbarkeit und Preise genau. Abgewälzt wird jetzt das Problem seitens der Branchenriesen und Presse auf die Subunternehmer. Ich will die Situation nicht schönreden, eher im Gegenteil.

    "Denn der Fisch stinkt vom Kopf"

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