Gehaltsstudie 2022: Gender Pay Gap Gleiche Bezahlung ist auch eine Frage der Attraktivität der Branche

Kürzlich veröffentlichte Daten des Statistischen Bundesamtes zeigten einmal mehr, dass Frauen in Deutschland deutlich weniger verdienen als Männer. Anlass genug, das Spotlight auch noch einmal auf die Situation in der Marktforschungsbranche zu schwenken. Was sind die Gründe für die Unterschiede? Und warum verändern sich die Unterschiede so langsam?

Für Frauen dürfte es auch in der Marktforschungsbranche gerne etwas mehr vom Kuchen sein. (Bild: picture alliance / photothek | Ute Grabowsky)

In Deutschland verdienten Frauen im Jahr 2022 in Deutschland pro Stunde durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Das bereinigte Gender Gap – unter Berücksichtigung unter anderem des hohen Frauenanteils etwa in sozialen Berufen – liegt bei sieben Prozent. Diese Zahlen veröffentlichte Ende Januar das Statistische Bundesamt.

Auch in der Marktforschungsbranche verdienen Männer mehr als Frauen.

Im Median sind es der von marktforschung.de durchgeführten „Gehaltsstudie 2022“ zufolge knapp 14 Prozent. Betrachtet man den Mittelwert, so liegt der Unterschied sogar bei fast 25 Prozent, nämlich 76.594 Euro Bruttofixgehalt pro Jahr versus 61.436 Euro. Nicht berücksichtigt sind bei dieser Betrachtung strukturelle Unterschiede zwischen den Geschlechtergruppen: Beispielsweise gibt es weniger Frauen in Führungspositionen, und die Berufserfahrung in Jahren ist im Mittel kürzer. Blickt man nur auf Mitarbeitende ohne Führungserfahrung, dann liegt der Gender Pay Gap allerdings immer noch bei 11 Prozent.

Gleiche Bezahlung und gleiche Chancen

Die Gründe für unterschiedliche Bezahlung von Männern und Frauen sind vielschichtig, und die allermeisten sind branchenübergreifend gültig. Die Bedeutung des Themas für die Markt- und Meinungsforschungslandschaft hat man beim ADM Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute erkannt, wie der Artikel „Diversität, Inklusion und Gleichheit in der Branche? Es gibt noch einiges zu tun.“ im ADM-Jahresbericht 2021 zeigt.

ADM-Geschäftsführerin Bettina Klumpe

„Es ist frustrierend, auf der gleichen Position mit unterschiedlichem Gehalt zu arbeiten. Das gleicht man nicht einfach durch Spaß an der Arbeit aus“, sagt ADM-Geschäftsführerin Bettina Klumpe. Das Thema „gleiche Bezahlung“ wolle man im Verband ausbauen. „Es geht darum, auch von unserer Seite aus Bewusstsein zu schärfen: Der Fachkräftemangel ist auch in unserer Branche Realität. Da brauchen wir auch weiterhin Frauen, die Lust haben, in unseren Instituten zu arbeiten. Gleiche Bezahlung und gleiche Chancen sind hierzu ein Baustein."

Als Indiz dafür, dass es in der deutschen Marktforschungslandschaft besonderen Handlungsbedarf geben könnte, weist Bettina Klumpe auf eine internationale GRBN-Studie aus dem Frühjahr 2022 hin, nach der 41 Prozent der Marktforschenden hierzulande die eigene Branche nicht als geschlechtergerecht betrachten – auch wenn die Fallzahl mit 154 nicht sehr hoch gewesen sei.

Frauen sind defensiver in Gehaltsverhandlungen

Birgit Bruns, Geschäftsführerin von BBRecruiting

Die Personalberaterin Birgit Bruns, die mit der Personalberatung BBRecruiting Marktforschungsinstitute bei der Suche nach Mitarbeitenden und Führungskräften unterstützt, empfindet die Institute grundsätzlich als sehr aufgeschlossen gegenüber auf das Thema Diversity: „Die Personalverantwortlichen erlebe ich als sehr offen gegenüber Bewerbenden gleich welcher Herkunft, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Ihnen ist vor allem wichtig, dass die Marktforscher und Marktforscherinnnen, die sich bewerben, kompetent und zuverlässig sind.“

Einen greifbaren Ausgangspunkt für ungleiche Bezahlung sieht sie an anderer Stelle: Frauen sind bei der Gehaltsverhandlung oft deutlich defensiver als Männer, die ihre Forderungen an dieser Stelle mit weitaus größerem Selbstbewusstsein stellen. Hier sei dann – bei begrenzten Budgets – eher das Kostenbewusstsein auf Seiten der einstellenden Unternehmen ausschlaggebend für die Gehaltsfindung.

Einsteigern konsequent das gleiche Gehalt zahlen?

