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Kevin Engist, Intelligent Research in Sponsoring Faszination Wintersport – Sponsoring-Analyse der zweitbeliebtesten Sportart der Deutschen

Kevin Engist, Intelligent Research in Sponsoring
Es ist ein sonniger Tag am 20. Januar 2018. Die "Streif" zieht bei der 78. Auflage des Mythos Hahnenkammrennen in Kitzbühel bei traumhaften Bedingungen weltweit erneut Millionen Zuschauer in ihren Bann, im Austragungsland Österreich liegt der Marktanteil der Live-Übertragung bei rekordverdächtigen 73 Prozent. Alleine in Deutschland verfolgen 3,11 Millionen TV-Zuschauer (Marktanteil 28,7 Prozent) das prestigeträchtigste Abfahrtsrennen der Welt im alpinen Skisport, obwohl den deutschen Abfahrern traditionell geringe bis gar keine Podest- oder gar Siegchancen eingeräumt werden. Auch an diesem Tag haben die Top-Fahrer bisher eindrucksvoll vorgelegt, der Schweizer Beat Feuz sitzt bereits relativ siegessicher in der "Leader-Box", da im hinteren Starterfeld keinem Athleten ein ernsthafter Angriff auf die Spitze zugetraut wird. Doch dann ist der deutsche Athlet Thomas Dreßen, bis dato noch ohne Weltcup-Sieg, an der Reihe. Als sich im mittleren Abschnitt die Stimmen der Kommentatoren plötzlich erheben, legt der allgemeine deutsche TV-Zuschauer allmählich sein Smartphone aus den Händen und schaut ungläubig auf den Bildschirm, wo Dreßen mittlerweile mehr als eine halbe Sekunde Vorsprung auf den Führenden herausgefahren hat. Eine spannende Zitterpartie im unteren Abschnitt beginnt und nach dem rasanten Zielsprung sind die Kommentatoren, Zuschauer und vor allem Thomas Dreßen selbst nicht mehr zu halten. Der 24-Jährige, der im Jahr 2005 bei einem tragischen Seilbahnunglück seinen Vater verloren hat, hat sich soeben in die Geschichtsbücher eingetragen und als erster deutscher Abfahrer seit 1979 die legendäre Streif gewonnen.
Es sind Geschichten wie diese, die die Position des Wintersports als zweitbeliebteste Sportart hinter "König Fußball" in Deutschland festigen. Vor der diesjährigen Wintersportsaison gaben 39 Prozent der Deutschen zwischen 16 und 69 Jahren an, sich für Wintersport zu interessieren (Top 2-Box), was einem Potenzial von umgerechnet über 22 Millionen Bundesbürgern in dieser Altersgruppe entspricht.

Dabei wird bei genauerer Betrachtung der alpine Skisport (66 Prozent Interesse unter den Wintersportinteressierten) sogar noch von drei weiteren Disziplinen überflügelt – Skispringen (81 Prozent) mit seinem Flaggschiff Vierschanzentournee, Biathlon (78 Prozent) sowie die Nordische Kombination (70 Prozent) belegen die Spitzenplätze in der Beliebtheitsskala.

Die Beliebtheit des Wintersports wird auch von konstant starken TV-Quoten untermauert – die Januar-Rennen im Biathlon erreichen auf den öffentlich-rechtlichen Sendern an den Wochenenden im Schnitt knapp über 5 Millionen Zuschauern bei einem durchschnittlichen Marktanteil von rund 30 Prozent. Die Live-Übertragungen der Vierschanzen-Tournee 2019 lockten im Schnitt mehr als 5,8 Millionen Zuschauer vor den Fernseher. Beim Abschlussspringen in Bischofshofen schalteten sogar knapp 6,8 Millionen Zuschauer (MA 27 Prozent) im ZDF ein. Zur Einordnung – die ARD-Sportschau mit den Highlights des Fußball-Wochenendes generierte in der vergangenen Saison 2017/18 an den Samstagabenden einen Schnitt von 4,8 Millionen Zuschauern pro Sendung.
