Persönliche Eindrücke von Oliver Tabino I love Mafo in der Metropolregion Rhein/Neckar
Eine kleine Bemerkung vorweg: Dies ist nicht die offizielle "Geschichte" der Markt- und Sozialforschung im Rhein/Neckar-Gebiet. Es sind persönliche Eindrücke und Geschichten, die sich um das Thema "I love Mafo" drehen.
Wie für mich alles begann: Endlich mal wieder ein "Experimentalist"
1997, Uni Heidelberg, Praktikumsbüro. Als Soziologie- und Politikstudent war die Auswahl an Praktikumsplätzen beschränkt. Zwei oder drei kämen in Frage, meinte die Dame. Ich las die Kurzbeschreibungen durch und blieb an dem Begriff Sinus hängen. "Sinus? Sind das nicht die mit den Milieus?", habe ich mich gefragt. Wir hatten in Politikwissenschaft gerade die Bundestagswahl 1994 nachträglich statistisch ausgewertet und unser Dozent – Dr. Dieter Roth von der Forschungsgruppe Wahlen aus Mannheim – hatte uns neben den klassischen soziodemographischen Variablen wie etwa Geschlecht, Bildung und Alter auch psychographische Variablen auswerten lassen. Das war mein erster Kontakt mit der Idee von sozialen Milieus und den Sinus Milieus. Ich war angefixt.

Dies konnte kein Zufall sein. Die schriftliche Bewerbung war erfolgreich, ich wurde nach Ziegelhausen eingeladen. WTF ist Ziegelhausen? In einem kleinen Dorf bei Heidelberg sollte die Keimzelle der Sinus-Milieus sein? Ich konnte es kaum glauben, bis ich in einem braunen Cordanzug und mit kahl geschorenem Schädel (Mode, kein politisches Statement) vor der Eingangstür stand. Bei meinem Bewerbungsgespräch sagte Michael Schipperges dann schließlich einen Satz, den ich damals noch nicht wirklich einordnen konnte: "Den nehmen wir, wir brauchen endlich mal wieder einen Experimentalisten!" So startete mein Sozial- und Marktforschungsleben.
Rückblick: Die Mafo-Keimzelle
Netzwerke und Networking war bereits zu dieser Zeit, Ende der 90er, ein Thema. So richtig durchblickt habe ich das damals allerdings nicht. Ich hörte nur immer wieder den Satz: "Das ist Peoples Business. " Was das aber für einen Standort bedeuten kann, lässt sich erahnen, wenn man einen Blick auf die Forscherinnen und Forscher aus und in der Region wirft. Ulrich Becker, Jörg Ueltzhöffer, Wilhelm Kampik und Stephan Teuber von der GIM, die Familie Nowak und die Milieu-Forscher Bodo Flaig und Doris Ressing, das Ergo-Netzwerk mit Barbara Nellessen und Julia Siegerstetter, Natacha Dagneaud von Séissmo, Michael Schipperges, Gründer von sociodimensions. Eine weitere, zentrale Figur ist sicherlich Bernt Spiegel: In den 50er- und 60er-Jahren hat er, der spätere Professor in Göttingen, im damaligen Mannheimer Institut für Marktpsychologie "die Grundlagen der Marktpsychologie gemauert", wie der Branchen-Informationsdienst Context einmal schrieb. Die Liste lässt sich natürlich noch weiter ausführen, aber es ist interessant zu sehen, wie sich aus dieser Keimzelle in den vergangenen Jahrzehnten ein richtiges Markt- und Sozialforschungscluster in der Metropolregion Rhein/Neckar gebildet hat.
Menschen sind Chancen
Nicht nur an dieser Keimzelle lässt sich erkennen: In der Markt- und Sozialforschung sind Menschen zentral! Menschen als Untersuchungsgegenstand, aber auch Menschen als Kollegen, mit denen man sich austauschen kann, um ein Projekt oder sich selbst weiterzuentwickeln. Menschen, die einen inspirieren, auf neue Ideen bringen. Menschen, die einen dazu bringen, sich selbst zu hinterfragen und sich gegenseitig zu pushen. Wenn man solche Menschen um sich hat, dann fällt vieles leichter. Aber wie trifft man solche Menschen? Ich sehe das so: Wenn man mit offenen, neugierigen Augen durch die Welt geht, ist man ein besserer Forscher und gleichzeitig eröffnen sich Chancen, die man dann nur noch erkennen und ergreifen muss. Oder, wie ich vor ein paar Tagen auf einem T-Shirt gelesen habe: "It’s nice to be nice."
