Hallo Marken, wie geht’s uns denn heute?

Von Simon Kluge, Head of Sales Cosumer & Products bei der YouGov Deutschland AG
Hand auf’s Herz: Wie oft hat Ihnen schon ein Arzt diese Frage gestellt? Und kann es einem wirklich gut gehen, wenn man krank ist? Natürlich nicht! Wer ist schon gerne krank!?! Menschen sind nicht gerne krank. Und Marken erst recht nicht!
Marken umgeben Produkte oder Leistungen mit einem Emotionsgeflecht, wie es für zwischenmenschliche Beziehungen nicht typischer sein könnte: Zu Marken bauen wir Beziehungen auf, wir stecken sie in Schubladen, pflegen mit ihnen Freundschaften oder beenden diese auch. Wir kennen, lieben und meiden Marken. Wir vertrauen Marken, wir umgeben uns mit Marken, wir definieren uns über Marken. Marken begeistern und polarisieren, sie entlasten uns bei Kaufentscheidungen und bestätigen diese. Wenn wir uns dieses Emotionsgeflecht vor Augen führen, fällt es leicht, Marken wie Personen zu behandeln. Und dann leuchtet es ein, dass eine Marke als Person nicht nur gesund, sondern auch krank sein kann.
Kerngesunde Marken verleihen mit ihrem Emotionsgeflecht Produkten oder Leistungen eine für Menschen relevante Identität, mit einem individuellen Charakter sowie einer unverwechselbaren Haltung. Kerngesunde Marken meistern diese Herausforderung nachhaltig und werden deutlich positiver wahrgenommen als ihre Alternativen. Dank dieses Wahrnehmungspolsters verfügen sie über robuste Abwehrkräfte, um sich nicht durch kleinere Erreger aus der Bahn werfen zu lassen.
Marken brauchen robuste Abwehrkräfte, mehr denn je. Das digitale Zeitalter hat ihnen zum einen eine stetig zunehmende Anzahl an Situationen beschert, im Leben von Menschen präsent und erlebbar zu sein. Derzeit lässt sich dieser Wandel sehr gut am Beispiel von Smartphones verdeutlichen: Mit ein und demselben Gerät können wir heute ortsunabhängig eine Marke kennenlernen, über sie recherchieren, sie mit Alternativen vergleichen, sie besuchen, mit ihr spielen, über sie berichten, sie kaufen, mit ihr mailen, über sie posten oder auch einfach nur über sie bzw. mit ihr sprechen. Netzgeschwindigkeiten und Bildschirmgrößen schränken diese Möglichkeiten mitunter noch ein, aber auch diese Hemmnisse werden nach und nach schwinden.
Zum anderen produziert die pulsierende und schier unerschöpfliche Kraft dieser immer tiefer um uns greifenden Digitalisierung höhere Anspruchsniveaus an eine professionelle Markenführung. Dies gilt sowohl für junge als auch für vermeintlich altbewährte Erlebnispunkte, an denen Marken und Menschen heute einander begegnen. Der Lebensmitteleinzelhandel ist ein schöner Beleg dafür, wie die professionelle Markenführung diesem angesprochenen Wandel mitunter entgegnet. Um die Strahlkraft ihrer Marken im zunehmenden und schnelllebigen Informationsdschungel für Konsumenten zu erhöhen, sind die Unternehmen dieser Branche dazu übergegangen, ihre Markenführungsaktivitäten auf die eigene Händlermarke zu verdichten. Im Fall von REWE zieht sich diese neue Stringenz in der Markenführung inzwischen sogar bis zu den Eigenmarken-Produkten durch: Wo die eigene Marke drin ist, steht die eigene Marke nunmehr auch drauf. Auch auf diese Weise werden Marken im Leben von Menschen immer präsenter und erlebbarer.
Ziehen wir nach diesen beiden Beispielen ein markengesundheits-politisches Zwischenfazit: Die zunehmende Präsenz und Erlebbarkeit von Marken führen dazu, dass ihre Emotionsgeflechte heute mit gänzlich neuen und völlig unterschiedlichen „Erregern“ in Kontakt kommen können. Will heißen: Das Konfliktpotential von Marken hat deutlich zugenommen und wird dies auch weiterhin tun. Die Notwendigkeit, über die Gesundheit von Marken zu wachen und ihre Abwehrkräfte robust zu halten, steigt kontinuierlich.
