"Gen Z folgt hier nicht blind irgendwelchen Trends"

Anton Kozka, Project Director; Edward Appleton, Director Global Marketing (Bild: Happy Thinking People)
marktforschung.de: Herr Appleton, Herr Kozka: Sie haben in Ihrer neuen Studie die Ess-und Trinkgewohnheiten der Gen Z untersucht – zu welchen überraschenden Erkenntnissen sind Sie gelangt?
Anton Kozka: Überraschend war für uns vor allem, wie gering das Interesse an Food und Drink bei den Kids war; man kann wirklich von Low Involvement sprechen. Mit den Teenagern einkaufen zu gehen war langwierig und am Ende wurden häufig vertraute Marken gekauft, bei denen die Generation weiß was sie hat. Das hat zum einen natürlich auch mit Vermarktungsstrategien zu tun, denn wir sehen an bestimmten Produkten und Marken, dass sehr wohl Interesse und Begeisterung geweckt werden kann. Zum anderen liegt das aber auch an der Kategorie selbst, denn der Tenor scheint doch ziemlich deutlich zu sein: Für Gen Z gibt es einfach interessantere Dinge im Leben als das was man isst oder trinkt.
marktforschung.de: Aus Ihrer Studie geht hervor, dass Empfehlungen vom Freundeskreis für die Gen Z eine besonders große Rolle spielen - wieso ist die Peer-Group eine so wichtige Entscheidungsgrundlage für die Jugendlichen und welche Handlungsempfehlungen lassen sich dadurch für Unternehmen ableiten, die diese Zielgruppe erreichen wollen?
Edward Appleton: Die Peer-Group war sicherlich schon immer wichtig für Teenager – nur für diese Generation ist es extrem geworden, fast schon paradox: denn auch wenn jeder anders ist und anders sein möchte, hängt man doch sehr an der Gruppenmeinung, virtuell wie real. Psychologisch gesehen ist dies eine Art Versicherungsstrategie – wo sich in der Welt so vieles so schnell dreht und sich ständig wandelt, wird der Rückhalt des Freundeskreises heute zu einer Art Anker, einer Erdungsmöglichkeit. Was hier Akzeptanz schafft – sowohl bei der eigenen Peer-Group, als auch bei Unternehmen – ist weniger der Content per se, sondern vielmehr die Art und die Tonalität: Authentizität ist das Maß aller Dinge, also sich treu sein und Augenhöhe anpeilen. Und ganz wichtig: Nicht fake sein – das spüren die Teens ganz schnell. Das Prinzip Authentizität beeinflusst alles, von der Verpackungsgestaltung bis zur Influencer Strategie auf YouTube. Echt sein ist das A und O – Understatement funktioniert besser als bemüht sein.
marktforschung.de: Haben folglich Coca-Cola, Fanta oder McDonald’s bei der Gen Z ausgedient?
Anton Kozka: Nein, gar nicht – nur hip sind solche Mainstream-Brands bei den Kids leider nicht, wenn man sie mit beispielsweise Club Mate vergleicht. Große, bekannte Marken sind zum Mainstream geworden, sie gehören einfach dazu, in der Peer Group werden sie kommentarlos einfach akzeptiert, wie etwas veraltete Ikonen, die durch ihre schiere Präsenz vertrieblich wie kommunikativ auffallen, aber eben nicht mehr begeistern. Dass diese etablierten Marken auch neue Wege gehen können, zeigt die aktuelle Fanta Kampagne. Hier wird versucht mit bei der Generation angesagten Influencern, wie z.B. Julien Bam, die Kids an den Orten und auf die Art und Weise anzusprechen wie sie es bevorzugen. Ob das klappt, muss sich allerdings noch zeigen, denn häufig können solche Initiativen aufgrund fehlender Authentizität auch nach hinten losgehen und von der Gen Z abgelehnt werden
marktforschung.de: Ihrer Studie zufolge möchte sich die Gen Z nicht festlegen und setzt immer mehr auf Natürlichkeit und Qualität – wie erklären Sie sich diesen Sinneswandel?
Edward Appleton: Sich festlegen birgt für Gen Z große Risiken: Morgen könnte das Hype Getränk von heute out sein – mega-peinlich wenn man sich in der Gruppe zu sehr dafür begeistert hat. Besser ist es da, sich alle Optionen offen zu halten. Die Neigung zu Natürlichkeit und Qualität kommt auch daher, dass Gen Z wesentlich schneller Marketing-Strategien durchblickt als die Gen Y es vor 15 Jahren gemacht hätte. Die Teenager heute haben einen sehr guten Blick dafür entwickelt sich anbiedernde Marketing und Werbung zu entdecken und abzulehnen. Der Wunsch nach Einfachheit und Natürlichkeit im Sinne von „nicht fake“ wird immer größer, um diesen Strategien zu entkommen.Man darf also nicht zu schnell dem Glauben verfallen, die junge Generation sei total involviert beim Thema neue und gesunde Essenstrends. Wir haben festgestellt, dass Food Trends eher für das eigene Bild „genutzt“ als wirklich verfolgt werden. Ein Food Trend gehört teilweise schon fast so sehr zum Lifestyle wie der neueste Sneaker – heute Veganer, morgen was anders. Man trägt die neuesten Trends wie Aushängeschilder. Und auch hier gilt: Sich festlegen? Nein danke, lieber schauen was morgen so angesagt ist. Was bleibt ist also ein kritischer, flüchtiger Blick für das Relevante und dann wird auch schon schnell weiter gescrollt. Und ja, ein bisschen Ethik ist natürlich auch dabei: die Umwelt zählt und simples Wasser (ohne Marke) ist das bevorzugte Getränk.
marktforschung.de: Beim Thema Snacks ist die Gen Z also kein Trendsetter – wie sieht es in anderen Bereichen aus?
Anton Kozka: Zwei Themen stechen hier besonders raus: Fashion und Medien. Während Medien – sowohl soziale Medien, aber auch Entertainment wie Netflix und Co. – nicht mehr aus dem Leben und Alltag der jungen Generation wegzudenken sind, ist Fashion und der eigene Style das Thema, bei dem diese Generation sehr wohl eine Trendsetter-Rolle hat. Die neue Sneaker-Kollektion, das aktuelle #OOTD der Lieblings-Vloggerin oder das letzte Schnäppchen, das man bei H&M erstanden hat, bestimmen häufig die Gesprächsthemen der Teenager. Aber bitte nicht falsch verstehen: Gen Z folgt hier nicht blind irgendwelchen Trends oder schaut sich ungefiltert alles an was die Medienwelt zu bieten hat. Die junge Generation hat auch bei diesen Herzensthemen einen sehr kritischen Blick für das Authentische und Relevante entwickelt, um sich in der Angebotsflut da draußen zurechtfinden zu können – und wir sind schon sehr gespannt, wohin es diese Generation noch treiben wird.
marktforschung.de: Vielen Dank für das nette Gespräch!
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