Researchability - Verantwortung für Markt und Daten Geschäfte mit digitalisierter Persönlichkeit

Prof. Dr. Rolf Schwartmann (Foto: Dörthe Boxberg)
Von Prof. Dr. Rolf Schwartmann
In Zeiten des Internet der Dinge oder Internet 4.0 werden Daten von vernetzten Geräten unterschiedlicher Art ausgetauscht. Daten aus Fahrzeugen etwa geben viele Informationen preis, indem sie durch Assistenzsysteme Daten über Sensoren übermitteln. Sie kommunizieren mit dem Hersteller, mit anderen Fahrzeugen, mit Gegenständen wie Ampeln oder der Umwelt. Sie können dem Staat dienen und der Wirtschaft. Wie hat man sich das vorzustellen?
Datenauswertung für staatliche Zwecke
Ein Autofahrer überschreitet die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 64km/h. Sein Fahrzeug misst die Geschwindigkeit, die gefahrene Strecke und weist einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung nach. Ein Abgleich der Fahrerdaten und die Kamera im Auto überführt den Fahrer unmittelbar der Polizei. Diese verschickt per Computer automatisch einen Bußgeldbescheid an die Anschrift des Fahrers. Dieser erhält eine digitale Version sofort per Mobilfunk ins Fahrzeug und gibt über seinen Bordcomputer eine Erklärung über Rechtsmittelverzicht ab und zahlt die Geldbuße sofort per Online-Banking oder er rechnet sie über die im Kfz verbaute SIM-Karte als Mehrwertdienst ab. Diese Daten aus dem Fahrzeug sind personenbezogen und um sie erheben und verwerten zu dürfen, ist eine Einwilligung des Betroffenen oder eine gesetzliche Erlaubnis erforderlich.
Datenauswertung für wirtschaftliche Zwecke
So eindeutig ist es aber nicht immer, wie folgendes Szenario zeigt: Ein Fahrzeug enthält Sensoren in den Sicherheitsgurten, in den elektronischen Fensterhebern, zudem ein Navigationssystem, eine Bluetooth-Schnittstelle zu einem Smartphone und Sensoren, die das Beschleunigen und Bremsen messen. Unterstellt der Fahrer dieses Fahrzeugs fährt auf einer Flanierstraße nicht angeschnallt, mit offenem Fenster, lauter Musik ständig auf und ab und legt dabei mit weit überhöhter Geschwindigkeit einen Kavalierstart nach dem anderen hin. Sind diese Daten personenbezogen, weil sie Informationen über das Fahrverhalten und den Charakter, als Poser, Liebhaber bestimmter Musik oder als jemand der Verkehrsregeln verletzt liefern? Sie können für die KFZ-Versicherung (nicht angeschnallt), die Polizei (Kavalierstart), den Hersteller mit Blick auf die Garantie für die Bremsen, oder für Anbieter von Musik oder Sportwagenaccessoires interessant und auch finanziell verwertbar sein. Haben diese Daten Personenbezug? Immerhin geben sie Auskunft über persönliche Dinge wie das Fahrverhalten einer bestimmten Person. Oder handelt es sich nur um sog. Metadaten, die keine brauchbaren Rückschlüsse auf persönliches Verhalten zulassen?
Rückschlüsse aus Metadaten
Scoring-Unternehmen und Geheimdienste erstellen Profile allein auf dieser Basis. So etwa auch im letzten Präsidentenwahlkampf in den USA. Das berichtete ein Wahlkampfberater von Präsident Obama. Um die richtigen Wähler effektiv zu erreichen und die Verlorenen zu meiden benutzte man persönliche Informationen und Technik. Computer verbanden Daten von Wählerlisten mit eingekauften Informationen zum Konsumentenverhalten und spuckten Profile aus. Cookies – also kleine Spionageprogramme - rundeten das Bild ab, indem sie das Onlineverhalten der Betroffenen in die Auswertung einbezogen. So wurde klar, wessen Stimme noch zu haben war und wer dazu neigte, gegenüber seinen Freunden Empfehlungen auszusprechen. Der Weg zum Präsidenten führte über die richtigen Haustüren sowie über Zahlen und Daten und nicht über Inhalte. Wahlkampf mit dem Datenstaubsauger als Haustürgeschäft, wenn man so will; allerdings ohne Widerrufsrecht der Wahlentscheidung.