Es gilt, den Überblick und die Balance in der Markenführung sowie auch beim Monitoring der Markengesundheit zu wahren. Schließlich muss beispielsweise eine Marke aufgrund eines Shitstorms in sozialen Netzwerken mitnichten zwingend auf die Intensivstation, sondern kann bedenkenlos „ambulant“ behandelt werden. Dazu braucht man allerdings Transparenz darüber, inwiefern solche Erreger tatsächlich auf die gesamte Markenwahrnehmung übergreifen. Man stelle sich zum Beispiel die simple Frage, ob es wirklich gerechtfertigt ist, wenn ein Unternehmen einen auf Facebook postenden Kunden mit deutlich mehr Engagement betreut als denselben Kunden am Telefon.
Wie kann nun die Gesundheit von Marken überwacht und diese Transparenz sichergestellt werden? Wie stelle ich sicher, dass meine Marke permanent über robuste Abwehrkräfte verfügt, die neuen oder unterschiedlichsten Erregern trotzen? Welche konkreten Marken sind eigentlich aktuell kerngesund, welche dagegen derzeit angeschlagen oder krank?
Basierend auf den Daten des YouGov BrandIndex wollen wir diesen Fragestellungen nachgehen und konkrete Antworten liefern. Zunutze machen wir uns hierbei die gemeinsame Annahme dieses permanenten Marken-Monitorings, dass sich die Gesundheit von Marken auf der Konsumentenseite in einer überwiegend positiven Wahrnehmung bzw. Bewertung widerspiegeln muss. Rund 600 verschiedene Marken können im Rahmen dieser täglichen Messung auf 6 verschiedenen Dimensionen (z.B. allgemeiner Gesamteindruck, Weiterempfehlungsbereitschaft, Preis-Leistungs-Verhältnis) von jeweils 100 Personen positiv oder auch negativ bewertet werden. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass jede Marke jeden Tag über insgesamt 600 Chancen verfügt, um eine positive oder negative Bewertung von Konsumenten zu erhalten.
Für diesen Beitrag haben wir aktuelle Ergebnisse aus den ersten drei Monaten dieses Jahres zusammengefasst, was einer Datenbasis von rund 120.000 Online-Interviews entspricht. Selbstverständlich könnte man nun für jede Marke zielgruppenspezifisch untersuchen, ob diese im genannten Zeitraum über alle 6 YouGov BrandIndex-Dimensionen hinweg überwiegend positiv bewertet wurden und wir sie somit gesund- bzw. krankschreiben können. Im Rahmen dieser Betrachtung fokussieren wir uns hingegen bewusst auf die bevölkerungsrepräsentativen Bewertungsergebnisse aller 600 Marken, um jede überwachte Marke mit einheitlichen Gesundheitscheck-Kriterien zu behandeln.
Um unserer eingangs aufgestellten Forderung der relevanten Identität von gesunden Marken gerecht zu werden, grenzen wir unsere Attestierung zusätzlich auf Marken ein, die im betrachteten Zeitraum mindestens 30% ihrer bevölkerungsrepräsentativen Bewertungschancen nutzen konnten, um eine positive oder negative Bewertung zu erhalten. Ferner formulieren wir folgende Anspruchsregel: Gesunde Marken erhalten insgesamt über alle 6 Dimensionen hinweg mindestens doppelt so viele positive Bewertungen wie negative. Bei erkrankten Marken ist dieses Verhältnis hingegen genau umgekehrt.
Das führt uns zu der Frage, wie es nun mit polarisierenden Marken aussieht? Kann man immer noch von einer gesunden Marke sprechen, wenn diese mindestens 30% ihrer Bewertungschancen nutzen konnte, sich andererseits ihre Anteile von positiven und negativen Bewertungen nahezu die Waagschale halten? Der Chancendenker sieht die solide Fan-Gemeinschaft, der Problemdenker das erhöhte Erkrankungsrisiko. Wir haben uns dazu entschieden, Chancendenker zu sein und diesen Marken eine steigerungsfähige Gesundheit zu attestieren. Schließlich birgt ihr Gesundheitszustand die Möglichkeit, die vorhandene hohe positive Wirkung ihres wahrgenommenen Emotionsgeflechts stärker auszubauen und für die Zukunft zu festigen.