Auf diese Weise bin ich beispielsweise an meinen ersten Nebenjob als Soziologiedozent in der Erwachsenenbildung gekommen. Nach einer Weihnachtsfeier habe ich die Schulleiterin kennen gelernt. Wir fanden uns sympathisch, haben uns interessiert unterhalten und aufgrund eines Ausfalls einer Dozentin war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Dies war übrigens der Beginn einer immer noch anhaltenden und äußerst inspirierenden Beziehung. Durch Susanne Breuer kam ich mit NLP, Coaching, systemischer Psychologie, Organisationsaufstellungen und dem Konstruktivismus in Berührung. Meine Haltung als Forscher hat das nachhaltig geprägt.
Es gibt noch weitere Anekdoten dieser Art, die beispielsweise zu Lehraufträgen bei den Ethnologen an der Uni Heidelberg oder Vorlesungen an der SRH Hochschule und an der Uni Landau geführt haben. Ich erinnere mich auch an ein Alumni-Treffen der Heidelberger Soziologen, bei dem ich dachte: "Oh, doch einige Marktforscher hier." Die in der Region beheimateten Institute haben offensichtlich dafür gesorgt, dass es Bedarf und Stellen in der Marktforschung und natürlich auch Sozial- und Politikforschung gibt. Man kann demnach auf jeden Fall von einem Sofo-und Mafo-Cluster in der Metropolregion Rhein/Neckar sprechen und das bedeutet für Unternehmen, Hochschulen, aber auch Bewerber ein riesiges Potenzial.
I love Mafo in Mannheim
Als Kerstin Klär, Thomas Perry und ich 2008 Q | Agentur für Forschung gegründet haben, haben wir uns überlegt, wo wir die Q | Zentrale am besten positionieren sollten. Die Entscheidung, in der Metropolregion Rhein/Neckar zu bleiben, war eine sehr bewusste Entscheidung. Neben vielen anderen Alternativen wie Hamburg und Berlin, gab es sehr gute Argumente, hier zu gründen und Q | an diesem Standort weiterzuentwickeln. Für Gründer spielen neben vielen Aspekten und Überlegungen auch Rahmenbedingungen eine große Rolle. Wir haben vor allem in unseren Anfangsjahren die Aktivitäten der Stadt Mannheim und das Engagement der Wirtschaftsförderung und der mg, dem Träger der Mannheimer Gründungszentren, schätzen gelernt. Wir hatten die Möglichkeit, im Mafinex-Technologiezentrum flexible Büroeinheiten zu beziehen, die stetig mit unserem eigenen Wachstum mitgewachsen sind.
Aber auch für das Thema Mafo-Human-Ressources und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen war und ist das lokale Netzwerk immer noch Gold wert. Die Verbindungen zur Hochschule Pforzheim und dabei vor allem zu den von uns sehr geschätzten Professorinnen Christa Wehner und Elke Theobald bedeuteten Austausch bei der Gründung von Q |, Inspiration, wissenschaftliche Diskussionen, Empfehlungsmarketing und auch ganz eindeutig Zugang zu Studentinnen und Studenten, wie eine lange Liste von Q-Praktikanten und -Kollegen verdeutlichen. Neben der eigenen Überzeugung und Leidenschaft, ein Unternehmen über Jahre hinweg weiterzuentwickeln, sind diese Rahmenbedingungen und Netzwerkeffekte nicht zu unterschätzen, das erleben wir immer wieder. Im Mafinex-Technologiezentrum befinden sich beispielsweise viele interessante Menschen und Unternehmen, wodurch immer wieder Austausch, Empfehlungen und manchmal – wie ich gleich noch genauer ausführen werde – sogar eine Zusammenarbeit entstehen. Klar, viele Kontakte bei XING und LinkedIn, Facebook und Twitter zu haben, ist schön, aber ein Face-to-Face-Gespräch, eine Diskussion, ist immer noch extrem wichtig.
