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- "Hinter mir liegen mehr als 30 Jahre spannender, aber auch sehr herausfordernder Arbeit als Instituts-Chefin"
Dr. Beate von Keitz, Gründerin des Instituts für Kommunikations-Forschung "Hinter mir liegen mehr als 30 Jahre spannender, aber auch sehr herausfordernder Arbeit als Instituts-Chefin"

Das 1983 von Ihnen gegründete Institut für Kommunikations-Forschung ist mittlerweile Vergangenheit. Wie kam es zur Schließung der GmbH?
Dr. Beate von Keitz: Genau, 1983 habe ich die erste Firma angemeldet und meine erste Mitarbeiterin eingestellt. Hinter mir liegen mehr als 30 Jahre spannender, aber auch sehr herausfordernder Arbeit als Instituts-Chefin. Die Firma wuchs schnell, wir erhielten viele Aufträge, und wir mussten Pionierarbeit leisten, gerade bei der Implementierung der apparativen Testverfahren und ihrer Integration in das Werbetesting. Jetzt möchte ich etwas kürzertreten und zugleich einen neuen beruflichen Fokus setzen. Ich habe mich deshalb für eine Tätigkeit als freiberufliche Forscherin entschieden, ohne viel Verwaltung und Bürokratie. Also mehr Raum für das, was ich gern mache – für spannende Forschung und Analysen.
Gerade in Anbetracht der heutigen Datenflut bedeutet die Analyse der Daten eine wachsende Herausforderung. Um diese Herausforderung zu bewältigen, sind insbesondere Erfahrung und methodisches Wissen wichtig, also das, was ich mitbringe.
Wenn Sie zurückblicken auf die Anfänge 1983: Was sind die größten Veränderungen, die seitdem in der Marktforschung passiert sind? Wo steht die Branche heute im Vergleich zu damals?
Dr. Beate von Keitz: Die Veränderungen sind schon gewaltig. Marktforschung ist sehr komfortabel geworden. Die digitale Arbeitsumgebung, kostengünstige und leistungsfähige Rechner, die vielfältige Software – das alles bedeutet natürlich eine eminente Erleichterung. Dazu kommen die vielen neuen Datenquellen und die große Datenvielfalt. Als ich hingegen in den 80ern startete, wurden Papier-Fragebögen per Kurier durch die Republik geschickt, die Daten wurden von einer Datentypistin erfasst und gingen dann per Akustikkoppler in ein Rechenzentrum zur Auswertung.
Die heutige technologisch komfortable Situation führt aber auch zu den aktuellen Herausforderungen. Ursprünglich genuine Leistungen der Institute werden teils durch "Nicht-Marktforschende" erbracht oder ganz automatisiert. Auch die Vielfalt der Daten, über die die Unternehmen verfügen, macht die Institution der Marktforschung verletzbar.
Aber gerade wegen der Automatisierung und wegen der enormen Datenmengen braucht es Menschen, die intelligente Strukturen für die Datenvielfalt konzipieren und die die Ergebnisse dann auch in Entscheidungsgrundlagen und in Handlungsempfehlungen transformieren. Und genau darin liegt die Expertise von erfahrenen Marktforschenden. Kurzum: Eine Reihe von Aufgaben fallen in der Marktforschung heutzutage weg bzw. werden an anderer Stelle geleistet, aber umso wichtiger werden erfahrene Marktforschende für Konzeption und Interpretation.
Sie wurden akademisch von Prof. Kroeber-Riel geprägt, mit dem Sie auch lange zusammengearbeitet haben. Warum sollten sich junge Marktforschende heute noch mit seinen Werken auseinandersetzen?
Dr. Beate von Keitz: Das bekannteste Buch von Prof. Kroeber-Riel, "Konsumentenverhalten", ist ein umfassendes Grundlagenwerk, in dem die ganze Breite wissenschaftlicher Forschung zu diesem Themenkreis zu finden ist. Es wird auch nach dem Tod von Prof. Kroeber-Riel immer wieder auf den Stand der aktuellen Forschung gebracht, zuletzt 2019 durch Prof. Andrea Gröppel-Klein, die nun den Lehrstuhl in Saarbrücken innehat.
Die Konstrukte und Modelle von Prof. Kroeber-Riel sind auch heute hilfreich. Werner Kroeber-Riel postulierte als Erster, dass die ganzen Informationen (heute: der Content) nichts bewirken, wenn die Verbrauchenden nicht "aktiviert" werden. Insbesondere die Emotionen sind ein wichtiger Weg zur Wirksamkeit. Herr Kroeber-Riel sensibilisierte auch dafür, dass es in dem Prozess der Werbewirkung bis hin zur Kaufentscheidung sehr viele Wirkungsverluste gibt, angefangen bei der Aufmerksamkeit und Wahrnehmung.
