Frauen in der Marktforschung: Kerstin Klär, Q | Agentur für Forschung "Ich brenne für meinen Job: I LOVE MAFO"

Kerstin Klär ist als Geschäftsführerin Vorbild und auch Vor-Denkerin. Nach ihrer Auffassung werden wichtige zwischenmenschliche Werte jedoch nur erlebbar, wenn sie von einem Team gelebt werden.
Frau Klär, Sie haben 2008 mitten in der Finanzkrise gemeinsam mit Oliver Tabino Q I Agentur für Forschung gegründet – eine mutige Entscheidung. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Kerstin Klär: Als wir uns 2008 dazu entschlossen haben, Q zu gründen, haben wir keinen Gedanken an die Finanzkrise oder etwaige wirtschaftliche Herausforderungen verschwendet. Wir hatten einfach Lust, etwas Eigenes zu erschaffen, Marktforschung und Beratung nach unseren Vorstellungen zu gestalten und die Freiheit zu haben, „Research“ neu und anders zu denken. Aus diesem Grund haben wir uns auch bewusst für die Bezeichnung "Agentur" statt Institut entschieden. Unser Antrieb war, Marktforschung einen zeitgemäßen Anstrich zu verleihen, nah an den Bedürfnissen von Konsumenten und an den Bedarfen von Unternehmen.
Dieses Jahr feiern wir unser 15-jähriges "Qubiläum" und ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell die Zeit vergangen ist, wie viel wir erlebt haben und wie viele unterschiedliche Projekte wir in all den Jahren gemacht haben.
Was ist Ihre Motivation, in der Marktforschung tätig zu sein? Was treibt Sie an?
Kerstin Klär: In einem Wort: Leidenschaft für diesen großartigen Beruf!
In der Anmoderation von Fokusgruppen sage ich oft: „Ich werde dafür bezahlt, neugierig zu sein und viele Fragen zu stellen – ein Traumjob, oder?“ Und das meine ich genauso.
Ich empfinde es als Privileg, einen so abwechslungsreichen Job zu haben, der mir jeden Tag die Möglichkeit gibt, meinen Blickwinkel zu erweitern und Zukunft mitzugestalten. Als Beiratsmitglied der Business School und der succeet habe ich die Möglichkeit, Impulse zu geben und aktiv an der strategischen Ausrichtung und Weiterentwicklung von Forschung und Praxis mitzuwirken. Und als Unternehmerin habe ich auch ein eigennütziges Interesse an gut ausgebildeten und leidenschaftlichen Forschern und Forscherinnen,
…weil wir kritische Köpfe brauchen, die sich reinhängen und Dinge vorantreiben wollen,
…weil konstruktiver Widerspruch bereichernd ist und uns immer besser macht,
…weil auch Unternehmen keine Ja-Sager brauchen sondern smarte Denker und Denkerinnen.
Sie haben einen Lehrauftrag an der Hochschule Pforzheim im Studiengang Marktforschung und Kommunikationspsychologie und wurden unlängst mit dem Dean’s Award der Fakultät ausgezeichnet. Was reizt Sie an der Lehrtätigkeit?
Kerstin Klär: Das Pforzheimer Modell setzt auf eine breite und zugleich tiefgehende berufsqualifizierende Ausbildung, die klar am Arbeitsmarkt orientiert ist. Es ist genau diese Kombination in der Lehre, die ich selbst als Studentin in Pforzheim sehr geschätzt habe – und es ist der enge Kontakt zu den Professorinnen und Professoren, der mich und meinen Lebensweg geprägt hat.
Als ich den Lehrauftrag für Qualitative und Psychologische Marktforschung 2002 übernommen habe, war mein Antrieb, Studierenden neben einem fundierten theoretischen und praktischen Rüstzeug, auch die Liebe zu unserem Beruf als Marktforscher und Marktforscherinnen zu vermitteln. Und das tue ich bis heute. Denn eins hat sich in all den Jahren nicht verändert: meine Leidenschaft für die Marktforschung. Ich brenne für meinen Job. I LOVE MAFO.