Doch was sind die Faktoren dafür, dass sich der Wintersport Jahr für Jahr neuer Beliebtheit bei seinen Fans erfreut? Bei einer Untersuchung der Imageattribute der beliebtesten Disziplinen werden diese von seinen Fans als besonders "spannend" (92 Prozent), "dynamisch" (92 Prozent), "kämpferisch" (91 Prozent) sowie "international" (94 Prozent) wahrgenommen. Gepaart mit einer langen Historie an Erfolgen deutscher Athleten stellt der Wintersport damit nicht nur für Fans, sondern auch für Sponsoren eine äußerst attraktive Plattform dar, die sich sowohl vom quantitativen Interesse als auch von den oben genannten positiven Imageattributen des Wintersports einen positiven Abstrahleffekt auf ihre Marke erhoffen.

Da verwundert es kaum, dass einem beim Blick auf die Sponsorenlandschaft namhafte Brands wie u.a. Audi, Milka, Red Bull, BMW, Viessmann oder Erdinger begegnen. Auffallend ist hierbei die außergewöhnlich hohe Sponsorentreue – Pionier Audi ist bereits seit über drei Jahrzehnten im Wintersport aktiv, der Hersteller von Energiesystemen Viessmann kann auf eine 26-jährige Historie im Wintersportsponsoring zurückblicken und auch die mittlerweile zur amerikanischen Mondelez-Gruppe gehörende Schokoladenmarke Milka feiert im nächsten Jahr 25-jähriges Sponsoring-Jubiläum, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Um langjährige Partnerschaften wie diese zu finden, sucht man beispielsweise selbst bei König Fußball größtenteils vergebens, wo sich die Sponsorenfluktuation in der Regel in anderen Sphären bewegt.
Da verwundert es auch nicht, dass die Recognition-Werte (gestützte Bekanntheit als Wintersportsponsor) unter den Wintersportinteressierten bei den Top-Brands jenseits der 70 Prozent liegen - wohlgemerkt fand die Erhebung vor Beginn der Wintersportsaison statt und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die Sponsoren mehr als ein halbes Jahr keine Live-TV-Sichtbarkeiten generierten.
Unangefochtener Spitzenreiter im disziplinenübergreifenden Ranking ist seit vielen Jahren Milka – die Schokoladenmarke erreicht einen gestützten Sponsorenbekanntheitswert von 83 Prozent und profitiert dabei u.a. nach wie vor noch von einem der erfolgreichsten Sponsorings aller Zeiten, als sich Milka 1998 die Rechte am Helm des damaligen Publikumslieblings Martin Schmitt im Skispringen sicherte, der fortan mit einem lila Helm seine größten Weltcuperfolge feierte. An diesem Beispiel zeigt sich eindrucksvoll, wie nachhaltig erfolgreiche Sponsorings wirken können und auch Jahrzehnte nach Beendigung weiterhin auf die Marke einzahlen – vergleichbare Beispiele sind z.B. das Radsportsponsoring der Telekom zu Jan Ullrich-Zeiten oder das Trikotsponsoring von Opel beim FC Bayern München. Nicht unerwähnt bleiben sollte dabei allerdings, dass Milka das Sponsoring auch heutzutage mit prägnanten Werbemitteln wie einer aufblasbaren lila Kuh oder innovativen Umsetzungen wie einer lila beleuchteten Anlaufbahn im Skispringen ständig nach neuen Wegen sucht, um das hohe Bekanntheitslevel als Wintersportsponsor auch nach der Ära Martin Schmitt zu erhalten.
Eine weitere Besonderheit im Wintersportsponsoring ist die hohe Dichte an Einzelsportlern, die sich als Testimonial für Wintersportsponsoren eignen. In puncto Bekanntheit stechen hierbei besonders der alpine Rennsportler Felix Neureuther (78 Prozent) sowie Biathlon-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier (67 Prozent) heraus. Doch auch abseits der beiden Vorzeigeathleten zeigt unsere Untersuchung, dass die deutschen Wintersportler durch die Bank hervorragende Sympathiewerte von größtenteils über 90 Prozent erreichen – skandalfreies und bodenständiges Auftreten bilden hierbei Eckpfeiler für die außerordentlich gute "Vermarktbarkeit" der deutschen Wintersportathleten.