Esther Limbach, Leiterin Finance und HR bei der SKOPOS Group

Bei der SKOPOS Group ist man bemüht, eine Gehaltslücke bereits im Einstellungsprozess zu verhindern: „Wir arbeiten je nach Karrierestufe und Qualifikation mit Gehaltsbändern. Einsteiger starten bei uns eigentlich alle mit demselben Gehalt, sagt Esther Limbach, Leiterin Finance und HR. Selbst, wenn alle Institute Berufseinsteigern intern bei gleichem Qualifikationsniveau konsequent das gleiche Gehalt zahlten, wäre dies nur ein erster Schritt.

Im weiteren Karriereverlauf sieht Limbach auch Eigeninitiative gefordert und macht Mut: „Wie erfolgreich man ist, ist auch einer Person geschuldet. Und das Geschlecht ist da meiner Überzeugung nach heutzutage immer weniger von Bedeutung. Sicherlich auch, weil die Konkurrenz aufgrund des Fach- und Führungskräftemangels auch in unserer Branche einfach da ist.“

Männer in Führungspositionen und die Rolle der Familienphase

Stand heute ist es allerdings noch so, dass sich im weiteren Karriereverlauf das Gender Pay Gap öffnet, statt schließt. Männer liegen in der Marktforschungsbranche nach zehn Jahren Berufserfahrung deutlich vorne im Gehalt (siehe Abbildung). Das dürfte besonders mit dem Umstand zu tun haben, dass Männer auch in der Marktforschung immer noch deutlich häufiger Führungsverantwortung übernehmen.

Die Gehaltsschere zwischen Männern und Frauen in der Marktforschung öffnet sich besonders nach zehn Jahren Berufserfahrung. (Grafik: markforschung.de / Gehaltsstudie 2022)

Das zu ändern, sei auch Männersache, findet Bettina Klumpe:

Vorbilder wie Frau Noelle-Neumann ebenso wie tolle Institutsleiterinnen gibt es bereits heute – allerdings braucht es auch Männer, die bereits in Führungspositionen sind, die das Thema gemeinsam mit uns angehen.

Auch spiele die Lebensphase der Familiengründung nach wie vor eine große Rolle: „Auch wenn sich zunehmend Männer um die Kinderbetreuung kümmern, sind auch in der Marktforschung Frauen sicherlich mehr familiär eingebunden“, stellt Bettina Klumpe fest. „Der Weg zurück ins Arbeitsleben führt dann oft über Teilzeit, häufig nach drei oder mehr Jahren Pause.“ Jahre, die nicht zuletzt aufgrund nicht erfolgter Karriereschritte auf das Gender Pay Gap einzahlen.

Frauen in der Teilzeitfalle?

Die verbreitete Teilzeittätigkeit bei Frauen beschrieb Ines Imdahl, Geschäftsführerin von Rheingold Salon und selbst Mutter von vier Kindern, denn auch kürzlich auf LinkedIn als „Teilzeitfalle“:

Teilzeit ist doppelter Stress bei halber Bezahlung. Solange nur Frauen in Teilzeit sind und solange für die Care-Arbeit zu Hause in der Beziehung oder durch andere Leistung keine faire Bezahlung stattfindet, ist Teilzeit für Frauen eine psychische Falle. Ein Nachteil für Diversität, Wirtschaftlichkeit & Nachhaltigkeit in Unternehmen sowieso.

Esther Limbach beobachtet bezogen auf die eigene Belegschaft hier bereits Anzeichen für einen Wandel: „Bei SKOPOS haben wir sehr viele junge Mitarbeitende, die ein Kind bekommen und dann nach einem halben oder einem Jahr wieder bei uns mit hohen Stundenzahlen einsteigen. Dadurch entstehen dann keine oder nur geringe Differenzen beim Gehalt für die, die eine Familienauszeit nehmen.“ Familienfreundliche Arbeitsmodelle seien hier für Arbeitgeber ein wichtiger Hebel, der allerdings auch durch staatliches Handeln flankiert werden müsse, so Limbach mit Blick auf die oft langwierige Suche nach einer Kita oder einem Kindergarten. „Als Betrieb mit 200 Mitarbeitenden sind wir zu klein für einen eigenen Betriebskindergarten.“

Für  weitere Ergebnisse rund um das Thema Gehalt in der Marktforschung empfehlen wir Ihnen unsere kostenfrei verfügbare Gehaltsstudie 2022.

Neben der ausführlichen Analyse der Gehaltszahlen nach verschiedenen Einflussfaktoren finden Sie darin interessante Auswertungen zu Arbeitsbedingungen. Der Sonderteil beschäftigt sich mit den Themen „Homeoffice und Corona“ und verdeutlicht, dass die räumliche Flexibilität in der Branche groß geworden ist. Zusätzlich finden Sie auch dieses Jahr lesenswerte Gastbeiträge verschiedener Institute und Gastautoren.

 

Über die Personen

Alexander Kolberg ist seit Februar 2022 Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

Alexander Kolberg ist Redakteur beim Smart News Fachverlag und Ansprechpartner für redaktionelle Themen auf marktforschung.de und CONSULTING.de.

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