Diese Wirkungsverluste zeigen sich auch heute in der Kommunikationsforschung sehr häufig. Es lohnt sich, über diese Details nachzudenken und die Prozesse finezutunen. Über die Forschung können wir die sensiblen Punkte identifizieren. Mit diesem Detailwissen können wir die Wirksamkeit des Kommunikationsangebots signifikant steigern und Schaltkosten einsparen. Auch wenn es letztlich "nur" um die Responses geht.
Ihr Herz schlug immer für apparative Verfahren. Was hat sich gerade in diesem Bereich in den letzten Jahren verändert?
Dr. Beate von Keitz: Ehrlich gesagt schlug mein Herz am Anfang überhaupt nicht für die apparativen Verfahren. Ich war durch das Studium ja auch von der kognitiven Psychologie geprägt. An meinem ersten Arbeitstag drückte mir Prof. Kroeber-Riel einen Koffer in die Hand und sagte, dass ich nun am Lehrstuhl für die Blickaufzeichnung zuständig sei. In dem Koffer war ein neues Blickaufzeichnungsgerät, Modell Motorradhelm. Es dauerte Monate, bis alles lief. Aber: Die apparativen Verfahren haben mich anschließend in der praktischen Arbeit überzeugt, durch ihren Nutzen und durch ihre hohe Validität.
Als ich mein Institut in den 80er Jahren gestartet habe und Methoden wie das Eye Tracking, Hautwiderstandsmessungen und Tachistoskop-Tests angeboten habe, war ich die Exotin unter den Marktforschenden. Trotzdem bekam ich schnell renommierte Kundschaft. Es gab einen großen Bedarf, mehr über Wahrnehmung und über emotionale Wirkungen zu erfahren. Heute gehören die apparativen Testverfahren zum etablierten Instrumentarium der Marktforschung. Das Spektrum der Verfahren hat sich noch deutlich erweitert. Speziell das Eye Tracking spielt eine wichtige Rolle, insbesondere wenn es um Wahrnehmung und Usability geht.
Welche Entwicklungen sehen Sie im Bereich apparative Verfahren? Welche Technologien finden Sie zukunftsweisend?
Dr. Beate von Keitz: Die apparativen Verfahren haben sich fundamental verändert. Die Geräte waren am Anfang unverschämt teuer – mein erster Eye Tracker hat gleich 40.000 DM gekostet. Die Geräte waren groß, schwierig zu bedienen, die manuelle Auswertung dauerte wochenlang. Und ständig funktionierte etwas nicht. Wir waren unentwegt am Organisieren und Troubleshooten.
Die Ergebnisse waren damals für viele Auftraggeber freilich spektakulär. Endlich Marktforschung, die nicht nur aus Tabellen und Zahlen bestand, sondern die man mit Spannung am Monitor verfolgen konnte. Trotzdem galt es letztlich, die Auftraggeber vom Nutzen dieser Forschung zu überzeugen. Immer wieder wurde geprüft, ob die Ergebnisse mit den Abverkäufen korrelieren und ob die Werbung mit Hilfe dieser Tests auch wirklich mehr Responses schafft. Die Daten bestätigten die apparativen Verfahren, und wir konnten auf diese Weise Vertrauen in die apparativen Tests aufbauen.
Heute ist das alles wesentlich einfacher: kleine, leichte Geräte, einfach zu bedienen und eine integrierte Datenauswertung. Und manchmal verwendet man gar keine Spezialgeräte mehr, sondern nutzt Smartphone oder Laptop, zusammen mit entsprechender Software. Solche Ansätze bieten im Kontext der Digitalisierung natürlich immense Möglichkeiten. Daten zu erhalten, ist also viel einfacher geworden. Die Herausforderung, die richtigen und nützlichen Konsequenzen aus den Daten abzuleiten, bleibt. Erfahrungen sind dabei sehr hilfreich und deshalb bleibt das für mich weiter ein spannendes Arbeitsfeld.
Und was haben Sie für die Marktforschung mit Ihrer Arbeit verändert? Worauf können Sie stolz sein?