Gab es wichtige Vorbilder oder Mentorinnen, die Ihre berufliche Entwicklung beeinflusst und gefördert haben?
Kerstin Klär: Es gibt viele Menschen, die mich unterstützt haben, die mich inspiriert haben, die mich gefördert und gefordert haben. Meine Eltern haben mir Werte wie Respekt, Freundlichkeit, Mitgefühl und Unabhängigkeit vermittelt, aber auch Tugenden wie Verantwortungsgefühl, Ehrgeiz und Disziplin.
Als Marktforscherin begleitet mich Christa Wehner seit über 25 Jahren, zunächst als Professorin, dann als Kollegin an der Business School und auch als gute Freundin. Sie ist Vorbild und Mentorin für mehrere Generationen junger Forscher und Forscherinnen und vor knapp zwei Wochen wurde sie mit der Verdienstmedaille der Hochschule Pforzheim für ihre besonderen Verdienste um die Hochschule und ihr nachhaltiges Engagement ausgezeichnet. Mehr zur Ehrung von Christa Wehner.
Gibt es bei Ihrer Arbeit als CEO einen typischen Arbeitsalltag und welche Schwerpunkte machen Ihre Tätigkeiten aus?
Kerstin Klär: Das Schöne ist: es gibt keinen typischen Arbeitstag! Jeder Tag ist anders und das erlebe ich als extrem bereichernd. Als Geschäftsführerin nehmen Management-Aufgaben einen wichtigen Teil ein. Aber mein Herz schlägt für die Projektarbeit. Ich bin eine leidenschaftliche Forscherin und ich brenne für meine Kunden und Kundinnen, deren Fragestellungen und Herausforderungen.
Management-Aufgaben teilen Oliver und ich uns. Ich bin für Finance zuständig, Oliver für Marketing und PR sowie IT. HR, Strategie und Unternehmensentwicklung machen wir gemeinsam. Außerdem haben wir ein tolles Team und erarbeiten viele interne Themen gemeinsam.
In der Besetzung Ihres Unternehmens fällt auf, dass Sie mehr Frauen als Männer beschäftigen, in der Marktforschungsbranche noch eher ungewöhnlich. War das eine bewusste Entscheidung?
Kerstin Klär: Gender Equality ist bei Q kein Thema, über das wir diskutieren müssen. Wir leben Gender Equality in allen Bereichen. Was bei uns zählt, sind fachliche und soziale Skills, Leidenschaft und Energie und der Wille zu gestalten und sich zu engagieren – für die Marktforschung, für unsere Kundinnen und Kunden, für unsere Projekte, für das Team.
Gerade in unserem Berufsfeld ist es so wichtig, über den Tellerrand zu blicken, offen, neugierig und beweglich zu sein. Perspektivenwechsel sind wichtig, um unsere gewohnten Spurrillen zu verlassen, neue Wege auszuprobieren und dadurch zu neuen Einsichten und besseren Lösungen zu kommen. Deshalb schätzen wir Interdisziplinarität und Menschen, die durch ihre Persönlichkeit überzeugen.
Frau Klär im Videointerview
Sehen Sie hier Frau Klär zu ausgewählten Aspekten der gestellten Fragen im Video!
Aus Ihrer Sicht in einer leitenden Position: wie können Männer in der Marktforschungsbranche dazu beitragen, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen, die gleiche Chancen und Gleichbehandlung fördert? Wo sehen Sie auch bei Frauen noch Verbesserungsbedarf?
Kerstin Klär: Offen gesagt finde ich die Frage nach dem „männlichen Beitrag“ nicht zielführend. Sollten wir nicht besser damit anfangen, gemeinsam daran zu arbeiten, faire Bedingungen für ALLE zu schaffen?! Respekt, Offenheit, Empathie, Vertrauen und Selbstverantwortung sind Werte, die meiner Meinung nach ganz automatisch zu Gleichberechtigung und Chancengleichheit führen. Und diese Werte sind weder weiblich noch männlich, sondern menschlich.
