Gamifizierte Apps: Schnell und gut?
Von Lukas Gentemann, appinio
Es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie wichtig Geschwindigkeit in der Marktforschung ist, schauen wir uns etwa die Werbebranche an: Für die Entwicklung ganzheitlicher Konzepte und Kampagnen sind aktuelle und vor allem spezifische Consumer Insights der relevanten Zielgruppe grundlegend. Aufgrund des kurzen Zeitraums bis zum Kundenpitch greifen Werbeagenturen hier regelmäßig auf bereits bestehende Studien zurück, um ihre Entscheidungen zu treffen und zu rechtfertigen. Die bestehenden Studien liefern jedoch selten die nötige Tiefe, da sie zumeist eine andere Fragestellung und nicht die spezifisch geforderte Zielgruppe adressieren. Valide Ergebnisse in Bezug auf die relevante Zielgruppe sind innerhalb weniger Tage in der Regel einfach nicht zu bekommen. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, bei denen schnelle Marktforschungs-Ergebnisse benötigt werden. Denn die Frage "Wie schnell können Sie liefern?" stellt sich in nahezu jedem Marktforschungs-Projekt.
Schnelle Ergebnisse sind möglich
Dabei hält die Marktforschungsbranche bereits seit einigen Jahren eine mögliche Antwort auf die Frage nach schnellen Ergebnissen bereit: Mobile Research. Smartphones haben den Markt erobert und herkömmliche Handys verdrängt. Schon jetzt übersteigt die Nutzung des mobilen Internets die des stationären Internets. Diese Entwicklung ist nicht nur bei der jungen Zielgruppe zu beobachten, sondern mehr und mehr über alle Altersgruppen hinweg. Mit dieser Entwicklung steigt auch die Bedeutung von Apps für die Marktforschung.
Das Smartphone hat aus unserer Sicht entscheidende Vorteile gegenüber anderen Erhebungsinstrumenten. Zu nennen sind in erster Linie die Eigenschaften der Portabilität und Ubiquität sowie das Always-on-Prinzip. Daraus resultiert eine ständige Erreichbarkeit der Nutzer unabhängig von Zeit und Ort. Die Reaktionsmöglichkeit der Smartphone-Nutzer steigt unmittelbar. In Verbindung damit beschleunigt die automatisierte digitale Datenerfassung und die Analyse und Visualisierung der Daten in Realtime den Marktforschungsprozess gegenüber Online-Erhebungen zusätzlich.
Doch es bleibt die Frage zu klären, weshalb die Branche Apps bisher nicht effektiv für schnelle Marktforschungsbefragungen nutzt. Es ist weiterhin eine gewisse Skepsis gegenüber Marktforschungs-Apps zu erkennen und vom prognostizierten Erhebungsanteil von 40 Prozent im Jahr 2022 (Mobile Research Barometer, 2012) ist die mobile Marktforschung noch deutlich entfernt.
Technische Barrieren mobiler Marktforschung werden weniger
Die technischen Möglichkeiten, die eine mobile Marktforschungs-App bietet, sind natürlich eng mit denen eines Smartphones verbunden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Funktionalitäten, insbesondere der konstant gewachsenen Displays, bieten sich mittlerweile jedoch viel mehr Einsatzfelder an. Auch die Voraussetzungen eines reibungslosen Zugangs zu mobilem Internet sind aufgrund des Ausbaus der Netze, der Verbreitung immer größerer und günstigerer Daten-Flatrates konsumentenseitig und der steigenden Anzahl öffentlicher WLAN-Spots in öffentlichen Einrichtungen, Cafés, Bussen und Bahnen zunehmend gegeben.
