Susanne Maisch, EARSandEYES Ideen, hinter denen wir stehen: Die Zukunft der qualitativen Forschung ist integriert!

Der pandemiebedingte Innovationsschub in der qualitativen Marktforschung ist unbestritten. Ein guter Zeitpunkt, sich auf die Prinzipien zu besinnen, die auch früher schon über Erfolg und Misserfolg von Innovation entschieden haben – meint Susanne Maisch, geschäftsführende Gesellschafterin des Hamburger Marktforschungsinstituts EARSandEYES.

Virtual Reality (Bild: picture alliance / Zoonar | Jakub Mrocek)

 Durch die Corona-Pandemie ist die Digitalisierung in der qualitativen Marktforschung schon stark in Antrieb gekommen. Nun gilt es, auch weiterhin technische Innovationen wie Virtual Reality oder Künstliche Intelligenz zu integrieren und so neue Chancen zu nutzen. (Bild: picture alliance / Zoonar | Jakub Mrocek)

„Wer hat am meisten für die digitale Transformation im Unternehmen getan: CEO, CTO oder COVID-19?“ Dieser augenzwinkernde Kommentar macht schon seit dem Frühjahr 2020 die Runde – und wie so häufig ist das Argument zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen: Institutionen jeglicher Art waren im Zuge der Pandemie plötzlich gezwungen, bestehende Ansätze zur Digitalisierung entschlossen weiterzuentwickeln, wollten sie nicht ins Hintertreffen geraten. Und das ist doch mal eine gute Nachricht, neben den vielen schlechten.

Vielfach schienen Unternehmen in dieser Entwicklung nach kurzer Gewöhnungszeit sogar eine glückliche Fügung zu sehen. Aus Institutsperspektive können wir das bestätigen, wenngleich unser Angebot schon immer eine starke digitale Komponente aufwies: Die weitreichende Akzeptanzsteigerung von Videokonferenzen und Co. ermöglicht beispielsweise auch uns neue, erhellende Einblicke in den Alltag der Konsument*innen.

Gleichzeitig hat durch sich rapide und nachhaltig verändernde Lebensgewohnheiten und Einstellungen der Menschen im Laufe der andauernden Pandemie auch der Stellenwert von Grundlagenforschung in Unternehmen  an Bedeutung gewonnen – und diese beinhaltet häufig eine qualitative Komponente.

Wirkkraft von Technik entfalten

Doch nach annähernd zwei Jahren „New Normal“ müssen wir als Branche uns auch die Frage stellen, was wir nun eigentlich daraus machen: Wie schaffen wir es, dass sich technische Errungenschaften wie Künstliche Intelligenz oder Virtual Reality nachhaltig auf die Qualität unserer Dienstleistung auswirken – und damit auf den Innovationserfolg unserer Kunden?

Denn der tatsächliche Wirkungsgrad moderner Technologie zeigt sich oft dort, wo sie auf gewachsene Strukturen und Prozesse stößt. Unser Plädoyer ist daher: Nutzen wir den langersehnten Antrieb, um unsere eigene Verfasstheit, unsere Grundannahmen und Abläufe systematisch von Barrieren zu befreien! Drei Typen derartiger Barrieren möchte ich hier beispielhaft beleuchten.

1. Konsument*innen und Unternehmen

Ein Exkurs in die Praxis: Im Frühjahr 2020 standen wir wie alle anderen Institute auch vor der Aufgabe, unser Leistungsportfolio möglichst zügig und reibungslos ins Digitale zu verlagern. Konkret ging es bei uns um einen groß angelegten Ideation-Workshop, in dessen Rahmen eine Anzahl Ideen für den weiteren Innovationsprozess generiert werden sollte. Gemeinsam mit dem Kunden entschlossen wir uns für eine voll digitale Umsetzung, die ein großer Erfolg wurde.

Innerhalb der letzten beiden Jahre wurde daraus eine tragende Säule unserer Dienstleistung – und ein Paradebeispiel dafür, wo wir die Qualiforschung der Zukunft sehen. Denn qualitative Forschung ist fester Bestandteil dieses Formats: Consumer Insights dienen als Sprungbrett in die Ideenfindung. So integrieren wir zum Einstieg etwa Module wie (digitale) In-Home Visits, ein Online Discussion Board oder digitale Einzelinterviews.

Dieses Vorgehen dient nicht nur der Gewinnung von Insights, sondern auch dem Involvement der Teilnehmenden auf Kundenseite und verschafft ihnen einen persönlichen Eindruck von Alltag und Einstellungen der Konsument*innen. Digitale Technologien begünstigen diesen Aspekt ungemein – so können Stakeholder den Videointerviews unmittelbar beiwohnen oder die Inhalte der Community in Echtzeit rezipieren. Das hilft auch, etwaige Mythen abzubauen.

