Munkes Mind Faster, cheaper, better – oder die Quadratur des Kreises

Die Crew-Mitglieder der Columbia im Januar 2003 - Rick Husband, Willie McCool, David Brown, Laurel Clark, Mike Anderson, Ilan Ramon und Kalpana Chawla - kurz vorm Start des Space-Shuttles. Nach zweiwöchigem Flug brach die Fähre am 1. Februar 2003 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre auseinander (Bild: picture alliance / ZUMAPRESS.com | NASA).
„Faster, cheaper, better” sind Forderungen, die heute mehr denn je an Marktforschende gestellt werden. Bereits in den 90er Jahren gab es in der US-amerikanischen Raumfahrt bei der NASA unter diesen Schlagworten ein Programm, das teure und langwierige Projekte beschleunigen und kosteneffizienter machen sollte. Aus dem Programm folgten einige erfolgreiche Weltraummissionen – aber eben auch zahlreiche spektakuläre Fehlschläge, so dass es nach wenigen Jahren wieder eingestellt wurde. Allerdings hatte das Programm einen überdauernden Einfluss auf die Unternehmenskultur, in der Prozessoptimierung an Bedeutung gewann und Expertise (sowie die häufig verbundene hinterfragende Grundhaltung) als eher behindernd empfunden wurden.
Getreu dem Motto: „Wir brauchen Lösungen und keine Probleme“.
Schlussendlich wurde diese Haltung, die tendenziell Warnungen von Menschen mit Expertise ignoriert und eher dem Optimismus der Naiven folgt, zur „Root Cause“ des Columbia-Unglücks. Hierbei starben sieben Crew-Mitglieder beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Der Hintergrund: Die Hitzeschilde des Space-Shuttles wurden beim Start beschädigt– und dennoch wurde weiter das Prinzip „wird schon gut gehen – ist bisher auch immer gut gegangen“ befolgt.
Nun sind Marktforschungsprojekte keine Weltraumprojekte. Es geht nicht um Leben oder Tod, sondern mittelbar oder unmittelbar „nur“ um Investitionsentscheidungen.
Dennoch können wir meiner Meinung nach aus den Erfahrungen lernen, da es deutliche Parallelen gibt.
Allmacht des Effizienz-Gebots
Geschwindigkeit und Kosten sind häufig die zentralen Parameter, die bei Marktforschung entscheidend sind. Qualität bzw. sogar die Steigerung von Qualität („better“) wird vorausgesetzt. In einer Fokusgruppe würden an dieser Stelle die Teilnehmenden die Frage hören, was sie unter Qualität verstehen. Die Antworten könnten „Fehlerfreiheit“ oder „Nützlichkeit“ der Ergebnisse sein.
Fehlerfreiheit
Fehlerfreiheit lässt sich, zumindest in der Theorie, durch Standardisierung und Automatisierung erreichen – ebenso wie Tempo und günstige Preise. Allerdings lässt sich hierdurch nur die Anzahl der Fehler reduzieren. Ein einzelner Fehler kann durch die Automatisierung und die damit verbundene Wiederholung multipliziert werden. Entsprechend steigen auch die Anforderungen an die Qualitätssicherung, da nicht mehr viele kleine Fehler gesucht werden müssen, sondern der seltene Fehler mit den schwerwiegenden Folgen. Unterm Strich sind automatisierte Prozesse immer günstiger – die Qualität dieser Prozesse muss aber ebenfalls sichergestellt werden. Und diese gibt es auch hier ähnlich wie bei der NASA nicht zum Nulltarif.
Nützlichkeit
Ebenso nicht umsonst gibt es Qualität, sofern damit die Nützlichkeit der Ergebnisse gemeint ist, da diese meiner Überzeugung nach mit Individualisierung des Forschungsansatzes und der Handlungsempfehlungen ansteigt. So erfolgt Individualisierung auf Basis von Standards, sie folgt aber keiner „One size fits all“-Logik. Entsprechend wird Expertise benötigt. Geschwindigkeit, Kosten und Nützlichkeit lassen sich nicht gleichzeitig maximieren, sondern nur zueinander optimieren. Expertise gibt es nun einmal nicht auf Knopfdruck. Somit wird aus der Aussage „faster, cheaper, better“ die Frage, wie „fast, cheap and good “ eine Methode sein darf bzw. muss, um noch den erhofften Nutzen zu stiften.
Wo kann man Zugeständnisse machen und wo besser nicht
Ich würde bei „good“ am wenigsten Zugeständnisse machen, da Marktforschung nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern Teil eines (Entwicklungs-)Prozesses im Unternehmen ist. Hierbei können die Effekte schlechter Qualität der Forschung schwerwiegender sein als ein paar gesparte Tage oder Euros im Projekt: Diese Einsparungen sind zwar unmittelbar sichtbar, Qualität hingegen wirkt längerfristig.
Zielkonflikt zwischen Kosten, Geschwindigkeit und Qualität
Dies soll kein Plädoyer für „Slow Research“ sein.
Vielmehr möchte ich dafür sensibilisieren, dass es einen unvermeidlichen Zielkonflikt zwischen Kosten, Geschwindigkeit und Qualität gibt.
Der Sweetspot dieser drei Faktoren muss für jede Fragestellung neu definiert werden – und er hängt sicherlich auch von der Unternehmenskultur der beteiligten Institute und Unternehmen ab. Außerdem ist es ein Plädoyer für eine ganzheitliche Betrachtung des Wertes von Marktforschung bzw. von Erkenntnissen für Unternehmen. Der Erfolg eines Projektes ist häufig ein klassisches O-Ring-Problem:
Das schwächste Glied in der Kette hat großen Einfluss auf das Ergebnis – und wir sollten alle ein Interesse haben, dass Marktforschung nicht das schwächste Glied ist, sondern ein entscheidendes.
Über die Person
Dr. Jörg Munkes ist Geschäftsführer bei der GIM in Heidelberg, wo er seit knapp 20 Jahren tätig ist. Als promovierter Sozial- und Persönlichkeitspsychologe hat er die Entwicklung der quantitativen Forschung des Full-Service-Instituts über viele Jahre geprägt und dabei ein Faible für psychografische Zielgruppen-, Werte- und Markenforschung entwickelt. Als GIM-Geschäftsführer ist er unter anderem für das Business Development verantwortlich und gleichzeitig ein von Natur aus neugieriger Mensch –... mehr
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