- marktforschung.de
- Marktforschung
- Implizites Involvement – Wie der Einsatz visueller Stimuli die Schwächen manch impliziter Methoden umgehen kann
Jens Buri, mindline|explore Implizites Involvement – Wie der Einsatz visueller Stimuli die Schwächen manch impliziter Methoden umgehen kann

Die methodische Stärke impliziter Bild-Stimuli liegt darin, dass sie im Gehirn ähnlich ganzheitlich und assoziativ abgespeichert sind wie Emotionen. Zudem können sich über sie interessante Parallelen zu der Bild-Auswahl anderer Teilnehmer erschließen. (Bild: picture alliance / PantherMedia | Andrew Ostrovsky)
Zum Wesen der meisten impliziten Verfahren – gerade klassischer Paradigmen wie dem IAT – gehört, dass Probanden im empirischen Prozess etwas tun, dass sie nicht vollends verstehen. Etwas, das sie eigentlich auch nicht verstehen und kontrollieren dürfen, damit das Implizite an der Methode funktionieren kann.
Menschenbild-Implikationen impliziter Methoden
Das hat naturgemäß Konsequenzen für das Selbstverständnis der Probanden und die Beziehungs-Dynamik zwischen Forschendem (bzw. Forschungs-Instrument) und Beforschtem:
Ein Proband kann sich schnell mehr oder minder entmündigt fühlen – bis hin zum altbekannten Stimmvieh-Gefühl.
In der Konsequenz können solche impliziten Verfahren schnell ermüdend oder gar demotivierend wirken, ähnlich wie ein zu langer, schlecht gemachter Fragebogen. Das passiert insbesondere, wenn ein belohnendes Momentum ausbleibt – in diesem Fall eine „On-the-Fly“-Analyse mit Feedback über die eigenen, unterbewussten Wahrnehmungen.
Tiefere Exploration durch mehr Motivation
Selbst in der akademischen Forschung wird seit etlichen Jahren die „Attraktivität des Fragebogens / Forschungsvorgehens“ als zentrales Nebengütekriterium diskutiert – neben der großen Trias aus Objektivität, Reliabilität und Validität:
Je motivierter ein Proband ist, umso besser, authentischer und zielführender sind auch seine Ergebnisse – Involvement sorgt für Informations-Qualität.
Außerdem ist es gerade beim Verstehen von Marken oft wichtiger das „Warum?“ hinter bestimmten Assoziationen zu verstehen als nur das 'Was?'. Vor allem, wenn es darum geht, handlungsrelevante Empfehlungen für eine Modifikation der Marken-Wahrnehmung zu geben. Um dieses „Warum?“ zu ergründen, braucht es Selbstreflektion und Kommunikations-Willen auf Seiten der Probanden. Das gilt insbesondere, wenn es um implizite Vorstellungs-Inhalte wie Marken geht und nicht um implizites, aber trotzdem noch beobachtbares Verhalten.
Implizite Bild-Stimuli: Emotionen wie aus dem Gesicht geschnitten
Jedes implizite Verfahren braucht etwas, dass sich dem vollen Bewusstsein der Probanden entzieht. Aber es gibt Möglichkeiten, dieses implizite Element ohne potenzielle „Entmündigung“ des Probanden einzusetzen. Mehr noch: Es kann sogar eine selbst-belohnende Dynamik entfalten.
Genau das können implizite, symbolische Bild-Stimuli leisten. Ihre methodische Stärke liegt darin, dass sie im Gehirn ähnlich ganzheitlich und assoziativ abgespeichert sind wie Emotionen, was sie zu guten, impliziten Emotions-Deskriptoren macht. Ihre motivationale Stärke speist sich aus ihrer spielerisch-kurzweiligen Anmutung und der Tatsache, dass sich die Bilder den meisten Menschen intuitiv erschließen und damit zum Beispiel auch interessante Parallelen zu der Bild-Auswahl anderer Teilnehmer aufzeigen.
Visuelle Stimuli, anderes implizites Prinzip
Das implizite Element solcher Bild-Verfahren liegt darin, dass den Probanden selten die volle Semantik eines Bildes bewusst ist, während der intuitive Auswahl-Prozess sich dagegen eigentlich immer innerhalb ihrer „empirischen Komfortzone“ bewegt.
