Hyperpersonale Angebote durch Predictive Analytics
Von Janine Seitz, Zukunftsinstitut
Daten sind die ungeborgenen Schätze – diese Erkenntnis hat inzwischen alle Branchen weltweit erreicht und es herrscht aufgeregte Goldgräberstimmung in Unternehmen. Durch computergestütztes Sammeln, Vernetzen und algorithmisches Auswerten riesiger Datenmengen entstehen Ergebnisse, die in ihrer Fülle und Komplexität durch Menschen alleine nicht lieferbar wären. Doch der Blick auf die aktuelle Situation zeigt: das Handling von Daten stellt für Unternehmen noch immer eine große Herausforderung dar. Viele Firmen sitzen nach wie vor auf ihren Kundendaten, ohne sie sinnvoll zu nutzen. Denn tatsächlich ist der Wert der Daten gering, solange die Informationen nicht in kluger Art und Weise verknüpft, selektiv auf das Wesentliche reduziert und nutzbringend wieder ausgegeben werden. Richtig eingesetzt, könnten sie jedoch komplexe Bedürfniskonstellationen der Menschen aufzeigen, Kosten senken und den Profit steigern. An klugen Algorithmen, die die Flut der Daten für Unternehmen und Individuen nützlich machen können, tüftelt die IT-Branche bereits seit Jahren.
Der analytische Blick in die Zukunft
Verbrechen bereits vereiteln, bevor sie entstehen, das klingt nach einer Sci-Fi-Vision, wie sie im Kinofilm Minority Report gezeigt wird. Doch die vorausschauende Polizeiarbeit ist in den USA längst verbreitet. In Europa und besonders im deutschsprachigen Raum ist man zurückhaltender im Einsatz von Predictive-Analytics-Technologien. Künftig führt die umfassende Datenauswertung auf Grundlage von Mustererkennung zu immer präziseren Prognosen. Nicht mehr nur die Polizei setzt auf datenbasierte Prognosetools, sondern Unternehmen aller Branchen können mit Predictive-Analytics-Methoden Verhaltensmuster anhand von Kundendaten analysieren und für antizipatorische, personalisierte Angebote nutzen.
Vor allem die E-Commerce-Branche kann von der Verwertung der wachsenden Menge an User-Daten profitieren: 82 Prozent der Deutschen, die das Internet nutzen, haben im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt dort auch Waren und Dienstleistungen eingekauft. Die Konsumaktivität im Netz steigt, der Online-Handel boomt: Weltweit liegt Deutschland nach einer Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney auf Platz 5 der wachstumsstärksten Märkte für den E-Commerce.
Trend zur Hyperpersonalisierung
Die Nutzung der immensen Datenmengen, die im World Wide Web entstehen und kursieren, eröffnet dem Handel neue Möglichkeiten, Konsumenten in ihrer Individualität zu erreichen und Ideen von außen einzubinden. Der Trend zur Hyperpersonalisierung – die Symbiose von Datenanalyse und Personalisierung – hat das Potenzial, das Online-Shopping zu revolutionieren. Ein hochgradig individuelles Angebot setzt die Auswertung und Vorausberechnung des Surfverhaltens der Menschen mithilfe selbstlernender Algorithmen voraus. Analysiert werden dabei unter anderem eingegebene Suchbegriffe, besuchte Produktseiten, Wunschlisten und Bestellungen. In Zukunft werden semantische Auswertungen mithilfe einer Metadatenebene dabei helfen, noch präzisere Aussagen aus den Daten abzuleiten. Der smarte Einsatz von Daten lässt Omni-Channeling und das damit verbundene nahtlose – kanalübergreifende – Einkaufserlebnis Wirklichkeit werden.
Was passiert, wenn solche Daten miteinander vernetzt werden, kann man heute schon an personalisierten Werbeanzeigen beobachten. Künftig möchten Händler aber nicht nur die Wünsche der Kunden erahnen, sondern ihre Interessen so sicher voraussagen können, dass die gewünschte Ware bereits in einem nahegelegenen Versandzentrum bereitliegt, noch bevor der Kunde seine Bestellung aufgegeben hat. Im vergangenen Jahr meldete Amazon ein Patent auf ein solches "Anticipatory Shipping", das ein Baustein des hyperpersonalisierten E-Commerce werden könnte, bei dem Kunden ein noch komfortableres Shopping-Erlebnis inklusive Ad-hoc-Lieferservice geboten wird. Ganz nebenbei werden sie noch enger an einen Allround-Anbieter gebunden.
Doch die vorausschauende Analyse ist nicht nur Big Playern vorbehalten. IT-Unternehmen buhlen bereits mit speziell für den E-Commerce entwickelter Prognosesoftware um die Gunst mittelständischer Online-Händler. So bietet beispielsweise für den deutschsprachigen Raum das Unternehmen Intershop Communications mit Sitz in Jena mit dem Prognose-Tool "Simcommerce Predictive Analytics" eine Software-as-a-Service-Lösung für den Mittelstand.
Sicherheitsbedürfnis wächst in der Datenwelt
Doch Hyperpersonalisierung ist mehr als Daten zu sammeln, zu analysieren, zu evaluieren und anzuwenden. Mit der Vernetzung von Menschen und Dingen steigt auch das Sicherheitsbedürfnis. Datenschutz und Sicherheit sind wichtige Faktoren für die Hyperpersonalisierung von Online-Angeboten. Laut des Sicherheitsreports 2014 der Telekom haben 59 Prozent der Deutschen ein ungutes Gefühl, wenn sie im Internet ihre persönlichen Daten angeben müssen, um zum Beispiel etwas online zu bestellen. 71 Prozent machen sich große Sorgen, dass ihre persönlichen Daten von Unternehmen missbraucht werden könnten. Knapp 56 Prozent der deutschen Internetnutzer empfinden Online-Shopping als eher riskant bis sehr riskant, so das Ergebnis des DsiN-Sicherheitsindex 2015.
Diese Sorgen und Ängste können nur bedingt durch rechtliche Regelungen gemindert werden. Vielmehr ist die persönliche Kommunikation zwischen Shopbetreibern und Nutzern entscheidend. Dem Einzelnen die Hoheit über seine persönlichen Daten zu geben, ist ein wichtiger Schritt zur Hyperpersonalisierung des Shopping-Erlebnisses. Das beinhaltet, dass Kunden Zugriff auf ihre gespeicherten Daten bekommen und sie bearbeiten können: Das Ändern von Inhalten, Hinzufügen von Informationen, aber auch Löschen von Daten. Unternehmen, die langfristig erfolgreich sein wollen, müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass Predictive Analytics nur gemeinsam mit dem Kunden nachhaltig funktionieren kann. Die wichtigste Grundlage ist Vertrauen und ein Wandel im Denken, das den Menschen in den Mittelpunkt der Technologie stellt.
Die Autorin

Janine Seitz ist Redakteurin und Projektleiterin der Branchen-Reports beim Zukunftsinstitut.
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