GOR 13 Poster-Award: Interview mit den Gewinnerinnen Anna Schnauber und Dr. Teresa K. Naab

Gewinnerinnen des GOR 13 Poster-Awards: Anna Schnauber und Dr. Teresa K. Naab
Den Poster-Award der diesjährigen GOR haben Anna Schnauber vom Institut für Publizistik/Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Dr. Teresa K. Naab vom Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung/Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover für ihr Poster "Measuring Media Habits in a Self-Administered Online Questionnaire" gewonnen.
Poster, die für den Award eingereicht werden, können aktuelle Forschungsergebnisse präsentieren oder eine sich noch in Arbeit befindende Studie vorstellen. Die Poster werden während der GOR ausgestellt, die Gewinner mit einem Preisgeld von 500 Euro ausgezeichnet.
Das Poster habe die Jury, bestehend aus Holger Geißler (YouGov Deutschland), Andrea Katz (Institut Katz) und Edith de Leeuw (Universität Utrecht), deshalb überzeugt, da ein innovativer Ansatz gewählt wurde, um ein Problem der angewandten Medienforschung auf charmante Art zu lösen. Er sei ungewöhnlich und unique, dabei aber einfach und klar und liefere wichtigen Input in der Diskussion und die richtige Erfassung von Mediennutzung und Mediengewohnheiten, erläutert Holger Geißler, Chairman der Poster-Award-Jury. In der Poster-Session selbst hätten die beiden Autorinnen außerdem ihr Thema stringent und engagiert vermitteln können.
marktforschung.de: Frau Schnauber, Frau Naab, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Award! Warum, meinen Sie, hat die Jury Ihr Poster als das Beste ausgewählt?
Anna Schnauber/Teresa K. Naab: Auf unserem Poster haben wir eine Methode vorgeschlagen, mit der man Mediengewohnheiten messen kann. Diese spielen in vielen Bereichen des Marketing, der Markt- und Medienforschung sowie der Kommunikationswissenschaft eine Rolle. Allerdings ist ihre Messung nicht ganz einfach, denn Gewohnheiten sind eben nicht bewusst, sondern automatisch ablaufen. Wir denken, dass die Jury den grundsätzlichen Bedarf einer Messung für Mediengewohnheiten sieht, die bisherige Verfahren ergänzen kann. Und offensichtlich fand sie unseren Ansatz überzeugend.
marktforschung.de: Worum geht es in der von Ihnen vorgestellten Studie?
Anna Schnauber/Teresa K. Naab: Genau wie ein Großteil unseres alltäglichen Verhaltens (z.B. auch Konsumentscheidungen), ist auch die Mediennutzung durch Gewohnheiten bestimmt. Das heißt wir reflektieren unsere Entscheidungen nicht, sondern folgen uns bekannten „Verhaltensmustern“, sogenannten Skripten. Damit erfolgt die Auswahl unbewusst und automatisch. Während die akademische und die kommerzielle Forschung viel Erfahrung mit der Messung von bewussten Entscheidungen in Befragungen hat, mangelt es an leicht umsetzbaren und gleichzeitig validen Messmethoden für eben diesen unbewussten Auswahlprozess, der im Alltag aber die größere Rolle spielt. Angelehnt an Studien aus der Sozialpsychologie haben wir deshalb ein implizites Messinstrument für Mediengewohnheiten auf Plattformebene (damit meinen wir den Fernseher, das Radio, die Zeitung, den Computer und das mobile Endgerät) entwickelt, die Response-Frequency Measure of Media Habit (RFMMH). Wir haben die RFMMH an einem Studierendensample (n = 617) getestet und mit etablierten Messinstrumenten für Gewohnheiten validiert sowie die Test-Retest-Reliabilität bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass die RFMMH eine hohe Validität aufweist und somit als verlässliches und gleichzeitig schnell und unkompliziert einsetzbares Instrument zur Gewohnheitsmessung eingesetzt werden kann.
marktforschung.de: Wie funktioniert die von Ihnen entwickelte Messmethode?
Anna Schnauber/Teresa K. Naab: Das Messinstrument verlangt den Befragten nicht ab, sich ihrer Gewohnheiten bewusst zu werden und diese im Rahmen eines Fragebogens zu verbalisieren, sondern setzt am Wissen über Skripte an: Skripte werden durch einzelne Hinweisreize – dies können externe Faktoren wie Zeit oder Ort sein, aber auch interne Faktoren wie Ziele oder Stimmungen – in bekannten Situationen ausgelöst. Die Befragten müssen sich deshalb für insgesamt 16 typische Ziele der Mediennutzung (z.B. „Sie wollen sich informieren“, „Sie wollen unterhalten werden“) entscheiden, welche Medienplattform sie in der jeweiligen Situation nutzen würden. Um eine bewusste Entscheidung zu verhindern und so zu gewährleisten, dass die Befragten ihrem Skript folgen, muss unter Zeitdruck geantwortet werden. Die RFMMH eignet sich somit besonders für Online-Befragungen, da hier am effektivsten Zeitdruck aufgebaut und Antwortzeiten kontrolliert werden können.
Je häufiger die Befragten eine Plattform über die verschiedenen Situationen hinweg auswählen, desto stärker ist ihre allgemeine Gewohnheit, diese zu nutzen. Die Gewohnheitsstärke wird somit für jede Medienplattform berechnet, indem die Anzahl der Nennungen aufsummiert wird. So kann im Rahmen dieser Messung die Gewohnheitsstärke für alle einbezogenen Plattformen berechnet werden.
marktforschung.de: Welchen Nutzen ziehen Sie aus Veranstaltungen wie der GOR?
Anna Schnauber/Teresa K. Naab: Die GOR bietet einen guten Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis, durch den wir als Wissenschaftlerinnen die Relevanz unserer akademischen Forschung auf den Prüfstand stellen können und Anregungen aus der Markt- und Medienforschung bekommen. Gleichzeitig hoffen wir natürlich, dass andere Konferenzgäste auf unsere Forschung aufmerksam werden und anderen die von uns vorgeschlagene Methode zur Gewohnheitsmessung weiterhilft. Die vielen interessanten Gespräche, die wir auf der GOR führen konnten, stimmen uns da sehr positiv.
marktforschung.de: Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter? Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Anna Schnauber/Teresa K. Naab: Wir planen, weiter an der RFMMH zu arbeiten. So steht noch eine umfassende Validierung mit anderen Befragtengruppen in einer größeren Studie an, aber auch eine Übertragung auf andere Bereiche der Mediennutzung. Denn zunächst haben wir ja lediglich einen Test der Methode präsentiert.
Teresa K. Naab: Ich habe letztes Jahr meine Promotion zu Gewohnheiten und Ritualen in der Fernsehnutzung abgeschlossen, beschäftige mich aber weiter mit diesem Thema. In meinem zweiten Forschungsfeld beschäftige ich mich außerdem mit der Einstellung von Laienkommunikatoren zur Meinungsfreiheit im Social Web. Das ist ein Thema, das ich gesellschaftlich für sehr bedeutsam halte.
Anna Schnauber: Ich arbeite zurzeit schwerpunktmäßig an meiner Dissertation, in der Mediengewohnheiten eine zentrale Rolle spielen. Meine sonstige wissenschaftliche Arbeit dreht sich ebenfalls zum großen Teil um Medienselektion. Weitere Forschungsschwerpunkte sind z.B. die Bereiche Cybermobbing und der Einfluss von Medien auf die Realitätsvorstellung der Menschen.
marktforschung.de: Frau Schnauber, Frau Naab, herzlichen Dank für dieses Gespräch!
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