Es reicht nicht aus, Werte auf eine Website oder auf die Wände in Meetingräumen zu schreiben. Werte müssen im Alltag gelebt werden. Als Geschäftsführerin bin ich Vorbild und auch Vor-Denkerin. Erlebbar werden Werte jedoch, wenn sie von einem Team gelebt werden.
Wir bei Q haben eine Kultur der Selbstverantwortung und wir ermutigen unsere Kolleginnen und Kollegen dazu, ihre eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen und gleichzeitig Verantwortung für ihre Entscheidungen und ihr Handeln zu übernehmen. Wenn es zu Konflikten kommt, werden sie offen angesprochen und wir suchen gemeinsam nach einer Lösung dafür.
Sind Frauen-Netzwerke ein Lösungsansatz, um Gender Equality zu erreichen?
Kerstin Klär: Ich bin keine große Freundin von Frauen-Netzwerken, genauso wenig wie von Männer-Netzwerken. Auch Frauen-Netzwerke erzeugen keine Diversität, denn sie sind auch nur einem – in diesem Fall dem weiblichen – Geschlecht vorbehalten. Überwinden wir Geschlechtergrenzen, indem Männer mit Männern und Frauen mit Frauen reden? Erreichen wir auf diesem Weg eine strukturelle Veränderung in Organisationen, Gremien oder der Arbeitswelt insgesamt? Ich habe da meine Zweifel. Gibt es keinen besseren, smarteren Weg, z. B. indem wir Diversität und Interdisziplinarität leben?!
Wie gelingt Ihnen eine Work-Life-Balance und wodurch gewinnen Sie neue Inspirationen für Ihre Arbeit?
Kerstin Klär: Ich bin ein gutes Beispiel für Work-Life-Blending. Als CEO in einem mittelständischen Unternehmen, ist Q aus meinem Leben nicht wegzudenken. Lebenswelt und Arbeitswelt verschmelzen geräuschlos. Und das ist gut so. Es gibt Themen und Aufgaben, die begeistern mich so sehr, dass es kein Problem ist, am Abend, am Wochenende oder im Urlaub darüber nachzudenken.
Ich habe aber auch eine gut ausgeprägte hedonistische Ader – und das Gute daran ist, dass sich Inspiration und Hedonismus super miteinander verbinden lassen. Ich liebe es, zu reisen und fremde Länder, Kulturen und Szenen zu entdecken. Aber auch beim Wandern im Pfälzer Wald, bei einem Montags-Konzert im grandiosen Jazz-Club „Ella & Louis“ in Mannheim oder bei einem Besuch der Kunsthalle lade ich meine Akkus auf.
Wie sehen Ihre Zukunftsvisionen für Frauen in der Marktforschungsbranche aus? Was ist der wichtigste Ratschlag, den Sie Neueinsteigerinnen in der Marktforschungsbranche geben können?
1. Überlasst es nicht dem Zufall oder der Initiative anderer „entdeckt“ zu werden. Das mag zwar bequem sein, macht euch aber handlungsunfähig. Seid aktiv.
Manche Menschen stecken viel Zeit in ihre Urlaubsplanung, machen sich aber keinerlei Gedanken um ihre berufliche Weiterentwicklung. Das ist schade, denn nur wer sich bewusst macht, was er will, kann sein Handeln an seine Bedürfnisse anpassen.
2. Karriere ist kein Zufallsprodukt. Wer Karriere machen will, sollte seine Ziele formulieren – und zwar möglichst konkret. Wer seine Ziele erreichen will, muss auch daran glauben, dass alles klappt. Unsere Überzeugungen bestimmen immer die Obergrenze dessen, was möglich ist.
Und 3. macht das, was ihr liebt, und lasst alles andere sein. Diese Mini-Gebrauchsanweisung gilt übrigens für Frauen und Männer.
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