Hürden-Analyse: Was tun, wenn der Umsatz stagniert?

Matthias Staritz, Sascha Sommer (Homburg & Partner)

Von Dr. Matthias Staritz, Partner, und Sascha Sommer, Consultant, Kompetenzzentrum Pharma bei Homburg & Partner

1. Lösungsorientierte Methode für stagnierende Umsätze

Trotz erfolgreichem und vielversprechendem Start eines Produktes stagnieren nach einigen Jahren plötzlich dessen Umsätze. Obwohl den Fachbereichen Marketing und Vertrieb eine Vielzahl an Vermutungen zu den Ursachen dafür vorliegen, entsteht auf einmal große Unsicherheit. Gleichwohl müssten strategische und operative Maßnahmen angestoßen werden, um aktuelle und weitere Potentiale heben zu können.

Die von Homburg & Partner entwickelte Hürden Analyse hat sich in vielen Beratungsprojekten als ideale Methode zur Lösung solcher und ähnlicher Situationen erwiesen. In den unterschiedlichsten Unternehmenssituationen identifizieren und bewerten wir hypothesengetrieben mit diesem Ansatz Umsatzhürden und leiten darauf basierend konkrete Handlungsempfehlungen ab. Da die Methode auf die Bedürfnisse des jeweiligen Kunden angepasst wird, kommt sie auch bei anderen Fragestellungen zum Einsatz.

In den nächsten Abschnitten möchten wir anhand von fünf generellen Vorgehensweisen aus unserer Beraterpraxis aufzeigen, für welche wachstumsbezogenen Herausforderungen wir diesen Ansatz bereits eingesetzt haben und dabei das idealtypische Vorgehen skizzieren. Im letzten Teil wollen wir über unsere zentralen Erfolgsfelder beim Einsatz dieser Methode sprechen. 

2. Umfassende Analyse von Wachstumschancen

Insbesondere bei fünf zentralen Fragestellungen des strategischen Marketings hat sich die Hürden Analyse in der Vergangenheit als hilfreiche Methode bei Homburg & Partner erwiesen. (vgl. Grafik 1)


Grafik 1

Das erste Einsatzgebiet der Methode sind Umsatzausdehnungen von reifen Produkten. Gemeinsam mit einem großen Pharmahersteller analysierten wir die Hürden von Ärzten bei der Verwendung eines Präparats für die Behandlung von Schlaganfallpatienten. Zentrales Projektergebnis war ein Modell zum umfassenden Verständnis der tatsächlichen Behandlungsweise, mit dessen Hilfe wir bundeslandweite und zielgruppenspezifische Unterschiede identifizieren konnten.

In einer Fragestellung eines zweiten Pharmaherstellers untersuchten wir die Markthürden eines jungen Anästhesie-Produktes. Trotz vielversprechender Absatzprognose blieb das Wachstum nach dessen Markteinführung deutlich unter den Erwartungen. Die Hürden Analyse wurde hier erfolgreich zum Zwecke der Umsatzausdehnung bei einem Neuprodukt eingesetzt.

Darüber hinaus kann die Methode für die Fundierung wichtiger Marketingentscheidungen, wie z.B. der Erschließung neuer Märkte, eingesetzt werden. Ein Hersteller für medizinisches Gerät beauftragte uns in diesem Zusammenhang mit ihm zu analysieren, ob eines seiner Beatmungsgeräte für COPD-Patienten auch für atemgeschwächte Kinder vermarktet werden könne und welche Hindernisse dabei bestehen.

Die Weiterentwicklung eines Analyseinstruments für einen Hersteller von Diagnostik-Geräten ist häufig mit sehr hohen Investitionen verbunden. In einem weiteren Fall konnten wir mit Hilfe unserer Methode bei zentralen Fragen der Produktentwicklung, wie Eigenschaftsausprägungen und Abgrenzungspotential gegenüber Wettbewerbern, unterstützten.

