Gut war’s

Hartmut Scheffler (ADM, TNS Infratest)
Von Hartmut Scheffler
Am vergangenen Samstag hat zum zweiten Mal der Tag der Marktforschung mit Veranstaltungen in vielen Städten Deutschlands stattgefunden. Über Quantitäten, über die Anzahl der Veröffentlichungen, Reichweiten usw. wird zeitnah berichtet werden. Mindestens genauso wichtig sind Eindrücke rund um Vorbereitung und Durchführung dieses für die Branche wichtigen Ereignisses.
Warum ist dieses Konzept, dieser Tag so wichtig? Weil es DIE große Veranstaltung ist, mit der sich die Branche einmal nicht nur der Fachöffentlichkeit präsentiert, sondern der Bevölkerung ... also denjenigen, die bei den meisten Umfragen und Untersuchungen das "Objekt der Begierde" sind, denjenigen, die genau auf diesem Wege auch Einfluss nehmen können, ihre Meinung äußern können.
Das inhaltlich verbindende Thema war deutschlandweit der Wohlfühlfaktor der Deutschen: Ermittelt in über 10.500 Interviews bundesweit und in und für 16 Städte! Was konnten wir lernen: Münster ist auch bei dieser Untersuchung das Maß aller Dinge gewesen. "München mag sich" (Überschrift in der Süddeutschen) und täte es noch mehr bei günstigeren Mieten. Bielefeld gibt es (wenn auch leider auf dem Wasserweg nicht erreichbar ...) und vieles vieles mehr für viele Millionen interessierte Bürger bundesweit und speziell in den 16 Städten von Nord bis Süd und Ost bis West.
Natürlich gingen die Ergebnisse weit über diese etwas flapsige Zusammenfassung hinaus und wurden/werden intensiv in der Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern in den Städten analysiert und diskutiert: Die Ergebnisse des Tages der Marktforschung sind Gesprächsthema. Genau dies war das Ziel und es hat sich gezeigt, dass die Idee eines Dachthemas, einer Klammer (in diesem Jahr eben das genannte Thema "Wohlfühlfaktor") trägt und weiter zu verfolgen ist.
Natürlich würde wenig geschehen, wenig bekannt werden, wenig diskutiert werden können, wenn es nur bei kleinen punktuellen Veranstaltungen bliebe und die lokalen, regionalen und bundesweiten Medien nicht mitmachen würden. Die Resonanz der Medien – natürlich in den Folgejahren noch verbesserungsfähig – war durchweg gut, an vielen Stellen außergewöhnlich intensiv. Herzlichen Dank dafür und erneut der Hinweis, dass eine solche Medienresonanz und mediale Initiativbereitschaft nicht aus dem Nichts kommt. Der Tag der Marktforschung und speziell die Zahlen und Ergebnisse waren es den Medien wert: Branche und Thema fanden Interesse.
Gleiches gilt für die Politiker, für die Stadträte und Stadtparlamente in vielen der 16 Städte. So hat es sich Herr Ude in München nicht nehmen lassen, trotz vieler Termine rund um das Startbahnthema des Münchner Flugplatzes an einer "dazwischen geschobenen" Pressekonferenz teilzunehmen.
Die Gespräche mit Politikern, Meinungsmachern, Medien, die Fragen aus der Bevölkerung haben auch immer wieder deutlich gemacht, wie groß dann doch die Wissenslücken dahingehend sind, was denn Markt- und Sozialforschung wirklich macht, wie und warum man mit der Teilnahme an Umfragen zu verallgemeinerbaren Ergebnissen und damit zu Einflussmöglichkeiten kommt. Der Tag der Marktforschung hat Interesse und Neugierde geweckt und große Wissenslücken um unsere Profession, deren Arbeit, deren Qualitäts- und Ethikversprechen offen gelegt. Umso wichtiger war dieser Tag – umso wichtiger sind weitere Tage.
