Nachbericht zur GOR 22 Fünf Anläufe für eine GOR in Berlin

Fast wie vor der Pandemie fühlte sich die 24. General Online Research, kurz GOR genannt, an, die die Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung vergangenen Donnerstag und Freitag gemeinsam mit dem lokalen Veranstalter, der HTW Berlin durchführte. Was waren die Highlights aus Sicht der Insights Industry?

Von links: Prof. Holger Lütters (HTW Berlin, örtlicher Veranstalter), Assistant Professor Bella Struminskaya (Programme Chair), Susan Shaw (GIM Suisse) und Dr. Otto Hellwig (Vorsitzender der DGOF) (Foto: marktforschung.de)

Die Brücke zwischen der akademischen und kommerziellen Welt

Die GOR hat als Konferenz ihren ganz eigenen Charme, ist sie doch die einzige Konferenz in der Marktforschungslandschaft, die die Brücke zwischen der kommerziellen Welt der Markt- und Sozialforschung einerseits und der akademischen Welt der empirischen Online-Forschung andererseits baut. So gibt es zahlreiche Gelegenheiten für beide Seiten, miteinander in Kontakt zu kommen und sich gegenseitig zu inspirieren. Immerhin fünf Anläufe und zwei ins Virtuelle verschobene Konferenzen benötigte die DGOF, damit die erste GOR nach der Pandemie wieder live in Berlin stattfinden konnte.

Zahlreiche Referenten äußerten, dass sie das erste Mal seit zwei Jahren wieder live in einem Hörsaal vor Menschen präsentieren würden.

Wünsche einer qualitativen Forscherin für die Zukunft

Den Start mit der ersten Keynote machte Susan Shaw, Geschäftsführerin der GIM Suisse und ehemalige Präsidentin des Schweizer Marktforschungsverbands Swiss Insights, mit einem Vortrag zum Thema „New Digital Possibilities in Qualitative Research“. Der Vortrag fasste die Entwicklung, die die qualitative Marktforschung seit Beginn der Pandemie genommen hat, exzellent zusammen. Auch wenn vieles in der qualitativen Online-Forschung mittlerweile möglich ist, so bietet die Testung im Studio aus Sicht von Shaw nach wie vor deutliche Vorteile in Bezug auf Standardisierung der Testsituation. Und auch die Dynamik einer Gruppendiskussion oder von Kreativ-Workshops sei online eine andere, weshalb Shaw trotz der zahlreichen Möglichkeiten, die Online-Forschung mittlerweile bietet, das persönliche Setting vor Ort schätzt.

Auf Susan Shaws Wunschzettel ganz oben steht die Verbesserung der Präzision bei der Rekrutierung von Testpersonen. Außerdem wünscht sie sich eine Art Detektoren für Lügen und Soziale Erwünschtheit, die dank Face-Recognition zumindest im Online-Setting keine bloße Utopie mehr sein könnte.

Daran anschließend äußerte sie den Gedanken, dass es schön wäre, wenn die Technik Menschen dabei helfen könnte, auch Unbewusstes leichter zu verbalisieren. Auch die Realtime-Anpassung von Testmaterial wie Anzeigen oder Werbeclips könnte eine sinnvolle Erweiterung der qualitativen Online-Forschung sein.

Wie können Algorithmen entwickelt werden, damit sie Menschen gerecht werden?

Die zweite Keynoterin Prof. Claudia Wagner (RWTH Aachen, rechts) mit Assistant Professor Bella Struminskaya (Programme Chair) (Foto: marktforschung.de)

Eine ganz andere Stoßrichtung hatte die akademische Keynote, die dieses Jahr von Prof. Claudia Wagner gehalten wurde, die den Lehrstuhl für Applied Computational Social Sciences an der RWTH Aachen innehat. Wagner sprach über die Rolle, die Algorithmen in der Online-Forschung haben. So zeigte sie am Beispiel der Messung von Sexismus in Online-Texten auf, wie ein Forschungsprozess idealerweise aussehen sollte, an dessen Ende ein Algorithmus steht, der genau das analysiert, was er analysieren soll. Ihre Forderung: Algorithmen, die dazu verwendet werden, Menschen in irgendeiner Weise zu klassifizieren, sollten genauso intensiv geprüft werden wie Fragebogeninstrumente in der Psychologie. Heißt: Validität, Reliabilität, ethische Korrektheit und Transparenz sind bei der Entwicklung sicherzustellen.

Hier ist die Gesellschaft gefragt rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Algorithmen Menschen nicht schaden.

