Hat das Unternehmertum in Deutschland noch Zukunft?

Oliver W. Schwarzmann, Zukunftsforscher und Publizist
Von Oliver W. Schwarzmann
Die Bereitschaft, ein Unternehmen zu gründen, sinkt auf den Nullpunkt – so das Ergebnis laufender Umfragen der Future Business Group. Der Research-Think-Tank der Vordenker-Medien fragt seit 1997 bei Schulabgängern, Studenten und Auszubildenden nach deren Motivation, sich selbstständig zu machen. Ernüchterndes Fazit: Die eigene Firma erscheint mittlerweile nur noch als Notlösung.
Für das Unternehmertum gibt es offensichtlich keine attraktiven Zukunftsperspektiven. Auf eigene Rechnung, also auf eigene Kosten und eigenes Risiko zu arbeiten, empfinden die meisten der Befragten (322 Schulabgänger Gymnasium/Realschule, 227 Studenten, 346 Auszubildende aus Industrie, Handel, Handwerk) mehr als Albtraum denn als Traum. Zum Vergleich: Gaben in 1997 noch knapp über 15% der Gesamtbefragten an, sie könnten sich die Gründung einer eigenen Firma vorstellen, lag dieser Wert Anfang 2010 bei großzügig aufgerundeten 1,3%.
Woher kommt das?
Einerseits wirken viele Ursachen in den äußeren Rahmenbedingungen: Allen voran sind die als unsicher geltende Wirtschaftsentwicklung, negativ empfundene Zukunftsperspektiven, kein Zugang zu Krediten, zu hoher Bürokratieaufwand bei der Existenzgründung, keine oder zu geringe Eigenmittel die Hauptfaktoren. Andererseits ist der Imagepegel des Unternehmertums in den letzten Jahren deutlich gesunken. Nach dem drastischen Ende des Start-Up-Hypes der New Economy Anfang des Jahrtausends ist Ernüchterung eingetreten. Seither machen Unternehmensinsolvenzen mehr von sich reden als Neugründungen. In 2009 waren es rund 34.300 Firmen, die Pleite gingen, in 2010 sollen es gar 40.000 werden, krisenbedingt, natürlich. Dennoch: Das Unternehmertum gilt nicht mehr als erstrebenswerte Berufs-, Arbeits- und Lebensform der Zukunft, obwohl sie es in einer auf Flexibilität geeichten Wirtschaftswelt eigentlich wäre.
Die einst positive Vision vom Aufbau der eigenen Firma hat sich ins Gegenteil verkehrt. Zudem wirft die Öffentlichkeit immer wieder machtgierige, aber angestellte Manager mit Unternehmern in einen Topf. Fatal: Beide Gruppen haben in aller Regel nichts gemeinsam, außer der Verschlechterung des Ansehens. Nicht umsonst liegt die Selbstständigkeitsquote in Deutschland bei rund 8% (ohne Landwirtschaft), ein Wert, der Größe und Potenzial der deutschen Volkswirtschaft kaum gerecht werden kann. Die Unternehmenssituation wird sich nicht nur durch die Krise verschlechtern, es fehlt – wie die Umfragen der Future Business Group zeigen – der Nachwuchs: Abgesehen von der schwachen Anzahl der Neugründungen, ihr Rückgang hat sich in 2009 zwar verlangsamt, von einem Anstieg sind wir jedoch noch Lichtjahre entfernt, finden immer weniger Firmeninhaber einen Nachfolger.
Wäre es nicht an der Zeit, eine neue, positive Vision des Unternehmertums zu entwerfen?
Und zwar von der Ökonomie selbst, denn die Politik ist derzeit viel zu sehr damit beschäftigt, wie sie mit Hartz-4 umgehen will oder soll. Da scheint kein Platz für eine solche Unternehmensdebatte. Obwohl eine nachhaltige Existenzgründungswelle dem Staat auf die Sprünge helfen würde: Abgesehen von der ausgehenden Aufbruchsstimmung entstünden neue Arbeitsplätze, es käme mittelfristig zu mehr Steuereinnahmen. Gerade Unternehmen, die von Senioren gegründet würden, bildeten eine Gegenentwicklung zur demografischen Kostenfalle. Und Selbstständige könnten in die sozialen Sicherungssysteme eingebunden werden.
Die Anregung zur Selbstständigkeit keimt allerdings nicht in politisch motivierten Existenzgründungsprogrammen. Starthilfe ist notwendig, daran besteht kein Zweifel, allein schon mit Blick auf die restriktive Kreditvergabepolitik der Banken, insbesondere bei Firmenneugründungen.
Doch die Ambition, eine eigene Firma zu gründen, basiert auf etwas anderem: Mut.
Mut zur eigenen Kreativität und Mut zu außergewöhnlichem Engagement.
Um Mut zu fassen, benötigt man innere Überzeugung und Vorstellungskraft, keine äußeren Zwänge.
Und Vorbilder.
Doch – wo sind diese?
Solange wir dem Szenario des überarbeiteten, ausgebrannten, mit Risiken behafteten und um Kredit bettelnden Unternehmer oder dem gierigen Manager kein positives Leitbild beruflicher Selbstverwirklichung und persönlicher Unabhängigkeit gegenüberstellen, schrumpft die Anzahl der Firmen weiter.
Schade eigentlich.
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