Selbstverständlich sollte das Smartphone auch weiterhin nicht die erste Wahl für Werbepretests großflächiger Out-of-Home-Kampagnen sein, um in der Kommunikationsbranche zu bleiben. Die Eignung von Marktforschungs-Apps ist stets unter Einbeziehung der technischen Möglichkeiten, in diesem Fall des Bildschirms, sowie des Forschungsvorhabens zu bewerten, um die Qualität der Ergebnisse zu gewährleisten. Doch Werbevideos, Werbeslogans oder Unternehmenslogos lassen sich mittlerweile auch auf kleineren Displays integrieren und können unseren Erfahrungen nach schnellen und validen Pretests relevanter Zielgruppen unterzogen werden. Die technischen Barrieren der Smartphones werden zukünftig immer weniger als Argument gegen mobile Marktforschung ins Feld zu führen sein.
Die Erhebungssituation mobiler Marktforschung als Chance?
Ein weiteres entscheidendes Kriterium von mobiler Marktforschung ist die Erhebungssituation. Hier wird regelmäßig kritisiert, dass sich diese der Kontrolle des Marktforschers entzieht. Es kann nicht sichergestellt werden, dass auch derjenige Teilnehmer an einer Umfrage teilnimmt, der in der App angemeldet ist. Zudem werden Einflüsse und Ablenkungen der Umgebung, in der der Nutzer die Befragung unterwegs beantwortet, befürchtet.
Diese Einflüsse sind in der Tat lediglich in Laborstudien zu kontrollieren, was wiederum den Erhebungszeitraum wieder deutlich verlängern würde. Doch ist zu hinterfragen, ob diese Kritik dem Nutzungsverhalten der Smartphone-Nutzer noch gerecht wird: Das Smartphone ist mittlerweile als ständiger Wegbegleiter ein sehr persönliches Utensil, das der Nutzer selten aus der Hand gibt. Auch die Nutzungsszenarien von Smartphones außer Haus sollten vielmehr als Chance verstanden werden. In weniger aufregenden Situationen wie beim Warten auf den Bus, die Bahn oder beim Arzt sind Smartphone-Nutzer mitunter allein, ungestört und suchen nach Beschäftigung.
Zudem stellt sich in Bezug auf die Wartesituationen die entscheidende Frage, wie können Marktforschungs-Apps neben Konkurrenten wie Facebook, Twitter, Angry Birds und Co. die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und den Smartphone-Nutzer für Marktforschung begeistern? Wie können sie ihm einen Mehrwert bieten und seine Konzentration in entsprechenden Situationen auf sich ziehen, um schnelle und qualitativ hochwertige Ergebnisse zu liefern? Hierbei ist darauf zu achten, dass sich die Fragebogenlänge an der eher geringen Dauer der Wartesituationen orientiert, um hohe Abbruchraten zu vermeiden und die Response Rate zu erhöhen.
Mit Gamification zu einer höheren Motivation und Partizipation
Eine mögliche Antwort auf die soeben genannten Fragen ist nicht grundlegend neu: Sie lautet Gamification. Gamification bedeutet spielerische Elemente in ursprünglich nicht spielerische Kontexte einzubinden. Spiele und damit einhergehende Wettbewerbe sind tief in der menschlichen Psyche verankert und machen vor allem eines: Spaß. Jegliche Form von Partizipation kann durch die Einbindung spielerischer Elemente und demzufolge durch Spaß gefördert werden. Dies gilt auch für die gemeinhin als weniger unterhaltsam geltende Teilnahme an Marktforschung, wie verschiedene Experimente bereits zeigen konnten.
Apps wie Wishbone, bei der der Nutzer sich nach dem Tinder-Prinzip zwischen zwei Bildern (zum Beispiel zwei Promis, zwei Städten) entscheiden muss, oder der App "94%", bei der man erraten muss, was 94 Prozent der Befragten mit einem bestimmten Bild assoziiert haben, zeigen, wie erfolgreich spielerische Apps sein können, deren Ansätze der Marktforschung nicht ganz fern sind. Sie sind gute Beispiele für spielerische Elemente, die in Apps integriert werden können, um Smartphone-Nutzer zur Teilnahme an Marktforschung zu motivieren und ihre Aufmerksamkeit und Konzentration zu erhöhen. Um zugleich ein hohes Nutzerinvolvement und ein spannendes Nutzererlebnis zu schaffen, dürfen mobile Marktforschungs-Apps in Design und Usability den genannten und weiteren vergleichbaren Apps dabei in nichts nachstehen.
