Martins Menetekel Gute Zeiten – schlechte Zeiten

Es herrsche Unsicherheit in der Diskussion, ob die vierte Welle zu vermeiden sei. Martin Lindner, habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand, analysiert den Reproduktionsfaktor der Covid19-Fallzahlen und trifft eine klare Aussage: Die vierte Welle rollt und das bereits seit 1,5 Monaten.

Martin Lindner als Personenbild

Beginnen möchte ich heute mit dem Kommentar von Herrn Arlt. Mein Ausdruck Fluchtmutation war etwas unglücklich gewählt. Von Fluchtmutation spricht man, wenn nur noch die aggressivsten Virenmutationen irgendwo überleben können, da die anderen durch Limitierungsmaßnahmen dauerhaft ein R unter 1 haben und aussterben. Ich meinte, dass es Mutationen geben kann (nicht muss), deren Krankheitsbilder auch für Jugendliche schwerwiegend sein können. Zum Glück sind Mutationen nie zielgerichtet. Zur Erinnerung: Darwins „Survival of the fittest“ ist eine reine Tautologie. Eine Art überlebt, wenn sie es irgendwie schafft, auf Dauer ein R um die 1 aufrecht zu halten. Ob die Menschheit überlebt, hängt paradoxerweise davon ab, ob es ihr gelingt, humane Limitierungsfaktoren zu entwicklen, die ihr R dauerhaft unter 1 senken. Die Umwelt wird das zu schätzen wissen.

Noch einmal zu meinem Beitrag vor einer Woche: Tatsächlich hatte Johns Hopkins einen Fehler bei der Anzeige der Fallzahlen für den 5. Juli gemacht. Am Freitag wurde er korrigiert und es gab zum ersten Mal  einen negativen Zuwachs. Durch die sieben-Tages-Glättung ist alles wieder im Lot.

Was sind nun die guten und schlechten Zeiten?

Zum einen: Es sind gute Zeiten für das Virus, alle Kennziffern gehen hoch. Der Zuwachs im Wochenmittel etwa 30 bis 40 Prozent . Das sind schlechte Zeiten für uns alle!

Aber gute Zeiten für mich: Solange sowohl Exponentiell-, als auch Verhusltannäherung mit positivem Verstärkungsfaktor l = -1/S = 0,000 001 5 die Referenzkurven sind, brauche ich nur abzuwarten. Sowohl exponentielles Wachstum als erst recht verstärktes Wachstum können nicht sehr lange gut gehen. Irgendwann ist jeder infiziert und die Fallzahlen nähern sich dem Maximum, das kleiner als 82.300.000 sein muss. (Vielleicht stecken sich Genesende und Geimpfte irgendwann wieder an?). 

Deshalb muss ich wieder warten, und zwar auf den Wendepunkt, dem Maximum der täglichen Zuwächse. Erst wenn die geglätteten täglichen Zuwächse zuverlässig über zwei Wochen zurückgehen, R zuverlässig unter 1 liegt, kann ich einen neuen Versuch mit Verhulst beginnen, dann mit positivem hoffentlich nicht zu großem S. Auch die Schwierigkeiten mit dem Sockel beginnen auf das Neue. Bis dahin heißt es abwarten.

Hier die Graphik der kumulierten Fallzahlen und beide Referenzkurven, die sich bis Mitte August praktisch nicht unterscheiden:

Der kleine Pieks der letzten Woche ist weg.

Die Zuwächse der beiden Referenzkurven werden sich in etwa einer Woche trennen:

Wir sehen, dass die blaue Kurve nicht sehr stabil ist.

Das gilt erst recht für die Änderungen der Zuwächse:

Status 4. Welle

Hier herrscht Unsicherheit in der öffentlichen Diskussion. Jedenfalls glauben immer noch einige, dass sie zu vermeiden ist, da wir erstens die Impfaktion durchziehen und zweitens aus den Erfahrungen des letzten Herbstes gelernt haben. Die meisten übersehen dabei, dass alle Fallzahlen, und erst recht der Reproduktionsfaktor R(t) den tatsächlichen Zahlen nachlaufen. Wenn man das berücksichtigt, haben wir seit mindestens 1,5 Monaten die vierte Welle. Sie rollt und rollt, und wir tun zu wenig, um sie zu stoppen.

Über den Autor

Martin Lindner
Martin Lindner ist promovierter und habilitierter Mathematikprofessor im Ruhestand und beschäftigt sich intensiv mit nachhaltiger Wirtschaft und der Zukunftsfähigkeit unserer heutigen Lebensformen. Zusätzlich hat er eine Ausbildung und auch Berufserfahrung in Wirtschaftsmediation.

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