Felix Leiendecker, YouGov "Insgesamt ist es aktuell noch sehr schwierig, einzelne Marken als Gewinner oder Verlierer der Corona-Krise zu betiteln."

Felix Leiendecker, YouGov
marktforschung.de: Kann man aktuell schon sagen, welche Marken von der Corona-Krise profitieren könnten und welche leiden werden?
Felix Leiendecker: Schon jetzt sehen wir für einzelne Marken tendenziell positive Entwicklungen. Hierzu zählen z.B. die Lieferdienste und E-Commerce Unternehmen. Insgesamt werden zwar negative Berichte in den Medien über einzelne Marken wahrgenommen, in der Masse gibt es bisher aber keine stärkeren Auswirkungen auf die Markengesundheit. Die Verbraucher differenzieren also durchaus und wissen, dass die Marken auch nichts für die aktuelle Situation können. Um einzelne Verlierer zu nennen, ist es jedoch definitiv noch zu früh.
Gibt es Marken in Deutschland, deren Buzz seit der Corona-Krise deutlich verloren hat?
Der Buzz, der Anzeigt ob man kürzlich etwas positives oder negatives über eine Marke gehört hat, steht für ein repräsentatives Echo der medialen Berichterstattung. So ist es nicht verwunderlich, dass sich z.B. die Werksschließungen der großen Autobauer, etwa Volkswagen, BMW oder Audi, hier signifikant negativ auf die Art und Weise in der über die Marken gesprochen wird, auswirken. Positiv zu sehen ist jedoch, dass die deutsche Bevölkerung differenziert und andere BrandIndex-KPIs wie z.B. der allgemeine Eindruck der Autobauer stabil bleiben.
Wie ist der Ausblick auf einzelne Branchen? Können Sie da bereits Prognosen geben? Was ist z.B. mit Automotive oder Luxus-Marken?
Im Rahmen des BrandIndex Interviews wird auch die zukünftige Ausgabebereitschaft für Produkte oder Leistungen einer ganzen Kategorie bzw. Branche abgefragt. Im Vergleich zum Januar sehen wir hier besonders drastische Entwicklungen für die Reise-, Hotel- und Kreuzfahrtbranche. Aber auch für die Gastronomie. Außerdem erkennen wir bereits, dass die Deutschen weniger Geld für Unterhaltungselektronik, Spielwaren und in Bau-und Möbelmärkten ausgeben werden. Auf der anderen Seite werden die Haushaltsapotheken und Süßwarenbestände zukünftig wohl stärker aufgefüllt. Im Zuge der Krise steigt auch die Bereitschaft, mehr Geld für Wasch- und Reinigungsmittel auszugeben. Interessanterweise steigt derzeit auch noch die potentielle Ausgabebereitschaft für die Automobilbranche. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Ausgabebereitschaft in den kommenden Wochen für einzelne Branchen ändern wird.
Wie ist das aktuell z.B. bei den Supermärkten und Drogerien? Legen die im BrandIndex zu?
Insbesondere beim Buzz sieht man eine interessante Entwicklung: Während die Bevölkerung über Supermärkte vermehrt Positives hört, zeigt sich für Drogerien derzeit eine gegensätzliche Entwicklung. Auch beim Blick auf die Word of Mouth Exposure, über welche Marken man mit Freunden oder Familie gesprochen hat, zeigt sich, dass derzeit sehr viel über Rewe und Edeka gesprochen wird. Ähnlich sieht es für Rossmann und und dm aus. So hat jeder Vierte in den letzten zwei Wochen über diese Marken gesprochen.

Wie ist es mit der Biermarke Corona selbst? Messt Ihr die Marke und wenn Ja, was ist in den Daten zu beobachten gewesen in den letzten Wochen?
Hierzu liegen uns nur Daten aus den USA vor. Während der Buzz immer negativer wird, sieht man zwischenzeitlich einen sehr starken Anstieg bei der Kaufbereitschaft (Consideration) und auch bei den tatsächlichen Kunden (Current Customer). Der "Spaß" und Hype um die Marke Corona ist aber auch schnell wieder verflogen.

Es gab etliche Marketingaktionen zu Beginn der Corona-Krise. So hatte z.B. der Bezahlsender Sky angeboten die Bundesliga-Konferenz kostenfrei auszustrahlen. Auch, wenn es letztlich nicht dazu gekommen ist: Sieht man positive Effekte auf die Marke Sky?
Ja, besonders aus Sicht aktueller Sky-Kunden erkennt man einen deutlichen positiven Trend. Neben dem Buzz-Score entwickelt sich auch der Index-Score aus Kundensicht positiver. Besonders der allgemeine Eindruck, den die Kunden der Marke Sky gegenüber haben, wird positiver bewertet.
Streaminganbieter und Mediatheken dürften ja aktuell Zulauf erhalten. Legen die Streaminganbieter wie Netflix, Amazon Prima oder Disney bereits im BrandIndex zu? Verlieren dagegen Marken wie Dazn und Sky, deren Hauptprodukt – der Live-Sport – gerade nicht mehr stattfindet?
Obwohl Netflix auch vor der Corona-Krise bereits der beliebteste Streamingdienst war, erkennt man aktuell einen weiteren Anstieg. Amazon Prime und Sky können sich bisher auch gut schlagen. Für DAZN erkennt man aber bereits einen Rückgang bei der Bereitschaft diesen Streamingdienst zu abonnieren. Dies könnte mit der Absage der Sportveranstaltungen zusammenhängen, womit hier direkt die Programminhalte betroffen sind.
Gibt es sonst noch etwas, was Sie uns sagen wollen?
Insgesamt ist es aktuell noch sehr schwierig einzelne Marken als Gewinner oder Verlierer der Corona-Krise zu betiteln. Das Bewertungsverhalten der Verbraucher lässt sich derzeit als sehr rational beschreiben und zeigt keine unerwarteten Tendenzen. Es bleibt jedoch abzuwarten wie sich die steigende soziale Isolation und damit verbundener Stress auf die Gemüter auswirkt. Hinzu kommt, dass sich bisher noch keine Marke einen wirklich großen Fauxpas in Bezug auf die Corona-Krise erlaubt hat. Marken müssen aber genau jetzt enorm auf ihre Kommunikation achten und sich mehr denn je bewusst sein, dass jeder unbedachte Versuch aus der Krise zu profitieren, einen enormen Schaden anrichten kann. Gerade hier können aktuelle Verbraucherdaten eine enorme Hilfe sein!
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Holger Geißler
Felix Leiendecker ist seit 2012 in verschiedenen Positionen für YouGov tätig. In seiner gegenwärtigen Position leitet er das deutsche Data Products Team und ist für die Markentracking- und Zielgruppensegmentierungstools YouGov BrandIndex und YouGov Profiles verantwortlich.
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