Vier innovative Arbeiten beim Best Practice Award

Die Gewinner des Best Practice Award 2022: Dirk Held von Aimpower mit Vera Wagner von Henkel (Foto: marktforschung.de)

Beim Best Practice Award, der Online-Forschungsprojekte mit einem deutlichen Business-Impact auszeichnet, waren 2022 nur vier Arbeiten in der Endrunde. Als Sieger aus der Session ging der gemeinsame Beitrag des Hamburger Start-ups Aimpower, das 2021 bereits den Start-up-Pitch von marktforschung.de für sich entscheiden konnte, mit dem Düsseldorfer Weltkonzern Henkel hervor. Der lange Titel lautete „Leverage the Virtual Consumer – How an online Augmented Intelligence solution supports Henkel sales teams to climb up the effectiveness ladder.” Henkel beauftragte Aimpower mit der Entwicklung eines virtuellen Assistenten, der POS-Materialien auf zentrale KPIs testet.

Neben dem Pokal für den Best Practice Award gewann das Duo auch die Möglichkeit, die Arbeit erneut im Kongressprogramm der succeet22 in München vorstellen zu dürfen.

Ebenfalls spannend war die Arbeit des niederländischen Instituts Centerdata für die World Bank mit dem Namen „Wearable devices as a surrogate for time use surveys”. Hierbei wurde mittels Machine Learning ermittelt, wie Daten, die über einen tragbaren Bewegungssensor gesammelt wurden, Aussagen über die Tätigkeiten im Tagesverlauf von Menschen in Malawi machen können.

Die beiden weiteren Beiträge im Wettbewerb verwendeten ebenfalls innovative Methoden, um Forschungsimpact zu erzielen. Die Schweizer YouGov-Tochter Link zeigte gemeinsam mit den Berner Softwareentwicklern Novolytica auf, wie Befragungsdaten zum Energiemarkt mit Regionaldaten vereint werden können. Der vierte Beitrag lautete „The Four Horsemen of Advertising Success: Ride the Insights Wave with Mind Mining” und war ein Gemeinschaftswerk der Firmen Credit Suisse, Link Marketing Services, Neuroflash, Neurons und Success Drivers. Zahlreiche Methoden und Analysen wurden in diesem Projekt verwendet, um auf neuartige Weise Anzeigen der Credit Suisse aus allen möglichen Blickwinkeln zu testen.

Warum probabilistische Online-Panels einen Unterschied machen, aber doch sehr ähnliche Probleme haben

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion (von links): Holger Geißler (marktforschung.de), Joris Mulder (Centerdata), Dr. Ulrich Krieger (Uni Mannheim) und Johannes Lemcke (RKI) (Foto: marktforschung.de)

An der Podiumsdiskussion „Challenges in Recruiting and Operating Probabilistic Online-Panels“ unter der Moderation von marktforschung.de Geschäftsführer Holger Geißler nahmen Vertreter des holländischen Liss-Panels, des deutschen German Internet Panel der Uni Mannheim und ein Mitarbeiter des RKI | Robert Koch Instituts, das sich gerade im Aufbau eines 30.000 Personen starken Online-Panels befindet, teil. Thema waren Besonderheiten und Herausforderungen dieser Methode.

Dabei wurde deutlich, wie sich kommerzielle Online-Access-Pools und probalistische Online-Panels an vielen Stellen ähneln. Es sind die gleichen Zielgruppen wie besonders junge Menschen oder Menschen mit geringem Einkommen, die häufig besonders schwierig als Panelisten zu gewinnen sind.

Auch das Antwortverhalten weise viele Parallelen auf, man wisse aber nie genau, bei welchen Themen nicht. Deutliche Unterschiede wurden von den Diskutanten dagegen in der Finanzierung der Panels, der Möglichkeit verallgemeinerbare Aussagen für die Gesellschaft zu treffen und der grundsätzlichen Rekrutierungswege gesehen.

Die GOR-Party: Eng und stickig

Als eigentlicher Höhepunkt der GOR gilt gemeinhin die Party, die diesmal inmitten des Prenzlauer Bergs in einer Bar mit dem Namen „Jung&Schönn“ stattfand. Unterstützt wurde die Party vom Düsseldorfer Institut moweb research. Da die Location inmitten eines Wohngebiets lag und direkt im Nachbarhaus ein prominenter Politiker wohnte, vor dessen Haustür Personenschützer positioniert waren, musste sich die Party komplett innerhalb der Bar abspielen. Das führte dazu, dass es eng und stickig wurde und das Thekenteam mit den Getränkebestellungen kaum nachkam. Dennoch war die Party für viele eine wunderbare Gelegenheit sich in geselliger Runde nach langer Zeit einmal wiederzusehen.

 

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