Darauf setzt auch der langjährige Wintersportsponsor Viessmann – der Hersteller von Energiesystemen hat aktuell 40 Athleten, Trainer/Funktionäre sowie Ex-Athleten als Markenbotschafter unter Vertrag, was unter anderem ein Hauptgrund dafür ist, dass Viessmann in der disziplinenbezogenen Abfrage beim Biathlon, der Nordischen Kombination oder beim Rodeln jeweils auf Rang 1 der Sponsoring-Recognition liegt. Überhaupt beschreitet Viessmann seit geraumer Zeit neue Wege in der Aktivierung und lässt vor allem durch die Kampagne "#Winterfans" positiv aufhorchen, die den Wintersportfans interessante Inhalte zum Thema Nachhaltigkeit vermittelt und den Beitrag von Viessmann und seinen Athleten dazu in den Mittelpunkt rückt. Ausgespielt wird die Kampagne neben den klassischen TV-Sichtbarkeiten vor allem über digitale Kanäle, über welche Viessmann versucht, auch die jüngere Zielgruppe zu erreichen und miteinzubeziehen.
Damit greift Viessmann indirekt einen größeren Kritikpunkt des Wintersports als Sponsoringplattform auf und wirkt diesem aktiv entgegen – die demographische Untersuchung der Wintersportfans zeigt nämlich, dass die Sportart mittlerweile Probleme hat, die junge Zielgruppe zu erreichen. Das Durchschnittsalter der Wintersportinteressierten liegt knapp zwei Jahre über dem Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung und 43 Prozent der Zielgruppe ist 50 Jahre alt oder älter. Ein Eindruck, der bei demographischer Betrachtung der Einschaltquoten der Wintersportübertragungen auf den öffentlich-rechtlichen Sender noch verstärkt wird.
Bei allen genannten Vorzügen, die der Wintersport als Sponsoringplattform bietet, gilt es für Organisatoren und Vermarkter, diesem Trend entgegenzuwirken. Die "festgefahrenen" Sendeplätze auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen garantieren zwar hohe Reichweiten, tragen jedoch aufgrund des hohen Durchschnittsalters des gewöhnlichen ARD/ZDF-Zuschauers (der ZDF-Senderschnitt liegt bzgl. des Durchschnittsalters bspw. bei knapp 65 Jahren) nicht dazu bei, junge Zielgruppen für den Wintersport zu begeistern. Die meist parallel laufenden Übertragungen auf Eurosport, die im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Sendern auf einem eher überschaubarem Quotenniveau, verschaffen ebenfalls keine Abhilfe in Richtung einer jüngeren Zielgruppe – das durchschnittliche Alter des Eurosport-Zusehers liegt auch bei über 60 Jahren. Dazu passt auch, dass 98 Prozent der befragten Wintersportinteressierten angeben, die Live-Übertragungen in erster Linie über das lineare TV zu verfolgen. Selbst klassische Zeitungen / Zeitschriften werden als Informationsquelle zum Wintersport häufiger genutzt (44 Prozent) als digitale Inhalte (36 Prozent).
Daher ist der Wintersport gefordert, ähnlich wie z.B. die Formel 1, die mit ähnlichen Herausforderungen und infolgedessen mit mittlerweile stark nachlassendem Gesamtinteresse zu kämpfen hat, vor allem digitale Kanäle bzw. Streaming-Plattformen stärker zu nutzen und den Sport darüber besser zu inszenieren, um die heranwachsende Generation für den Sport zu begeistern. Die TV-Dokumentation zum eingangs erwähnten Hahnenkammrennen "Streif – One Hell of a Ride" ist neben Amazon Prime, maxdome, iTunes und GooglePlay seit diesem Winter auch beim Streamingdienst Netflix verfügbar, erfreut sich dort großer Beliebtheit und wird sicherlich auch von Usern gestreamt, die normalerweise mit dem Wintersport noch wenig in Berührung kommen. Es sind Inszenierungen wie diese, die dabei helfen, den Sport für ein jüngeres Publikum zu öffnen – und spannende Geschichten zu erzählen hat der Wintersport mehr als genug.
Zum Autor:
Kevin Engist ist Head of Project Management & Market Research bei Intelligent Research in Sponsoring in Karlsruhe.
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