Den Launch eines Produktes betreuten wir in einem Projekt für einen Hersteller von medizinischen Gebrauchsgütern im Bereich Wundversorgung. Hier galt es zu bestimmen, welche Hürden die Produktverwendung hemmen könnten und welche Preispositionierung gewählt werden sollte. 

3. Kundenindividuelles und adaptierbares Modell in vier Phasen

Anhand der eben vorgestellten Praxisbeispiele möchten wir das Vorgehen unserer Methode im Detail vorstellen. (vgl. Grafik 2)


Grafik 2

Obwohl zumeist kundenindividuelle Anpassungen vorgenommen werden, besteht die Hürden Analyse im Allgemeinen aus den vier Phasen: Hypothesengenerierung, Hypothesenprüfung, Hürdengruppierung & Maßnahmengenerierung.

Nach der Definition des Untersuchungsziels (z.B. die Umsatzausdehnung oder Erschließung neuer Zielgruppen) beginnen wir in der ersten Phase mit der Entwicklung eines Hypothesenkatalogs. Um hier strukturiert die interne und externe Perspektive abzudecken, bedienen wir uns gängiger betriebswirtschaftlicher Konzepte, wie Porter’s Five Forces, der SWOT - Analyse und dem Marketing Mix. Zu diesem Zeitpunkt entstehen bereits die ersten Hypothesen. Diese Ideen werden häufig in internen Tiefeninterviews mit allen Fachbereichen erweitert und gemeinsam validiert. Darüber hinaus findet eine Sichtung aller weiteren nutzbaren Quellen statt, wie beispielsweise die im Unternehmen verfügbare Marktforschung. Im Rahmen unserer Projektarbeit mit dem Hersteller von medizinischen Verbrauchsgütern nutzten wir neben internen Gesprächen beispielsweise sehr intensiv fachbezogene Datenbanken aber auch Foren und Ärzteplattformen für die Entwicklung unseres Hypothesenkatalogs. (Vgl. Grafik 3)


Grafik 3

Die zweite Phase umfasst die Prüfung der abgeleiteten Hypothesen. Ziel dieser Phase ist der Beleg aller vorgebrachten Aussagen. Hierzu werden oftmals zusätzliche Marktstudien angestoßen. Sehr intensiv sprachen wir im Praxisbeispiel des medizinischen Gebrauchsgüterherstellers mit Krankenschwestern und ambulanten Pflegedienstleistern über ihre Bedürfnisse bei der Wundversorgung. In diesen Gesprächen wurde uns bspw. bestätigt, dass man den Wundreiniger nicht nutzen würde, weil er optisch zu hochwertig und damit zu teuer wirke. (vgl. Grafik 4) Ähnlich gingen wir bei unserem Projekt mit dem Hersteller für medizinisches Gerät vor. Hier ermittelten wir bei den befragten Laborverantwortlichen den Bedarf nach einem Kombinationstest mit möglichst großer Test-Bandbreite.


Grafik 4

Bei der anschließenden Hypothesenverdichtung in der nächsten Phase orientieren wir uns an dem Prinzip der Vollständigkeit und Überschneidungsfreiheit. Das Ergebnis dieser Phase ist eine bewertete und übersichtliche Anzahl von Hürden. Eine der größten Hürden eines Pharmaherstellers im Vertrieb eines Präparats zur Behandlung von Schlaganfällen sind Patienten, die Symptome eines Gehirnschlags oftmals gar nicht erkennen und deshalb nichts unternehmen.

In der dritten Phase wird eine Strukturierungslogik entwickelt, um die abgeleiteten Hürden zu gruppieren. Oftmals wird hier zwischen internen und externen Hürden unterschieden. Die genutzten Strukturen sind dann oftmals aus dem Marketing Mix entliehen. Im Projektbeispiel des Herstellers für Therapiegeräte der Atmungsunterstützung nutzten wir bspw. zur Visualisierung das Bild eines Hauses, bestehend aus den Bausteinen Markt, Produkt, Vertrieb, Marketing und Kunde. (vgl. Grafik 5).


