ifo Institut: Menschen aus nicht-intakten Familien engagieren sich weniger für die Gesellschaft

München - Bisher fand der Zusammenhang zwischen den familiären Verhältnissen in der Kindheit und dem Ausmaß des bürgerschaftlichen Engagements im Erwachsenenalter in der Forschungsliteratur kaum Beachtung. In einer Studie des ifo Instituts wurde nun untersucht, wie stark sich Menschen, die nicht in traditionellen Familienstrukturen groß wurden, in ihrem weiteren Lebensverlauf bürgerschaftlich engagieren. Das Ergebnis zeigt, dass sich Personen, die in nicht-intakten Familien aufwuchsen, später erheblich seltener an der Bürgergesellschaft beteiligen.

Das bürgerschaftliche Engagement ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurückgegangen, laut OECD ist in den westlichen Ländern besonders die bürgerliche Aktivität im politischen Bereich gesunken. So hat etwa die Wahlbeteiligung stark abgenommen, und große Organisationen wie Gewerkschaften und Parteien büßten stark an Mitgliedern ein. Ebenso unterliegen Familienstrukturen einem Wandel und es treten vermehrt andere familiäre Lebensformen auf. Scheidungsraten haben deutlich zugenommen.

Familien erfüllen in vielerlei Hinsicht wichtige Funktionen, unter anderem beeinflussen sie die politische Sozialisation des Nachwuchses. Um herauszufinden, ob die Familienstruktur in der Kindheit und das bürgerschaftliche Engagement im Erwachsenenalter zusammenhängen, bedienten sich die Forscher um Helmut Rainer zunächst der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 1984-2009. Daraus zogen sie Informationen über das politische Interesse, die Parteiidentifikation, die Mitwirkung in Organisationen wie Parteien und Bürgerinitiativen und über das Ausmaß freiwilliger und ehrenamtlicher Tätigkeiten etwa in Vereinen und Verbänden im Erwachsenenalter. Aus diesen vier Komponenten bildeten sie einen Index, um bürgerschaftliches Engagement zu messen. Basierend auf diesen Informationen, führten die ifo-Experten unter anderem Geschwister-Differenzanalysen durch. Sie verglichen dabei Personen, die in ihren ersten 16 Lebensjahren die Scheidung ihrer Eltern miterlebten, mit ihren Geschwistern, die zum Zeitpunkt der Scheidung noch nicht auf der Welt oder älter als 16 Jahre alt waren, und stellten jeweils deren bürgerschaftliches Engagement im Erwachsenenalter gegenüber. Verzerrungen, die durch Unterschiede zwischen den einzelnen Familien auftreten könnten, können damit entsprechend berücksichtigt werden.

Die Wissenschaftler kommen zu dem Ergebnis, dass der zusammenfassende Index für bürgerschaftliches Engagement bei Menschen, die während ihrer Kindheit die Scheidung ihrer Eltern miterlebten, um 17,1 Prozent geringer ausfällt als bei Menschen, die in intakten Familienstrukturen groß geworden sind. Bei Betrachtung der Komponenten im Einzelnen finden sich ebenfalls jeweils negative Effekte, allerdings in unterschiedlicher Höhe: Das politische Interesse geht um 4,8 Prozentpunkte, die Parteiidentifikation um 6,9 Prozentpunkte zurück. Die Bereitschaft, sich in Parteien, in der Kommunalpolitik und in Bürgerinitiativen zu betätigen, sinkt um 4 Prozentpunkte, sich freiwillig und ehrenamtlich zu engagieren um 10,1 Prozentpunkte.

ah

 

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