Nach dem Tag ist vor dem Tag und ein zufriedenes Zurücklehnen angesichts der zahlreichen guten Veranstaltungen und der breiten Resonanz wäre unangemessen. Es ist gerade auch mit diesem Format, diesem Konzept des Tages der Marktforschung noch längst nicht alles erreicht. Im Wesentlichen und exemplarisch drei Aspekte:
Ein Ziel für den nächsten Tag der Marktforschung sei aus der Fußballersprache formuliert: "Wir fahren nach Berlin". Markt- und Sozialforschung haben nach wie vor das Problem, dass ihr Nutzen, um nicht zu sagen ihre Notwendigkeit als Informationsquelle und Entscheidungshilfe für Politik und Wirtschaft in einer offenen Informationsgesellschaft unterschätzt werden. Ich betone ganz ausdrücklich hier auch den Bereich der Wirtschaft: Natürlich bedarf es Informationen aus der Bevölkerung, von den Verbrauchern, um die richtigen Produkte in der notwendigen Qualität zu entwickeln, zu produzieren, zu vertreiben. Wenn dies immer wieder als Argument ausreicht, speziell die Marktforschung (zusehends mehr im Unterschied zu der Meinungs- und Sozialforschung) als reine Veranstaltung der mittelbaren Werbung für die beauftragende Industrie gleichzusetzen und damit den Grundgedanken der Erlaubnisnorm in § 30a BDSG auszuhebeln, dann muss gerade in Berlin bei den Entscheidungsträgern diese Situation kommuniziert und Nutzen und Relevanz von Marktforschung durch eine Veranstaltung wie den Tag der Marktforschung hervorgehoben werden. Auf den Punkt gebracht: In den Folgejahren braucht es mehr Präsenz und eine große zentrale Veranstaltung in Berlin.
Dazu gehört bei aller Begeisterung für das große Engagement der Medien auf lokaler und regionaler Ebene, dass die Präsenz in den Medien auf nationaler Ebene (insbesondere auch TV) noch ausbaufähig ist. In Kombination mit einer stärkeren Ausrichtung auf Veranstaltungen gerade auch in Berlin gilt es diese bundesweite Berichterstattung vor, während und nach dem nächsten Tages der Marktforschung zu intensivieren.
Und ein drittes Thema: Ein Dachthema wie der Wohlfühlfaktor ist natürlich richtig gewählt, um breites Interesse von der Bevölkerung bis zu den politischen Entscheidungsträgern zu generieren. Es geht der Branche aber gerade auch darum, die Bedeutung und den Nutzen klassischer Marktforschungsthemen hervorzuheben und zu verdeutlichen, dass dies zusammen mit der Garantie der Anonymität und der Trennung von forschungsfremden Tätigkeiten (wie Verkauf oder Direktmarketing) keine unmittelbare, aber auch keine mittelbare Werbung darstellt. Vielmehr werden hier mit wissenschaftlichen Ansätzen Informationen und Entscheidungshilfen für in Konkurrenz stehende Anbieter in unserem marktwirtschaftlichen System gegeben. Versuchen wir also, als Klammer und Dach der nächsten Tage der Marktforschung Informationen aus der klassischen Marktforschung zu erheben und in den Mittelpunkt der Veranstaltungen zu setzen.
In München habe ich gelernt, dass etwas im ersten Jahr neu sei, man es dann in einem zweiten Jahr wiederholt und es vom dritten Jahr an Tradition sei. 2013 wird es den dritten Tag der Marktforschung geben. Wenn mit dem Begriff der "Tradition" gemeint ist, etwas erreicht zu haben und wieder erkennbar zu sein, dann ist dies zu guten Stücken mit den ersten zwei Tagen der Marktforschung 2011 und 2012 gelungen und ich würde mir wünschen, mit den genannten Veränderungen und natürlich immer notwendigen Verbesserungen in die Phase der Tradition eintreten zu können.
Gut war’s: Herzlichen Dank an alle in der Initiative für Markt- und Sozialforschung, bei den Instituten, in Politik und Medien, die diesen Tag vorbereitet, begleitet und nachgearbeitet haben und dies in den nächsten Tagen und Wochen noch weiterhin tun werden.
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