Haben Daten einen Marktwert?
Wenn diese Daten – personenbezogen oder nicht - so aufschlussreich sind und sich für so viele Zwecke verwerten lassen, dann liegt die Frage nach ihrem Marktwert auf der Hand. Dabei ist diese Frage längst beantwortet. Facebook waren die Daten des Kurznachrichtendienstes Whatsapp 19 Milliarden Dollar wert.
Wem gehören unsere Daten?
Wenn Daten dem Staat helfen können, uns besser zu kontrollieren oder für Unternehmen Geld wert sind, dann drängt sich eine Frage ganz besonders auf: Wem gehören unsere Daten und wer darf sie vermarkten? Die Frage nach der Eigentumsfähigkeit von Daten spielt bislang keine Rolle. Sie rechtlich schwer zu beantworten und stellte sich vor der Digitalisierung nicht, weil Informationen über Personen nicht in einer Weise vermarktet werden konnten, dass man einen Wert hätte errechnen wollen.
Sind Daten eigentumsfähig?
Kann man an seinen Daten Eigentum haben? Unsere Rechtsordnung kennt Eigentum an körperlichen Gegenständen und Rechte an immateriellen Gütern – sogenanntes Geistiges Eigentum. Man kann sein Haus verkaufen und man kann eine niedergeschriebene Idee verwerten, etwa indem man anderen das Recht einräumt ein Musikstück, einen Text oder eine technische Erfindung zu nutzen. Aber wie sieht es mit Daten aus? Sie können einer Person zwar ebenso zugeordnet werden wie eine geistige Schöpfung, aber sie sind keine menschliche Leistung oder handwerkliche Schöpfung sondern eine Information, etwa über ein persönliches Verhalten, eine Neigung oder einen Zustand. Kürzlich wurde öffentlich gemacht, dass ein Kölner Unternehmen jede Woche mehrere Milliarden Proben von Bakterien in menschlichen Verdauungstrakten analysiert. Allein eine davon enthält 50 Millionen Informationen. Weil die Botschaften aus dem Darm ein brauchbares Gesundheitsprofil liefern, lassen sich aus ihnen Prognosen über Krankheiten eines Menschen ableiten, noch bevor er sie bekommt. Im besten Fall kann man sie durch die Änderung der Ernährung vermeiden. Die Wirtschaft treibt die Auswertung riesiger Datenmengen voran und wir werden uns nicht dagegen wehren können. Aber ist es so einfach? Müssten wir nicht ein ethisches Problem damit haben, dass die Beherrscher von Algorithmen die Zukunft unserer Gesundheit aus unseren Eingeweiden ablesen können.
Geschäfte mit Daten zu machen bedeutet Geschäfte mit digitalisierter Persönlichkeit zu machen
Gerade der Darm gilt uns schließlich bislang als unverbrüchliche Bastion von Intimität. Unabhängig davon, darf man aber eines nicht aus dem Auge verlieren. Was die Wirtschaft bei aller Verantwortung treiben wird und treiben muss, ist das Geld. Die Informationen aus den Eingeweiden machen klar, dass Geschäfte mit Daten auch dann wenn sie Heil bringen, Forschungszwecken dienen oder sogar ohne Personenbezug verwertet werden, häufig solche mit Intimität und damit auch mit Würde sind. Nicht von ungefähr war Datability das Motto der CeBIT 2014. Es ist ein Wortspiel, das sich im englischen aus Data, also Daten und Responsibilty, also Verantwortung zusammensetzt. Verantwortungsvoller Umgang mit immensen Datenmengen bewegt die Datenverarbeitungsindustrie zu Recht. Wenn man Datability leicht verändert, dann kann man es mit Databillability verwechseln. Das würde Abrechenbarkeit von Daten bedeuten.
Zur Person:
Prof. Dr. Rolf Schwartmann ist seit 2006 Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Zwischen Promotion 1994 in Köln im Verfassungsrecht und Habilitation 2004 in Mainz mit einer völkerrechtlichen Arbeit war er Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Medien- und Datenschutzrecht. Er ist Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V. (GDD) und des Gesprächs- und Arbeitskreises Geistiges Eigentum (enGAGE!).
www.medienrecht.fh-koeln.de
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