Grafik 5

Nach der Gruppierung findet eine Bewertung der Hürden statt. Wesentliche Kriterien hierfür sind deren unmittelbare Umsatzauswirkung und der Grad der Beeinflussbarkeit. Im dargestellten Beispiel bedienten wir uns einer einfachen Ampel, welche die Stärke der Hürde in drei Stufen misst.

In der vierten und letzten Phase werden sinnvolle Maßnahmen abgeleitet, um die ermittelten Hürden zu überwinden. Ausschlaggebend für die Bewertung der einzelnen Maßnahmen ist die Evaluation ihrer Umsetzbarkeit und ihre Auswirkung auf den Geschäftserfolg. Bei unserer Analyse für den Hersteller eines Anästhesie-Präparats leiteten wir für vier Haupthürden insgesamt sechs übergreifende Maßnahmen ab. Diese umfassten beispielsweise die Lieferkettenoptimierung, die Wettbewerbsverdrängung und das Selektive Targeting. (vgl. Grafik 6).


Grafik 6

4. H&P Erfolgsfelder bei der Anwendung der Hürden Analyse

Abschließend möchten wir sieben zentrale Erfolgsfelder der Hürden Analyse aus unserer Projektarbeit besprechen.

  1. In den meisten Organisationen ist oftmals bereits sehr viel Wissen zur Hauptfragestellung vorhanden. Wesentlich für den Projekterfolg ist es, sich Zeit zu nehmen, um dieses Know-how zusammenzutragen und gemeinsam nutzbar zu machen.
  2. Daneben beeinflusst gerade die richtige Auswahl an externen Gesprächspartnern den Projekterfolg. Hierbei können Branchenexperten von Verbänden zu einer frühen Phase des Projektes zu stichhaltigen Hypothesen beitragen. Qualitative Gespräche mit Verwendern wie z.B. Pflegepersonal oder mit Entscheidern wie Medizin-Controllern oder Geschäftsführern haben sich als sehr hilfreich in unserer Beratungspraxis erwiesen.
  3. Bei der anschließenden Verdichtung der Hypothesen ist darauf zu achten, dass schwer beweisbare Aussagen nicht sofort ausgeklammert werden. Insbesondere blinde Flecken des Kundenverständnis bieten sich an, nochmals mit einer Marktforschung hinterfragt zu werden. Hierbei sollte jedoch auf die Kosten-Nutzen- Relation geachtet werden.
  4. Die Bewertung und Priorisierung der Hürden ist immer eine gemeinsame Projektaufgabe. Der Fachbereich, wie z.B. Marketing oder Vertrieb, kann hier seine Erfahrungen einbringen, um eine realistische Bewertung durchzuführen. Bei der Priorisierung der Hürden muss der zeitliche Aspekt der Umsetzbarkeit unbedingt einbezogen werden. In jeder Maßnahmensammlung sollte es eine spezifische Maßnahme geben, die schnell umsetzbar ist.
  5. Oftmals lassen sich mit einer neuen Maßnahme mehrere Hürden abdecken. Hierbei spielen Synergieeffekte eine wichtige Rolle. In jedem Fall muss eine Initiative immer einen eindeutigen Bezug zu einer bestimmten Hürde haben.
  6. Zur Untermauerung der abgeleiteten Maßnahmen nutzen wir oftmals Umsatz- und Potentialmodelle. Diese haben den Zweck, einen direkten Zusammenhang zwischen Umsatzsteigerung und Maßnahme aufzuzeigen. Damit liefern sie die ideale Diskussionsbasis für Marketingentscheidungen.
  7. Frühzeitig sollte schließlich über Controlling-Möglichkeiten von Maßnahmen nachgedacht werden. Auf Basis vorangegangener Marktpotentialschätzungen kann hier der aktuelle Status eingeschätzt werden. Wenn die definierten Hürden erfolgreich überwunden sind, waren die Maßnahmen erfolgreich.
 

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