Dr. Beate von Keitz: Mit meiner Arbeit, vielen Tests und vielen Veröffentlichungen, habe ich den apparativen Verfahren sicherlich mit zum Durchbruch im Markt verholfen. Und wir haben für die Verfahren ständig neue Einsatzgebiete entwickelt, z.B. die Katalogforschung für den OTTO Versand, Eye Trackings bei Mailings, bei Packungen, in der POS-Forschung im Supermarkt und auf der Tankstelle für ARAL, alles schon ab den 80-er Jahren. Auch Medien und Mediaagenturen setzten unsere neuen Ansätze ein, und wir haben eine neue Qualität von Wirkungsnachweisen etabliert. Verlage wie BURDA und die Ärzte Zeitung gingen mit unseren Eye Trackings das Thema Werbemittelkontakte offensiv an. Auch die Werbenutzung in verschiedenen digitalen Werbeumfeldern wurde bereits Thema. Also viele ganz neue Ansätze, die es vorher noch gar nicht gab. Es gab immer viele Diskussionen, auch mit den Auftraggebern: Kann das überhaupt funktionieren? Und wenn ja: Welches Setting liefert uns aussagefähige Ergebnisse? Diese Fragen mussten und konnten wir beantworten. Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass der Test in adäquaten Umfeldern eminent wichtig ist.
Unsere Test-Ergebnisse wurden ja auch wiederholt im Markt überprüft - der OTTO Versand errechnete bereits bei der ersten Eye Tracking Studie eine hohe Korrelation zwischen unseren Eye Tracking Daten und den bundesweiten Abverkäufen, immerhin 0.7! Das war natürlich ein tolles Feedback, und es trägt zur Akzeptanz der Marktforschung bei. Die Auftraggeber sahen auch immer wieder, dass sie durch den Ablauf "Kommunikationstest – Empfehlungen für die Optimierung – Überarbeitung – Retest" die Wirksamkeit ihrer Werbung signifikant steigern konnten oder dass sie auf diese Weise mit neuen Packungsdesigns Marktanteile gewinnen konnten. Das macht mich schon ein bisschen stolz, und es begeistert mich nach wie vor, daran mitzuarbeiten.
Sie waren fast 40 Jahre in der Marktforschungsbranche aktiv. Das ist ein großer Erfahrungsschatz. Wie gedenken Sie Ihre Erfahrungen an Nachfolge-Generationen weiterzugeben?
Dr. Beate von Keitz: Eine ganze Reihe von Mitarbeitenden ist durch die "Schule" des Instituts gegangen, und diese Mitarbeitenden haben anschließend in anderen Unternehmen viel bewegt. Zusätzlich habe ich oft Gastvorlesungen an Universitäten gehalten und Seminare betreut. Nun ist ein Buch in der Planung über die wichtigsten Erkenntnisse aus unserer Forschung. Marketeers und Agenturleuten hilft es, mit den richtigen mentalen Modellen an die Kommunikationsarbeit zu gehen: Welche Prozesse muss mein Kommunikationsangebot beim Verbrauchenden auslösen? Und über welche Hebel kann ich diese Prozesse wirksam steuern und optimieren? Das, was ich aus den vielen Studien dazu lernen konnte, findet man oft nicht in Lehrbüchern. Dieses Wissen gebe ich auch gern in den Präsentationen und in Firmenseminaren weiter.
Im Ruhestand sind Sie offensichtlich noch nicht. Was machen Sie gerade? Was sind Ihre nächsten Pläne?
Dr. Beate von Keitz: Nein, der Ruhestand ist definitiv noch nichts für mich. Aktuell bereite ich meine neue Tätigkeit vor, und die Studienarbeit hat auch schon begonnen. Die Studien führe ich jetzt zusammen mit meinem Suppliernetzwerk durch. Mein Angebot läuft unter dem Motto "Besser entscheiden – der Problemlöser". Es geht es mir um Forschung, die dem Management bei handfesten Problemen hilft – wenn z.B. Erfolge im Markt ausbleiben und das Marketing die Gründe dafür wissen will. Oder wenn die Herausforderung ansteht, sich für ein neues Konzept, für eine neue Kampagne zu entscheiden. Dazu gibt es ja auch schöne Erfolgsbeispiele aus meiner bisherigen Arbeit. Ergänzend gebe ich auch die Seminare.
Ich kann mir aber gut vorstellen, bei einer anderen Forschungsorganisation anzudocken und dort mit meinem Knowhow mitzuarbeiten. Weil ich ja nicht permanent mitarbeiten möchte, kann das eine hilfreiche Lösung für Institute sein, ihr Team bei Bedarf mit einem Senior Expert zu verstärken. Derzeit bin ich noch offen, mit wem ich arbeiten werde.
Zu Dr. Beate von Keitz

Kontakt:
www.vonkeitz.com, mail@vonkeitz.com
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