appinio fährt diesen Gamification-Ansatz in seiner gleichnamigen mobilen Markt- und Meinungsforschungs-App, in die verschiedene spielerische Elemente integriert wurden. Als wichtigster Punkt ist die Bereitstellung von täglichen Kurzfragen zu nennen. Lustige, interessante, aktuelle und zum Nachdenken anregende Fragen, zu denen die Nutzer ihre Meinung abgeben und vergleichen können, wie sie mit ihrer Meinung zu anderen Nutzern stehen. Für das Beantworten der Kurzfragen werden die Teilnehmer anders als bei parallel laufenden Marktforschungsumfragen nicht mit Guthaben entlohnt. Stattdessen erhalten die Teilnehmer Erfahrungspunkte, mit deren Hilfe sie im integrierten Levelsystem aufsteigen und Belohnungen in Form zusätzlicher App-Features freispielen können. Quiz-Fragen, in denen die Nutzer raten können, wie die anderen Nutzer bei bestimmten Fragen in der Mehrheit geantwortet haben, gehören ebenfalls zu dem Gamification-Konzept.
Aber welchen Einfluss nimmt dieses Konzept auf die Qualität der Umfrage-Ergebnisse? Die App basiert auf freiwilliger Anmeldung. Damit besteht auch hier grundsätzlich das Problem der Selbstselektion. Die App weist jedoch eine aktive Nutzerschaft auf, die die App auch dann nutzt, wenn keine incentivierten Marktforschungs-Umfragen in der App zur Verfügung stehen. Diese Nutzer unterscheiden sich gegenüber gängigen Panelisten durch die intrinsische Motivation, die ihrem Nutzungsverhalten zugrunde liegt.
Diese Motivation der Nutzer zeigt sich auch in deren Antwortverhalten bei den Marktforschungs-Umfragen: Die Umfragen weisen eine durchschnittliche Response Rate von 90 Prozent auf. Das bedeutet, dass 90 Prozent derjenigen, die eine Push-Nachricht für eine Umfrage erhalten, diese auch beantworten. Dies steht im Gegensatz zu den bisherigen Erfahrungen mobiler Marktforschung, bei denen die Non-Response-Rate zumeist recht hoch ist. Auch in den offenen Fragen scheint der Gamification-Ansatz Wirkung zu zeigen. 93 Prozent der Antworten sind inhaltlich relevant in Bezug auf die jeweilige Frage und gehen über Antworten wie „weiß nicht“, „nichts“ und „keine Angabe“ hinaus. Dies ist auch insofern überraschend, als dass die Eingabe auf dem mobilen Endgerät für den Nutzer aufwendiger ist als beispielsweise am PC oder Laptop. Diese Erfahrungen sind erste Hinweise darauf, dass der Gamification-Ansatz funktioniert und sich schnelle und qualitativ hochwertige Ergebnisse nicht ausschließen müssen.
Fazit
Um eines klarzustellen: Mobile Marktforschung ist nicht die Allzweckwaffe der Marktforschung. Die Wahl der Erhebungsmethode muss auch weiterhin aus der Abwägung der Forschungsfrage, der Zielgruppe und der methodischen Umsetzung getroffen werden. Wenn schnelle Ergebnisse gefragt sind, wird man jedoch in Zukunft an mobilen Marktforschungs-Apps immer seltener vorbeikommen. Smartphones und Apps bieten immer mehr Funktionen und ihre Anwendungsfelder für Marktforschung werden immer zahlreicher. Dabei ist es Aufgabe der Marktforscher nach Wegen zu suchen, um den Qualitätsanspruch an die Ergebnisse nicht dem Aspekt der Geschwindigkeit unterzuordnen und der Gamification-Ansatz kann einer dieser Wege sein.
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