Insbesondere beim qualitativen Einsatz impliziter Bild-Stimuli, bei dem die Bilder in der Gruppe zusammengetragen werden und jeder seine Auswahl erklärt, erleben Probanden oft, welche unerwartete Erkenntnis-Kraft sich hinter vermeintlich spielerischen Bildern verbergen kann: Wenn sie zum Beispiel sehen, dass alle ausgewählte Bilder thematisch in eine ähnliche Kerbe schlagen, wenn bestimmte Bilder häufig und unabhängig voneinander gezogen werden oder – selten, aber dann besonders eindringlich – ein Bild mehrfach ausgewählt wird, ohne dass einer der Probanden das wirklich erklären könnte ("Das Bild passt irgendwie, ich kann aber auch nicht erklären warum.").
Um diesen Effekt zu verstärken, ist es oftmals hilfreich, Probanden von Ergebnissen jenseits der eigenen Gruppen-Diskussion zu erzählen ("Dieses Bild verwundert mich jetzt nicht – es wurde bisher in fast jeder Gruppe für diese Marke ausgewählt."). Das stellt eine gewisse Augenhöhe zu den Probanden her und ist nicht nur ein Element der Wertschätzung: Probanden werden eher zu „Kollaborateuren“ als zu reinen „Informationsträgern“. Dieses Vorgehen ist oftmals so spannend, dass Interesse und Offenheit fast automatisch steigen.
Systematisierte Semantik: Die mindline SemioSphere
Um mehr als nur Bild-Semantik und Zielgruppen-Aussagen – klassisch inhaltsanalytisch – auswerten zu können, nutzen wir die mindline SemioSphere. Diese bildet die 6 menschlichen Grund-Strebungen und damit auch emotionale Grund-Bedeutungen von Wahrnehmungs-Gegenständen ab – seien es Marken, Positionierungskonzepte oder eben Bilder.
Vergleichbare Modelle (egal ob die Limbic Map, Needscope oder artverwandte Systematiken) sind in den meisten Instituten und großen Unternehmen verbreitet und – trotz teilweise etwas anderer Akzentuierung – meist hochkompatibel und damit quasi eine Art "Lingua franca" für Marktforscher und Marketiers. Unser besonderer Akzent liegt in der Definition der 6 semantischen Sphären über geeichte, visuelle Stimuli und die Nutzung der SemioSphere als Analyse-Tool für unsere Bilder-Forschung – eine spezifische Methodik, die aus der jahrelangen Evolution unseres empirischen Umgangs mit Bildern hervorgegangen ist.
Symbiotische Qual-Quant Interaktion
Ihr wahres, implizites Potenzial können Bild-Stimuli aber erst dann ausspielen, wenn sie sich auch außerhalb der qualitativen Welt bewegen, die gewohnt ist mit semantischer Unschärfe, individueller Exploration und hermeneutischer Ausdeutung umzugehen.
In der quantitativen Welt dagegen muss ein Bild Emotionen präzise abbilden können, inklusive hinreichend interindividueller Interpretation seiner jeweiligen Bedeutung. Es muss die Qualitäten eines Messinstruments bieten, ohne dabei das manchmal etwas wolkige Wesen von Bildern und ihrer spezifischen Semantik zu verraten.
Durch geeignete Eichungs-Verfahren, die der eher assoziativen Bild-Semantik Rechnung tragen und vor allem projekt- beziehungsweise themenspezifische Eichungen der Stimuli (gerade bei Bildern gilt: Der Kontext macht die Bedeutung) können wir mit demselben Bild-Material qualitativ wie quantitativ arbeiten. Ein nicht unwichtiger Benefit von mehrstufigen Qual-Quant-Studien.
Ein erfreulicher Nebeneffekt: Durch die fortwährende Eichung der Bilder in unterschiedlichen Kontexten kristallisieren sich nicht nur besonders bedeutungsstabile Stimuli heraus – auch die qualitative Arbeit mit Bildern profitiert von dieser präziseren, statistischen Analyse der Bildbedeutung.
Über Jens Buri:

Kommentare (0)
Noch keine Kommentare zu diesem Artikel. Machen Sie gerne den Anfang!
Um unsere Kommentarfunktion nutzen zu können müssen Sie sich anmelden.
Anmelden