Interview mit Martin Hellich, CCO Ipsos „Ich kritisiere eine übermäßige Tool-Fokussierung hier in Deutschland“

Martin Hellich, CCO von Ipsos, sieht die Zukunft der Marktforschung grundsätzlich rosig. Dennoch kritisiert er ein zu enges Verständnis davon, was Marktforschung ausmacht, und steht der zunehmenden Tool-Fokussierung in der deutschen Marktforschungslandschaft skeptisch gegenüber. Ipsos ist einer der Sponsoren des vierten Start-up Pitchs, der am 13. April stattfinden wird. Lesen Sie im Interview mit Martin Hellich auch, welche Gründungsidee er verfolgen und wie er sein Gründungsteam zusammenstellen würde.

Martin Hellich, Ipsos (Bild: Ipsos)

Lieber Herr Hellich, Sie sind schon viele Jahre in der Marktforschungsbranche aktiv. Gibt es aus Ihrer Sicht genügend Innovationen in der Branche? 

Martin Hellich: An Ideen mangelt es meiner Ansicht nach nicht, eher schon an Umsetzungswillen bzw. Unterstützungsbereitschaft – vor allem in Deutschland. Zudem erscheinen mir die adressierten Verbesserungen vieler Innovationen oft recht unbedeutsam, was ihnen wenig Wachstumspotenzial, Wahrnehmung und nicht zuletzt finanzielle Mittel verschafft. 

Welche Entwicklungen in der Marktforschung finden Sie aktuell besonders spannend? 

Martin Hellich: Ich beobachte eine übermäßige Tool-Fokussierung hier in Deutschland, die ich gleichzeitig auch kritisiere.  Tools erleichtern die Arbeit und sind nützlich, ohne Frage. Wir sollten aber nicht verkennen, welchen Mehrwert unsere Profession in Form von menschlicher Kompetenz und Kreativität in Projekten bietet. Und häufig ist es just diese Kreativität, mithilfe derer durch neuartige Kombination von bereits bekannten Methoden, Technologien und Instrumenten etwas großes Neues entsteht. Eine solche Lösung einer unserer Schwestergesellschaften im Ausland – die ich nicht näher beschreiben darf – erzeugte im letzten Jahr einen Umsatz, der es als eigenständige Firma locker unter die Top 5 im Umsatzranking deutscher Institute gebracht hätte. Dies zeigt, dass große Innovationen auch konzeptioneller Natur sein können; wenn Sie möchten, ganz im Sinne der Blue Ocean Strategy oder schlicht durch gutes Mafo-Marketing. Das finde ich spannender als innovative Tools. 

Wenn sich die Branche selbst neu erfinden müsste, wo sollte sie anfangen? 

Martin Hellich: Genau bei der Entwicklung dieser Kompetenzen.

Anders formuliert – die Beratungsbranche würde sich auch nicht derart auf Tools und Instrumente fokussieren, sondern sich auf den von ihren Beratern geschaffenen Mehrwert konzentrieren.  

Wenn Sie selbst gründen würden, welches Problem aus der Marktforschung würden Sie adressieren wollen? Ganz unabhängig davon, ob sie schon eine Lösungsidee hätten. 

Martin Hellich: Auf die Frage kann ich kaum mit den besten Ideen antworten. Aber, ich glaube, die bessere und vereinfachte Integration von ganz unterschiedlichen Datenquellen auf Individualebene, am besten mit fallweisen Zustimmungen von Personen je Datenpunkt, vermutlich auf Basis von Blockchain-Technologie, würde einen gigantischen Fortschritt in der Forschung, aber auch im Marketing erzeugen. Aber das ist ein extrem dickes Brett. 

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Wenn Sie sich ein Gründerteam nach ihrem Gusto zusammenstellen könnten, wer wäre alles in Ihrem Team dabei? 

Martin Hellich: Namen werde ich jetzt nicht nennen, aber allgemeiner gesagt wäre es ein multi-disziplinäres bzw. diverses Team und enthielte Teamspieler mit Kontakten, Kompetenzen, Kreativität und stets viel Kollegialität. 

Wenn Sie ein Start-up betrachten: Auf was achten Sie besonders? Worauf legen Sie besonderen Wert? 

Martin Hellich: Die Köpfe, die Idee, die adressierte Marktgröße und die Kopierbarkeit, d. h. Wettbewerbs- bzw. Markteintrittshürde des Geschäftsmodells. Nur wenn letztere auch groß genug ist, kann eine Unternehmung nachhaltig erfolgreich sein und nicht von einem größeren Wettbewerber nicht so leicht verdrängt werden. 

Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung, die sich der Marktforschungsbranche in den nächsten Jahren stellen wird? 

Martin Hellich: Ein zu enges Verständnis davon, was die „Marktforschungsbranche“ ist, nicht zuletzt hierzulande definiert durch Verbände, Gesetze aber auch organisatorische Einheiten und deren Bezeichnungen in Unternehmen bzw. Institutionen.  

Weiter gefasst als „Insight Industry“ wächst diese nämlich seit Jahren und wird es auch weiter tun, da der Bedarf nach „Insights“ gewaltig ist. 

Was macht Sie optimistisch, wenn Sie an die Zukunft der Marktforschungsbranche denken? 

Martin Hellich: Just dieser Bedarf nach Insights sowie komplementären Beratungsbedarf. Es ist ein gesunder, wachsender Markt, in dem wir tätig sind bzw. noch sein können. Und ich bin zuversichtlich, weil es viele kluge Köpfe in unserer Branche gibt. 

Über Martin Hellich

Martin Hellich, Ipsos (Bild: Ipsos)
Martin Hellich ist Chief Client Officer bei Ipsos Deutschland. Davor war er von 2018 bis 2021 Country Manager der deutschen Niederlassungen. Für Ipsos ist er in verschiedenen Rollen seit 2006 tätig. Er begann seine berufliche Laufbahn zunächst als Consultant bei der Unternehmensberatung Bearing Point und als Marketing Manager bei der Picturemaxx AG in München, bevor er den Schritt in die Marktforschung wagte, zunächst als Senior Consultant bei TNS Infratest.

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  1. Frank Zander am 22.03.2022
    Endlich einmal eine fundierte Meinung, die das Verhältnis und Zusammenspiel von Technik und Lösungen gerade rückt. Wir dürfen nicht von unseren Kunden verlangen, dass sie ihren Beratungsbedarf und Fragekatalog an die Gesetze der Tools und Standardprodukte anpassen. Nutzen wir die Technik als Vehikel, um unseren Kunden die Antworten zu liefern, die sie für ihre Entscheidungen benötigen - entwickelt, hergeleitet und angereichert mit menschlicher Kompetenz und Kreativität.
    Herzlichen Dank, Herr Hellich!

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