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Hartmut Scheffler im Interview: "Investitionen in Marktforschungsfirmen sind zunehmend attraktiv"
Hamburg: Hartmut Scheffler, Geschäftsführer der TNS Infratest Holding GmbH & Co. KG sowie Vorstandsvorsitzender des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM), stand marktforschung.de im Interview Rede und Antwort. Die Fragen stellte Dr. Lars Watermann, Gründer und Geschäftsführer der auf Transaktionsberatung im Marktforschungsumfeld spezialisierten Watermann Agens GmbH in Hamburg.
Welche Themen bestimmen derzeit die deutsche Marktforschungslandschaft?
Neben der ständigen Weiterentwicklung im Kleinen sind dies methodisch und methodologisch vier Stränge:
Erstens die Versuche weiterer Objektivierung der Verhaltensmessung durch Technologie (Beispiele: Bewegung im Internet durch Cookies etc., Path Tracking im Handel, GPS bei der Außenwerbung, PPM-Ansätze für Medianutzung, Eyetracking); zweitens die indirekte, sogenannte implizite Messung von Einstellungen, d.h. zur valideren Beantwortung der „Warum-Frage", drittens ganzheitliche Ansätze z.B. in der Kommunikationswirkungsforschung sowie viertens die Qualitätssteigerung oder besser -sicherung in der Online-Forschung, speziell Online-Access-Panels.
„Politisch“ geht es um die Abgrenzung zu Werbung und Verkaufsförderung, die gerade im Bereich der Telefoninterviews dazu geführt hat, dass zu Befragende aufgrund der Millionen über Millionen - oft verbotener - werblicher Anrufe reaktant auch gegen seriöse und durch vielerlei Richtlinien geregelte Marktforschung werden. Die Konsequenz sind erhöhte Interviewverweigerungen mit allen qualitativen Folgen wie z.B. Repräsentativität. Hier muss das Bewusstsein für die Unterschiede, für die anonyme Marktforschung und ihre gesellschaftspolitische Rolle in einer offenen Informationsgesellschaft bei Multiplikatoren (Justiz, Politiker, Medien) wie in der Öffentlichkeit geschärft werden.
Schließlich der Kostendruck und die Frage, welche Arbeiten aus Preis-Konkurrenzgründen – wie es so schön heißt – „offshore“ gemacht werden sollten oder müssen. Beispiele in Richtung Osteuropa (Rumänien etc.) bzw. Indien nehmen zu.
Und welche Themen dominieren international?
Dies sind die identischen Themen - übrigens in vielen Ländern auch das genannte politische Thema. Zusätzlich dort natürlich die wichtige Rolle der Marktforschung in Schwellenländern und vor allem auch in Russland, Indien, China...und manchmal dort auch leider die Frage der Freiheit der Forschung.
Sind Investitionen in diese Branche für Kapitalanleger weiterhin eine gute Wahl?
Unbedingt! Die Branche wächst seit Jahrzehnten mit ganz wenigen Ausnahmejahren über dem Durchschnitt des jeweiligen Landes. Die Aufgaben an die Markt- und Meinungsforschung nehmen zu. Der Kapitalisierungsbedarf nimmt – u.a. wegen der Zunahme der technologiegetriebenen Forschung – zu. Also unzweifelhaft eine Wachstumsbranche mit allerdings – bedingt durch die extreme Konkurrenzsituation und damit den Preisdruck national wie global – z.T. noch unzureichenden Margen.
1996 erwirtschafteten die Top 10 der Branche 37% des weltweiten Umsatzes, 2006 waren es bereits deutlich über 60%. Wird sich dieser Konzentrationsprozess fortsetzen?
Selbst im Top 10 Bereich erwarte ich noch die eine oder andere Übernahme, aber hier ist das Ende des Konzentrationsprozesses aus meiner Sicht bald erreicht. Mehr Bewegung wird noch stattfinden im Top 25 Bereich und darunter, wo kleine und mittelgroße Unternehmen ihren Kapitalisierungsbedarf für weitere Methodenentwicklung oft sehr guter individuell entwickelter Ansätze für Vermarktung ihrer Methoden und für Internationalisierung decken müssen.
Welche Rolle spielt die TNS Gruppe dabei?
TNS fährt seit Jahren eine Doppelstrategie aus eigenen Entwicklungen und organischem Wachstum - d.h. wo man stark ist und dies selbst vorantreiben kann - und der gezielten Akquisition in Bereichen, in denen TNS mit hohen Kosten und hohem Risiko selbst entwickeln müsste, während es im Markt Unternehmen mit Topprodukten, aber dem oben geschilderten Kapitalisierungsbedarf gibt. Beispiele sind die jüngsten Akquisitionen im Bereich „Shopper Research“ wie im Bereich der Messung und Analyse von User-Generated- Content. In der regionalen Abdeckung ist das TNS Netzwerk übrigens so gut wie vollständig.
In welchen Bereichen möchte sich die deutsche TNS Infratest gegebenenfalls durch Zukäufe verstärken?
Seien Sie sicher, dass es hier klare Vorstellungen gibt. Aber verstehen Sie bitte auch, dass wir damit nicht auf den Marktplatz treten wollen und werden.
Was ist Ihre strategische Rationale bei Firmenakquisitionen?
Gerade in Deutschland, aber auch in vielen anderen TNS – Ländern geht es nicht oder nicht mehr um puren Marktanteil. Es geht darum, die Größe und Internationalität von TNS zu koppeln mit den vielen tollen Ideen und Ansätzen, die kleine und mittlere Institute - z.T. auch in ganz neuen Feldern – entwickelt haben und die wir zum einen gerne im Portfolio hätten, die wir zum zweiten aber aus deren Sicht auch teilweise besser auf die Straße bringen können
Insider wissen, dass in Deutschland zahlreiche Gespräche zwischen vermeintlichen Verkauf- und Kaufinteressenten stattfinden. Warum aber sind Transaktionsabschlüsse hierzulande nach wie vor die Ausnahme?
Zum einen haben wir einen der größten Markt- und Sozialforschungsmärkte, der Platz für viele auch kleinere Institute nebeneinander lässt, also keinen dramatischen M&A-Druck. Zum anderen haben wir in Deutschland auch – wahrscheinlich mehr als in anderen Ländern – die Mentalität, unabhängig bleiben zu wollen und die Politik selbst bestimmen zu können. Das sichert uns eine sehr bunte und lebendige Institutslandschaft. Leider führt es aber eben auch manchmal dazu, dass die guten Ansätze und Ideen kleiner deutscher Institute nicht in dem Maße international reüssieren, wie sie es könnten.
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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