Welche konkreten Marken sind nun aber aktuell kerngesund? Unsere Auswertungen zeigen, dass dies unter anderem auf die Marken Jägermeister, Samsung, dm oder Douglas zutrifft. Ferner Volkswagen, Ritter Sport, Dr. Oetker, Continental und Paypal. Wir gratulieren diesen Marken zu dieser Leistung! Und empfehlen ihnen, sich weiterhin so erfolgreich fit zu halten und unablässig ihre robusten Abwehrkräfte zu festigen. Die Vorteile ihrer hohen Leistungsfähigkeit liegen auf der Hand: Marktanteilszuwächse sind weiterhin möglich, da die Marke über die nötige Power verfügt, um neue Experimente zu wagen.
Eine aktuell steigerungsfähige Markengesundheit attestieren wir hingegen Oettinger, Apple, IKEA und McDonald’s. Darüber hinaus ATU, Netto und Müllermilch. Wir legen diesen Marken ans Herz, gezielt an ihrer momentanen Gesundheit zu arbeiten, um über ihre bestehende Fan-Gemeinschaft hinaus Wachstumspotentiale erschließen zu können. Im Falle von Apple ist es offensichtlich, dass diese Marke nur mit einem neuartigen Endgerät oder einem innovativen Service ihre Gesundheit wiederherstellen wird. Ansonsten bietet sie derzeit einfach kaum Gründe für die Nicht-Fan-Gemeinde, Apple zukünftig deutlich positiver zu bewerten. McDonald’s bestärken wir darin, den eingeschlagenen Weg zu integrierten bzw. eigenständigen Kaffeehaus-Konzepten fortzusetzen.
Für alle Marken mit diesem Gesundheitszustand gilt: Robuste Abwehrkräfte sind vor allem vonnöten, um unliebsamen Krankheitserregern keinen Raum zur Entfaltung zu gewähren! Die Behandlung kann nichtsdestotrotz vorerst ambulant erfolgen.
Aktuell krank geschrieben sind basierend auf den vorliegenden Daten Marken wie Fiat, KiK und Ryanair. Diesen Marken empfehlen wir zumindest eine Kur, um ihr Emotionsgeflecht neu aufzuladen, an der wahrgenommenen Relevanz ihrer Identität zu arbeiten und ihren individuellen Charakter sowie ihre unverwechselbare Haltung zu schärfen. Kurz gesagt: Sie müssen sich erneuern, um nicht in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden! Für ihre weitere Behandlung ist aus unserer Sicht demzufolge eine ständige Überwachung ihrer Markengesundheit alternativlos. Wir wünschen diesen Marken „Gute Besserung!“ und fordern sie auf, unmittelbar einen Arzt aufzusuchen! Die drohenden Risiken sind schlicht zu groß. Wer kranke Füße hat, kann irgendwann nicht mehr laufen, egal wie gesund der Rest des Körpers ist!
Wie können wir abschließend die gewonnenen Erkenntnisse zusammenfassen? Wenn wir die Gesundheit einer Marke untersuchen, wollen wir primär wissen, wie es einer Marke gerade geht und ob sie die Kraft hat, neue Wege zu gehen. Und welchem Risiko sie ausgesetzt ist, in naher Zukunft spürbar an Leistungsfähigkeit zu verlieren. Wir haben in Anlehnung an den YouGov BrandIndex Kriterien für 3 verschiedene Stufen der Markengesundheit definiert und konkrete Beispiele für kerngesunde, steigerungsfähig gesunde und erkrankte Marken aufgezeigt.
Menschen sind nicht gerne krank. Und Marken erst recht nicht! Egal, ob sie einen Arzt aufsuchen oder nicht: Wer krank ist, muss einen Heilungsprozess anstoßen, der wirkt und dessen Erfolg überwacht werden kann. Ihnen als Leser und allen Marken möchten wir die bekannte Empfehlung der Radio-Imitatorin der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt mit auf den Weg geben: „Bleiben Sie gesund – anders wär‘ nämlich schlecht!“ ;o)
Weitere Informationen zum Unternehmen auf marktforschung.de:

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