Standortvorteile: High Tech meets Mafo
Die Vorzüge der Metropolregion Rhein/Neckar für Sozial- und Marktforscher habe ich bereits dargelegt, es kommt aber ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu: Unsere Branche ist im Wandel. Einige sehen das als den möglichen Untergang des Mafo-Abendlandes und andere als eine große Chance. In irgendeinem Vortrag über Marken habe ich einmal diesen Satz gehört: "Zukunft braucht Herkunft." Ich erkenne darin immer noch einen interessanten Aspekt, der sich auch auf unsere Branche und sicherlich den Standort übertragen lässt. Aber wir können uns nicht nur auf unsere Herkunft und Tradition berufen, das wäre fahrlässig. Ich bin mir sicher, dass wir vor Herausforderungen stehen, aber das macht unser Leben als Forscher extrem spannend. Was wir jedoch nicht machen dürfen: in unserem eigenen Saft braten, nicht über den Tellerrand schauen und alles mit einer "Ja, aber"-Attitüde zerreden. Auch dabei helfen Netzwerke und Standorte, die diese Einstellung fördern und somit als Inkubatoren dienen. Gerade in Heidelberg und Mannheim gibt es extrem viele Neu- und Ausgründungen in den Bereichen Big Data, Targeting, Personalised Marketing, Marketing-Automation etc. Der Einfluss von SAP ist für den IT-Standort Rhein/Neckar sicherlich riesig, aber es haben sich natürlich weitere Netzwerke gebildet, die für uns Sozial- und Marktforscher spannend sind.
Ein Beispiel gefällig?
Auf der GOR-16-Konferenz der DGOF in Dresden hielt Professor Vincent Hendricks eine Keynote zum Thema Internet-Bubbles. Für uns stellte sich die Frage, wie man diese Bubbles in der digitalen Welt ausfindig machen und in einem zweiten Schritt vermessen und analysieren kann. Methode, Idee, gewünschter Output war uns klar, aber an der Umsetzung haperte es, weil wir Forscher und Berater und keine Entwickler sind. Wir haben ein Briefing geschrieben und es innerhalb eines virtuellen, schwarzen Bretts des Mafinex-Technologiezentrums gepostet. Innerhalb von 20 Minuten hat sich der CTO eines unserer Nachbarn gemeldet, der uns bisher nie aufgefallen war. Die CONIAS Risk Intelligence ist eine Ausgründung aus der Politikwissenschaft der Universität Heidelberg und betreibt Risikoanalysen auf Basis von öffentlich zugänglichen, digitalen Inhalten. Innerhalb kürzester Zeit haben wir gemeinsam den Q | WebAnalyzer entwickelt und somit unsere neueste Innovation im Bereich Digital Research auf den Markt gebracht. Für uns war dies die erste Investition in ein eigenes Analysetool und ein großer Schritt für Q |. Ohne diese räumliche Nähe und die vielen Diskussionen und Tests wäre die Umsetzung sicherlich schwieriger gewesen. Selbst in einer digitalisierten, fast barrierefreien Kommunikationswelt lohnt sich der direkte Austausch und die räumliche Nähe macht viele Dinge einfacher.
Fazit: Ein Dubbeglas voller Ideen und I love Mafo
Ich könnte die Lobhudelei über die Metropolregion Rhein/Neckar fortführen, denn ich bin wirklich davon überzeugt, dass es ein nahezu perfekter Standort für Markt- und Sozialforscher ist. Wie die letzte Research plus der DGOF in Mannheim wieder gezeigt hat, besteht großer Bedarf an Austausch und die Forscher aus der Region haben Vieles und Spannendes zu erzählen. Dafür sprechen die bereits erwähnten Network- und Clustervorteile aus traditionellen Instituten, Hochschulen, wissenschaftlichen Instituten, Mafo-Start-ups, Felddienstleistern, Freelancern, Praktikanten und nicht zuletzt Tekkies.
Das Dubbeglas steht für weitere, angenehme Nebeneffekte, die die Metropolregion attraktiv und lebenswert machen: Ein ordentlicher Schoppen Pfälzer Wein hat bestimmt schon zum einen oder anderen wilden Gedanken geführt. Das kulturelle und kulinarische Angebot ist riesig, vom romantischen Heidelberger Philosophenweg bis hin zum urbanen Mannheimer Brückenaward findet man so ziemlich alles. Oder hätten Sie gedacht, dass der Leberkäs gar nicht ursprünglich aus Bayern kommt? Zudem ist die Lage verkehrstechnisch ideal für viel reisende Gruppendiskussionsmoderatoren und im Herzen Europas.
P.S.: Falls der Verdacht aufkommen sollte: Nein, ich arbeite nicht als PR-Berater für die Metropolregion Rhein/Neckar.
Der Autor

Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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