2. Verschiedene Quellen von Daten und Insights

Qualitative Forschung ist natürlich nicht die einzige Datenquelle: Gemäß dem Grundsatz „Barrieren abbauen“ basiert der Workshop-Input auch auf weiteren Datenschätzen, die im Unternehmen bereits existieren. Diese werden, sofern verfügbar, systematisch gesichtet und analysiert und dienen ebenfalls als Inspiration und Basis für die Ideenfindung.

Dieser integrative Ansatz zeigt sich auch bei der Erhebung benötigter Primärdaten: Quali und Quant greifen hier bereits dynamisch ineinander, erste Insights aus der Quali fließen direkt in die nachfolgende quantitative Befragung mit ein. Auch das für uns also ein zukunftsträchtiger Aspekt im Quali-Kontext: Weg vom Datensilo, hin zum 360-Grad-Blick auf den Innovationsprozess!

3. Stakeholder im Unternehmen

In diesem frühen Stadium hat man als innovierendes Unternehmen die Chance, nicht nur bedürfnisgetrieben eine Anzahl neuer Ideen zu generieren, sondern auch deren Akzeptanz innerhalb der Organisation maßgeblich mit zu formen. Deshalb ist eine interdisziplinäre Zusammensetzung der Teilnehmer*innen ideal.

Im Quali-Kontext bedeutet das, auch und gerade diejenigen Stakeholder in Berührung mit den Erkenntnissen von Grundlagenforschung zu bringen, die traditionell in diesem Stadium wenig Anteil am Prozess haben. Denn vor allem Ergebnisse aus der Quali waren früher oft hermetisch durch Gatekeeper abgeschirmt, eine Blackbox im Telefonbuchformat.

Digitale Technologie kann helfen, alles schnell zugänglich zu machen, das Team kann von Anfang an bei jedem Prozessschritt partizipieren. Je nach Geschäftsfeld, Innovationsvorhaben und Firmenkultur können dies beispielsweise Kolleg*innen aus der Produktion, dem Vertrieb oder angeschlossenen Kreativagenturen sein. Die Teilnahme von Mitarbeitern aus Marketing, Consumer Insights / Marktforschung und Research & Development ist im Regelfall gesetzt.

Die praktisch-logistischen Vorteile einer digitalen Durchführung zeigen sich nicht zuletzt auch an dieser Stelle: Kosten für Location und Anreise der Teilnehmenden entfallen; die Veranstaltung muss zudem nicht zwangsläufig im Block durchgeführt werden, was wiederum die Terminfindung im heterogenen Workshop-Team vereinfacht.

Fazit: Ins Handeln kommen

Die qualitative Forschung unterliegt weiter einem methodisch-technischen Wandel, und die Veränderungen der Pandemiezeit sind sicher erst ein Anfang. Viele Chancen, die sich uns nun bieten, müssen noch ausgelotet und genutzt werden – ich denke hier beispielsweise an mobiles Eyetrackung oder den Einsatz von KI zur Analyse, die wirklich funktioniert und damit Zeit und Mühen spart. Doch gleichzeitig können und müssen wir diesen Wandel als Möglichkeit begreifen, schon jetzt unsere eigene Philosophie und unseren Umgang mit qualitativer Forschung an sich zu hinterfragen und zu verbessern.

Vor dem Hintergrund von Barrieren bzw. Innovationshemmnissen haben wir unseren digitalen Ideation-Workshop exemplarisch für diesen Zusammenhang genannt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Forschung einen größeren Wirkungsgrad entfaltet, je integrativer sie in den oben ausgeführten Perspektiven ist. Doch die Erarbeitung von eng am Konsumentenbedürfnis ausgerichteten Produktideen ist lediglich der erste Schritt auf dem Weg zur marktreifen Innovation.

Qualitatives Konsumenten-Feedback lässt sich an vielen weiteren Stellen sinnvoll in den Prozess integrieren – die Grenzen liegen dabei heute weniger in der Technik, als in unseren Köpfen.

Die Zukunft der Quali ist noch lange nicht auserzählt.

Über Susanne Maisch

Susanne Maisch von EARSandEYES
Susanne Maisch ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von EARSandEYES. Die zertifizierte Business-Trainerin mit mehr als 20 Jahren Erfahrung in Marketing, Strategieberatung und Kommunikation konzipiert und leitet regelmäßig Innovationsworkshops für Unternehmen. Die zielgerichtete Weiterentwicklung digitaler Forschungsansätze ist ihr eine Herzensangelegenheit.

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